Heftige US-Kritik
Türkei eher “Nährboden” als Verbündeter gegen IS
Unter der Überschrift "Unser Nicht-Alliierter in Ankara" ging das "Wall Street Journal" in dieser Woche besonders hart mit der Türkei ins Gericht. "Nicht nur will Ankara sich militärisch nicht engagieren", kommentierte das Blatt. "Es wird den USA auch verbieten, die US-Luftwaffenbasis in Incirlik - weniger als 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt - für Luftangriffe gegen die Terroristen zu nutzen." Die Türkei sei "ein Mitglied der NATO, hat aber vor langer Zeit damit aufgehört, sich wie ein Verbündeter der USA oder ein Freund des Westens zu verhalten".
Die Liste der Vorwürfe an die Adresse Ankaras ist lang. Die türkische Führung wird beschuldigt, durch ihre Politik der offenen Grenzen zum IS-Erstarken beigetragen zu haben - viele ausländische Kämpfer sind ungehindert über das Land nach Syrien gereist. Ankara wird vorgeworfen, die Gefahr durch IS in der Hoffnung auf einen schnellen Sturz des Assad-Regimes in Syrien ignoriert zu haben. Indirekt soll die Türkei als schwarzer Absatzmarkt für das Öl, das in den von IS eroberten Gebieten gefördert wird, Millionenbeträge in die Kriegskasse der Terroristen spülen.
Zeitung: IS-Kämpfer in türkischem Spital behandelt
Beanstandet wird auch, dass verwundete IS-Kämpfer in der Türkei behandelt wurden. Die regierungskritische Zeitung "Taraf" zitierte am Mittwoch eine Krankenschwester eines privaten Krankenhauses im südtürkischen Mersin mit den Worten: "Wir behandeln sie, und dann gehen sie und schneiden Köpfe ab."
Die "New York Times" nannte die Türkei am Dienstag "eine der größten Quellen für Rekruten" für IS. Türkischen Medienberichten zufolge - die auch die "NYT" zitiert - haben sich bis zu 1.000 Türken der Terrormiliz angeschlossen. Der Vorwurf relativiert sich allerdings, führt man sich Zahlen etwa aus Frankreich vor Augen: Sogar aus dem bevölkerungsärmeren und Tausende Kilometer entfernten Land haben sich nach Angaben der Regierung in Paris knapp 900 Franzosen dazu entschlossen, in den Dschihad nach Syrien oder den Irak zu ziehen.
Erdogan: "Medienberichte sind unanständig und nicht wahr"
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wies die Vorwürfe und die kritischen Medienberichte rundum als "unanständig" zurück. "Sie sagen, die Türkei kauft ihr Öl, die Türkei gibt ihnen Waffen oder behandelt sogar ihre Verwundeten in Krankenhäusern", sagte er mit Blick auf die Terrormiliz. "All das steht außer Frage und ist nicht wahr." Die Türkei als ein Land dazustellen, das Terrorismus unterstütze, sei "unbedacht".
Die Regierung in Ankara führt an, dass ihr beim Kampf gegen IS die Hände gebunden seien, weil die Terrormiliz seit Juni 49 Türken in ihrer Gewalt habe. Wie sich die Regierung um deren Freilassung bemüht, ist unklar - sie hat eine Nachrichtensperre verhängt. Westliche Sicherheitsexperten sagen, dass die Geiseln die Türkei zwar in ihrer Handlungsfreiheit beschränken. Sie deuten aber an, dass sie Erdogan auch ein Argument dafür liefern, sich nicht engagieren zu müssen.
Ankara entfernt sich vom westlichen Partnern
Auch wenn US-Außenminister John Kerry Erdogan bei einem Besuch in Ankara am vergangenen Freitag einen "alten Freund" nannte: Die islamisch-konservative Führung der Türkei hat sich in den vergangenen Jahren vom Westen entfernt. Erst am Montag stellte Erdogan führenden ägyptischen Muslimbrüdern im Exil eine Einreise in die Türkei in Aussicht. Mit der radikalislamischen Hamas pflegt Ankara Beziehungen. US-Medien zitierten den früheren US-Botschafter in Ankara, Francis Ricciardone, wonach die Türkei zeitweise mit der inzwischen verbotenen Al-Nusra-Front in Syrien zusammenarbeiteten.
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