Unruhen überall

Welle des Protests erfasst immer mehr arabische Staaten

Ausland
19.02.2011 19:57
In Arabien verlieren immer mehr Menschen die Angst vor ihren autokratischen Herrschern. Die Welle der Proteste für Demokratie und soziale Reformen reichte am Samstag von Algerien und Libyen in Nordafrika über den Jemen, Bahrain, Oman und Kuwait bis zum Kleinstaat Dschibuti am Horn von Afrika. Am heftigsten waren die Auseinandersetzungen in Libyen. Dort kamen Menschenrechtlern zufolge bei Protesten gegen den seit vier Jahrzehnten herrschenden Muammar al-Gadafi bisher Dutzende Menschen ums Leben.

In Libyen dauerten im Gebiet zwischen Bengasi und Al-Baida auch am Samstag die Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften an, wie aus Sicherheitskreisen verlautete. Die 200 Kilometer von Tripolis entfernte ost-libysche Region ist Schwerpunkt der Proteste gegen Gaddafi. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wurden bei den Protesten der vergangenen Tage mindestens 84 Menschen getötet. Ein Geistlicher sagte dem Fernsehsender Al Jazeera, viele Menschen seien durch Schüsse in Kopf und Brust zu Tode gekommen.

Offizielle Angaben zur Totenzahl in Libyen gab es nicht. Das Ausmaß der Proteste ist schwer abzuschätzen, da die Medien einer strengen staatlichen Zensur unterliegen. Ausländische Journalisten sind nicht zugelassen, Einheimischen wurde die Reise nach Bengasi verwehrt. Mobilfunkverbindungen in Städte im Osten des Landes waren häufig unterbrochen.

Verletzte bei Demonstration in Algerien
Bei einer Demonstration von Regierungsgegnern im benachbarten Algerien gab es am Samstagvormittag Verletzte. Etwa 400 Menschen hatten sich trotz der massiven Polizeipräsenz auf dem Platz des 1. Mai in der Innenstadt von Algier versammelt, um gegen die Regierung und soziale Missstände im Land zu protestieren. Die Polizei setze Schlagstöcke ein, um die Menschen zu vertreiben.

Bahrains Soldaten ziehen sich zurück
Das ebenso wie Gaddafi und Algeriens Regierung bedrängte Herrscherhaus in Bahrain zeigte sich zum Dialog bereit, biss damit bei der Opposition aber zunächst auf Granit. Die Armee müsse von der Straße verschwinden und außerdem eine Übergangsregierung gebildet werden, forderten die Regierungsgegner. Kronprinz Salman bin Hamad Al Khalifa befahl daraufhin der Armee den Rückzug in die Kasernen und rief zur nationalen Trauer um die Opfer der Unruhen auf. Auf dem Perlenplatz in der Hauptstadt Manama dominierten dann wieder die Demonstranten. Bei der Räumung des Platzes waren am Donnerstag mehrere Menschen zu Tode gekommen.

Jemen, Oman, Kuwait und Dschibuti im Aufruhr
Auch im Jemen gab es neue Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern von Präsident Ali Abdullah Saleh. Dabei kam am Samstag ein Oppositioneller zu Tode. Proteste gegen die Regierungen wurden am Samstag auch aus Oman und Dschibuti am Horn von Afrika bekannt. In Dschibuti unterhalten die USA ihren einzigen Militärstützpunkt in Afrika. In Kuwait ging die Polizei mit Tränengas gegen staatenlose Araber vor, die mehr Rechte einforderten.

Auch Proteste saudi-arabischer Schiiten
Die Protestwelle erreichte zeitweilig auch Saudi-Arabien. Angehörige der schiitischen Minderheit gingen Schiiten-Kreisen zufolge im ölreichen Osten des Königreichs auf die Straße, um gegen die Inhaftierung von Glaubensbrüdern ohne Prozess zu demonstrieren. Um die Behörden nicht zu provozieren, hätten die Demonstranten bei ihrer Aktion keine Parolen gerufen und auch auf Spruchbänder verzichtet. Die Proteste in der an Bahrain grenzenden Region fanden am Donnerstag statt, wurden aber erst am Samstag bekannt.

Das sunnitische Herrscherhaus von Saudi-Arabien beobachtet die Proteste in den Nachbarländern Jemen und Bahrain mit großem Argwohn. Nach der Eskalation der Lage in Bahrain in den vergangenen Tagen war darüber spekuliert worden, ob die Saudis möglicherweise sogar Truppen ins Nachbarland schicken würden, um einen Sturz des sunnitischen Herrscherhauses zu verhindern. In Bahrain stellen die Schiiten die Bevölkerungsmehrheit.

Arabische Liga: Lage "ernst und schicksalhaft"
Die Arabische Liga bezeichnete die Lage in der Region als "ernst und schicksalhaft". Deshalb müsse der Gipfel der Liga wie geplant am 29. März in Bagdad stattfinden.

Auch das österreichische Außenministerium reagierte auf die Ausweitung der Proteste. Für Bahrain wurde eine Reisewarnung ausgegeben, für Libyen noch nicht. Allerdings wird vor nicht absolut notwendigen Reisen in das nordafrikanische Land "dringend abgeraten", betonte Außenamtssprecher Peter Launsky-Tieffenthal nach einer neuerlichen Sitzung des gemeinsamen Krisenstabes mit Vertretern von Bundeskanzleramt, Innen-und Verteidigungsministerium am Samstag.

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