"Killer-Bakterien"

WHO-Tag: Wenn das Antibiotikum nicht mehr wirkt

Wissenschaft
05.04.2011 15:06
Unter dem Motto "Antibiotika-Resistenz: Wer heute nicht handelt, kann morgen nicht heilen" widmet sich der diesjährige Weltgesundheitstag am 7. April der Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen. Allein in den EU-Ländern sterben jedes Jahr rund 25.000 Menschen an schweren Infektionen mit resistenten Bakterien, die sie meist in Spitälern erworben haben. Österreich galt diesbezüglich lange als Insel der Seligen, doch besonders resistente Darmbakterien geben neuerdings auch hierzulande Anlass zur Sorge.

Speziell geht es bei den - mittlerweile auch von Teilen der Fachwelt als "Superbakterien" oder gar "Killerbaktieren" bezeichneten Erregern - um E.-coli-Bakterien, welche Enzyme, sogenannte Betalaktamasen, in breiter Manier bilden. Mit den Enzymen machen die Keime Antibiotika wie Penicilline, Cephalosporine und Monobactame durch Spaltung unschädlich.

Auf verschiedenen Gebieten wurden hier auch in Österreich in den vergangenen Jahren deutliche Veränderungen dokumentiert. Das zeigen aktuelle Daten, die vom Referenzzentrum für Krankenhausinfektionen und Antibiotikaresistenz in Linz von 39 Labors in ganz Österreich gesammelt werden.

Acht von zehn E.-coli-Stämmen sind resistent
Die Leiterin des Zentrums, Petra Apfalter, erklärt: "In Europa sprechen nur noch vier von zehn E.-coli-Stämmen auf alle Antibiotika an, in Österreich ist es nur jeder zweite. Schwere Infektionen mit dem Darmbakterium E. coli nehmen zu, zusehends kommt es zu mehr Infektionen mit E.-coli-Stämmen, die gegen zwei oder mehr Antibiotikaklassen resistent sind." Der Expertin zufolge gelten Cephalosporine-Medikamente der 3. Generation als "Treiber" dieser Entwicklung. Sie würden in Österreich im niedergelassenen Bereich im EU-Vergleich überdurchschnittlich oft verwendet.

Laut der Mikrobiologin wurden in Österreich in den vergangenen Jahren aber auch Erfolge in Sachen Hygiene, Antibiotikaeinsatz und somit beim Zurückdrängen gefährlicher Resistenzentwicklungen verzeichnet: 2001 waren nur 7,5 Prozent der Staphylokokken aus Blutproben von Spitalspatienten mit invasiven Infektionen Methicillin-resistent und somit schwer behandelbar. 2003 waren es dann plötzlich 15,4 Prozent, im Jahr 2009 dann nur 5,9 Prozent.

Bei den E.-coli-Darmbakterien könnte sich eine ähnliche Entwicklung bezüglich der Chinolone, häufig verwendeter Breitband-Antibiotika, ergeben: Im Jahr 2001 zeigten 6,9 Prozent der untersuchten Keimstämme eine Resistenz, 2007 waren es 25,4 Prozent und im vergangenen Jahr dann 20,6 Prozent. Der Gipfel könnte auch dadurch entstanden sein, dass bei den Fluorchinolonen vor einigen Jahren billigere Generika auf den Markt kamen. Das könnte Ärzte zur häufigeren Verschreibung dieser Substanzklasse verleitet haben.

Europa: "Killerbakterien" breiten sich aus
Zum Motto des Weltgesundheitstages 2011 meint Apfalter: "Es gibt auf der EU-Ebene im Zusammenhang mit Resistenzen ein neues Thema. Das sind die 'Killerbakterien', die in ganz Europa 'gestreut' wurden und mittlerweile vermehrt gefunden werden. Es handelt sich um Carbapenase-produzierende Keime." Die Bakterien weisen das Gen NDM-1 auf, welches Bakterien verändert und fast alle Antibiotika wirkungslos macht. Infektionen mit NDM-1-Keimen sind daher extrem schlecht zu behandeln. "Es gibt sie auch in Österreich, allerdings im geringen Ausmaß", so die Expertin.

Aufsehen erregte im Sommer vergangenen Jahres diesbezüglich eine Publikation in "The Lancet of Infectious Diseases" - krone.at berichtete -, in der vom Auftauchen solcher Bakterien in Indien, Pakistan und Großbritannien berichtet wurde. Insgesamt waren in 36 Kulturen von Patienten solche multiresistenten E. coli und Klebsiella-Stämme identifiziert worden, die auch gegen das bis dahin wirkungsvolle Antibiotikum Carbpenem resistent waren.

Die anfänglich ersten Fälle waren vermutlich über Reisende nach Großbritannien gebracht worden. Im August 2010 meldete das österreichische Gesundheitsministerium, dass in Graz zwei Patienten mit solchen Infektionen gefunden worden waren. Einer der Patienten war aus Pakistan gekommen. Bei dem zweiten Patienten handelte es sich um ein 14-jähriges Kind, das zunächst im Kosovo operiert worden war. Beide hatten die Keime quasi importiert.

Ärzte und auch Patienten müssen vorsichtig sein
Panik sei laut Apfalter jedoch nicht angebracht: "Man muss dieses Thema im Auge behalten. Patienten, niedergelassene Ärzte, Ärzte im Spital - alle sollten aufmerksam sein." Hier hätten alle Beteiligten Verantwortung zu tragen - bis hin zu Patienten, die sich bei der Einforderung von Antibiotikatherapien zurückhalten sollten. Griechenland, Spanien und die Türkei hätten hier bereits ein ernsthaftes Problem. "Die EU hat genau dieses Thema als globales Problem erkannt", so die Wissenschafterin. Zwar stünden mit Substanzen wie Tigecyclin oder Colistin weiterhin noch wirksame Medikamente zur Verfügung, doch das seien bereits letzte Ausweichmöglichkeiten.

Apfalter verdeutlicht das Problem: "Da sind dann beinahe alle Antibiotika nicht mehr wirksam. Und wenn ein Patient dann eines der bleibenden nicht verträgt oder es aus anderen Gründen nicht verwendet werden kann, wird es schwierig". Um zu vermeiden, dass sich resistente Stämme in Österreich etablieren, hat das Gesundheitsministerium bereits vergangenes Jahr empfohlen, bei Patienten nach Reisen in Indien und Pakistan und allen anderen Patienten, die zu Verdacht Anlass geben, angemessene krankenhaushygienische Maßnahmen einzuleiten und ein Screening bei diesen Personen und deren engen Kontaktpersonen vorzunehmen. Die WHO warnt: "In vielen Ländern der Europäischen Region sind Antibiotika nicht verschreibungspflichtig. Oft werden keine Daten zu antibiotikaresistenten Infektionen erhoben, so dass das Ausmaß des Problems trotz eines durchaus vorhandenen Bewusstseins unter den Ärzten nicht dokumentiert wird."

WHO sieht globales Problem
"Die Entstehung resistenter Bakterien ist ein schwerwiegendes Problem in Gesundheitseinrichtungen und führt u.a. zu lebensbedrohlichen Blut-und Wundinfektionen und zu Lungenentzündung. Antibiotikaresistenzen führen zu einem Anstieg der Behandlungskosten, der durch längere Krankenhausaufenthalte, höhere Ausgaben für Antibiotika und Behandlung sowie die indirekten Kosten für Familie und Gesellschaft bedingt ist", berichtet die WHO.

Weltweit kommt es allein bei der Tuberkulose derzeit zu 440.000 Erkrankungsfällen, die durch multiresistente Keime verursacht werden. 150.000 Patienten sterben pro Jahr an solchen Erkrankungen, weil multiresistente Tuberkulose extrem schwierig zu behandeln ist und in den meisten Staaten der Erde dazu die Mittel fehlen. Resistenzen gibt es aber auch gegen viele der Malaria-Medikamente wie Chloroquin oder Sulfadoxin-Pyrimethamin, was in den tropischen Ländern der Welt eine Bedrohung für viele Millionen Menschen darstellt. "Die Bekämpfung und Prävention von Antibiotikaresistenz ist komplex und es sollte eine Vielzahl verschiedener Sektoren beteiligt sein. Sie setzt ein umfassendes und abgestimmtes nationales Konzept voraus", so die WHO.

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