Am 13. Juni hat der Nationalrat mehrheitlich das CETA-Abkommen abgesegnet. Am 28. Juni stimmte auch, wie nicht anders zu erwarten, der Bundesrat mit 38 zu 21 Stimmen für jenen Teil des Abkommens, der nicht in der alleinigen Zuständigkeit der EU liegt; dieser Teil wurde ja schon vorläufig in Kraft gesetzt, nachdem auch der damalige Kanzler Kern unterschrieben hatte. Es fehlte somit nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten auf der Ratifizierungsurkunde, und Österreich hätte dem Vertragswerk offiziell zugestimmt. Es wurden zwar rechtliche Bedenken zur Abstimmung des Bundesrates geäußert, aber eigentlich zweifelte niemand daran, dass der Bundespräsident als bekennender Europäer sich schnellstens vor Brüssel verbeugen und seine Unterschrift unter die Urkunde setzen würde. Auch ich war der Meinung, dass er trotz seiner grünen Seele Brüssel den Vorzug geben würde. Unverhofft kommt oft, heißt es aber, und auch hier kam es so. Eine Titelzeile lautet: „Knalleffekt: Van der Bellen blockiert CETA!“ Dieser Titel möchte die Kritiker und Gegner in berechtigten Jubel ausbrechen lassen, und auch ich war – vorerst – positiv überrascht. Leider ist es keine generelle und grundsätzliche Verweigerung von CETA, sondern nur eine zeitlich beschränkte. Belgien hat ja den EuGH angerufen, um klären zu lassen, ob die geplanten Schiedsgerichte bzw. der Konzerngerichtsmechanismus ICS mit EU-Recht vereinbar ist. Sollten die Richter des EuGH nichts gegen die Schiedsgerichte einzuwenden haben, dann will der Bundespräsident „den Staatsvertrag umgehend unterschreiben“. In dieser Formulierung ist aber nach Ansicht von Rechtsgelehrten ein Problem versteckt, welches totgeschwiegen wird; von der Regierung wie von der Opposition. Der Bundespräsident spricht von einem „Staatsvertrag“. Da es sich bei CETA um einen verfassungsändernden Vertrag handelt, dürfte der rein rechtlich gar nicht ratifiziert werden. Dass mit der Ratifizierung von CETA die österreichische Regierung Hoheitsrechte freiwillig an fremde Mächte abgibt (oder abgeben muss) und die Österreicher der Willkür von Konzernen (Stichwort: Daseinsvorsorge, Investorenschutz!) preisgibt, das nur so nebenbei. Wenn man sich die Reaktionen einiger Politiker zu Van der Bellens Blockade anschaut, kann man sich nur wundern. Ex-Kanzler Kern z. B. sagt: „.gibt es im Moment keinen Grund, diese Ratifizierung vorzunehmen und damit den Investorenschutz, wie er jetzt in CETA ist, in Stein zu meißeln.“ War es nicht Kern, der irgendwann mit stolzgeschwellter Brust dem überraschten Volk kundtat, er hätte in Nachverhandlungen dem Investorenschutz und den Schiedsgerichten die Giftzähne gezogen? Und Vizekanzler Strache, der mit der FPÖ in Sachen CETA den Weltmeistertitel im Salto rückwärts errungen hat, unterstützt die Entscheidung des Bundespräsidenten voll. Besonders deswegen, weil er weiß, dass Van der Bellen sofort unterschreiben wird, sobald der EuGH grünes Licht gibt. Das Abkommen in seiner jetzigen Form ist jedenfalls nicht im Interesse der österreichischen Bevölkerung, aber Herr Strache sagte ja auch, es sei im Interesse Österreichs. Auch der ÖVP-Wirtschaftsminister bleibt „gelassen“ und meint, es liege „selbstverständlich im Ermessen des Bundespräsidenten, eine entsprechende Entscheidung des EuGH abzuwarten, bevor er CETA unterschreibt“. Die Parteien sind sich also darüber einig, dass der Bundespräsident unterschreibt. Man kann doch nicht gegen die EU sein, auch wenn dem eigenen Land Schaden zugefügt wird.
Josef Höller, per E-Mail
Erschienen am Fr, 13.7.2018
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