Früher ist man nach dem „Jedermann“ auch aufgestanden und hat den Domplatz schweigend, manchmal betroffen und vor allem nachdenkend verlassen, ohne großes Bravo-Gebrüll und Standing Ovations. Ja, ich weiß schon, „früher“ soll man heutzutage nicht mehr sagen und schon gar nicht denken, aber ich tu es trotzdem. Ich pilgere seit Mitte der Sechziger – fast jedes Jahr, meistens am Stehplatz – auf den Domplatz zum „Jedermann“ und habe dort die größten und besten Schauspieler und Schauspielerinnen deutscher Zunge erlebt und vor allem auch gehört, denn Verstärker gab es damals noch nicht. Ab 2002 wurde dann plötzlich alles anders, als der Oberammergauer Stückl das Stück gehörig zerstückelt hat – und das blieb bis 2023 so, unter verschiedenen Regisseuren, bis die Festspiele die Reißleine gezogen haben. Heuer hat der Opernregisseur Robert Carsen einen total überladenen und langwierigen „Disco-Jedermann“ geschaffen, wobei aber trotzdem der Dom die Hauptrolle spielt, und das versöhnt mich mit dem Spiel vom „Leben und Sterben des reichen Mannes!“
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