Ayurvedamedizin

27.05.2024

Im indischen Heilsystem Ayurveda spielen Überlieferung, Tradition und praktische Erfahrungen eine zentrale Rolle. Ayurvedische Therapien und Heilmittel sind seit langem auch wissenschaftlich erforscht und werden von vielen Ärzten separat oder begleitend zur Schulmedizin eingesetzt.

Ziel ist es, all jene Störfaktoren zu beseitigen oder zumindest auszugleichen, die Krankheiten auslösen können Die Ayurveda Medizin ist weltweit verbreitet und als traditionelle indische Heilkunde anerkannt. Sie bedient sich verschiedener Methoden und Maßnahmen, um Krankheit zu heilen und Gesundheit zu erhalten. Die ganzheitliche Sicht auf den Menschen bildet dafür die Grundlage. 

„Eine reine Symptombehandlung existiert in der Ayurvedamedizin nicht. Es wird immer die zugrundeliegende Ursache einer Krankheit mittherapiert. Nur so kann ein nachhaltiger Behandlungserfolg für den Patienten erzielt werden“, ist Dr. Helene Atalla, Fachärztin für Innere Medizin in der Nähe von Linz, OÖ, überzeugt. „Ayurveda hat auch nichts mit Esoterik oder Wellness zu tun, auch wenn der Stirnguss mit warmen Ölen hierzulande vermutlich zu den bekanntesten Anwendungsmethoden zählt“, so die Ärztin für Allgemeinmedizin weiter. 

Ziel der Ayurvedamedizin ist es, all jene Störfaktoren zu beseitigen oder zumindest auszugleichen, die Krankheiten auslösen. Ayurveda sorgt mit seinen individualisierten Behandlungskonzepten, die in der Regel mehrere therapeutische Maßnahmen kombinieren, für eine Stabilisierung des inneren Gleichgewichts, baut Abwehrkräfte auf, leitet Selbstheilungsprozesse ein und unterstützt bzw. stärkt somit Körper, Geist und Seele. 

Zur ayurvedischen Diagnostik zählen zum Beispiel eine Pulsuntersuchung und die genaue Inspektion der Zunge. Mit den Techniken lassen sich unter anderem Störungen in den sogenannten Doshas erkennen. 

Die Doshas im Ayurveda
Die Doshas Vata, Pitta und Kapha sind für sämtliche Abläufe und Funktionen im Körper verantwortlich und die drei wichtigsten Prinzipien der ayurvedischen Lehre. Sie steuern alle physiologischen und pathologischen Prozesse und verleihen dem Menschen seine individuelle Konstitution. Geraten die Doshas durch einen ungesunden Lebensstil, eine falsche Ernährung, Stress und Überarbeitung aus dem Gleichgewicht, entsteht ein potenziell krankmachender Zustand. 

Die ayurvedischen Konstitutionstypen.
„Die ayurvedischen Konstitutionstypen entsprechen, übertragen auf die heutige wissenschaftliche Erkenntnis, der Genetik des Menschen“, erklärt Dr. Atalla. „Als Ayurveda begründet wurde, hatte man das Wissen über die Gene noch nicht. Man nannte die Diversitäten daher Doshas bzw. Konstitutionstypen, die durch verschiedene Faktoren wie den Lifestyle positiv oder negativ beeinflusst werden. Das erklärt auch die unterschiedliche Neigung der Menschen zu bestimmten Krankheiten.“ 

Es werden drei verschiedene Typen unterschieden. 

Der Vatatyp ist vom Körperbau her eher dünn und feingliedrig. Seine positiven Eigenschaften sind Spontanität, Kreativität und Vielseitigkeit. Doch er ist auch chaotisch, wankelmütig und vergesslich. Menschen, die dem Vatatyp zugeordnet werden, sind anfällig für Nervenkrankheiten, krampfartige Schmerzen, Verstopfung, Arthrose, Osteoporose und Rheuma. 

Pittatypen haben hingegen einen sehr athletischen Körper, sind ehrgeizig, ausdauernd und mutig. Sie können aber auch ein recht egoistisches, ungeduldiges und teilweise sogar aggressives Verhalten an den Tag legen. Krankheiten wie Entzündungen, brennende Schmerzen und Durchfall sind für den Pittatyp charakteristisch. 

Ein korpulenter, stämmiger Körperbau weist auf einen Kaphatyp hin. Er ist geduldig, loyal und leicht zufriedenzustellen. Ihm wird jedoch auch eine gewisse Trägheit, Bequemlichkeit und Inflexibilität zugeschrieben. Kathatypen haben einen verlangsamten Stoffwechsel und neigen zu Übergewicht, wodurch das Risiko für Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Herz-Kreislauferkrankungen bei diesem Konstitutionstyp besonders hoch ist. 

Stärken und Schwächen
Ayurveda ist vor allem bei chronischen Krankheiten wie Migräne, Spannungskopfschmerzen und Asthma sowie bei Verdauungsstörungen, wiederkehrenden Infekten und Wechseljahrbeschwerden sehr hilfreich. Zudem kann das ayurvedische Medizinsystem auch zur Behandlung von psychosomatischen Erkrankungen, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen und bei chronischer Erschöpfung (u.a. als Langzeitfolge einer COVID-19 Infektion) eingesetzt werden. 

Bei akuten und lebensbedrohlichen Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs hat das Heilverfahren jedoch seine Grenzen. „Ayurveda ist hier keine Alternative zur Schulmedizin. Das muss an dieser Stelle klar gesagt werden. Dennoch lässt sich Ayurveda in den meisten Fällen gut mit schulmedizinischen Therapien und Medikamenten kombinieren, wodurch letztendlich eine Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten geschaffen wird. Zusammengefasst kann man sagen, dass sowohl die Ayurveda- als auch die Schulmedizin ihre Stärken und Schwächen hat, welche sich aus meiner Sicht aber optimal ergänzen“, so die Meinung von Dr. Helene Atalla. 

Das ayurvedische Gesundheitskonzept
Das Wissen um die Belastungsfähigkeit des eigenen Körpers und die heilsamen Kräfte der Natur ist eine große Hilfe, wenn es darum geht, mit den täglichen Herausforderungen des Lebens fertigzuwerden. 

Ayurveda kann viel zur Gesunderhaltung des Körpers und dem allgemeinen Wohlbefinden beitragen. Ein wesentlicher Vorsorgepfeiler ist dabei die ayurvedische Ernährungslehre. Fehlernährungen fördern das Auftreten von Krankheiten, weshalb die Bedeutung von Lebensstil und Ernährung in der Ayurvedamedizin nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Das ayurvedische Gesundheitskonzept rückt die Verdauungsqualität und eigene Konstitution daher besonders in den Mittelpunkt. 

Die richtige ayurvedische Ernährungsweise setzt dabei jedoch eine achtsame Auseinandersetzung mit sich selbst und den persönlichen Bedürfnissen voraus. Erst wenn uns bewusst ist, was uns guttut und wie wir am besten verdauen, können wir die heilende Qualität von Lebensmitteln, Gewürzen und ayurvedischen Kräutern voll ausschöpfen und so die Balance zwischen Vata, Pitta und Kapha, von vielen traditionell auch als Lebensenergien bezeichnet, fördern bzw. wiederherstellen.

Ayurveda im Praxisalltag – Asthma bronchiale
Dr. Helene Atalla, Internistin, Allgemeinmedizinerin und medizinische Ayurvedaspezialistin, berichtet von einem männlichen Patienten Mitte vierzig, dem sein Asthma seit Jahren Beschwerden bereitet und der mit immer häufigeren Anfällen zu kämpfen hat. 

„Der Patient musste zusätzlich zu den kortisonhaltigen Sprays, die zur Dauertherapie angewendet wurden, auch Kortison in Tablettenform einnehmen. Als nächster Behandlungsschritt wäre eine Antikörpertherapie geplant gewesen – mit dem Ziel, in Zukunft die häufigen Kortisoneinnahmen abwenden zu können. Da solche Therapien jedoch mit vielfältigen Nebenwirkungen vergesellschaftet sein können, wollte der Patient noch andere Behandlungsalternativen ausprobieren und suchte mich deshalb im März 2022 das erste Mal auf. In der Konstitutionsbestimmung zeigte sich, dass der Mann ein Vatatyp war. In der Zungen- und Pulsdiagnostik ergaben sich Hinweise auf einen trägen Stoffwechsel – passend dazu litt er, seitdem er sich erinnern konnte, unter Verstopfung. 

Zum Therapiestart bekam der Patient von mir konkrete Ernährungs- und Lebensstilempfehlungen an die Hand. Darüber hinaus verordnete ich ihm eine hochdosierte Treppenkur mit Pippali (langer Pfeffer), welche im Ayurveda bei vielen chronischen Erkrankungen Anwendung findet. In weiterer Folge verschrieb ich ihm für sechs Monate eine Kombination aus Boswellia serrata (Weihrauch) und Bacopa monnieri (kleines Fettblatt). Und siehe da: Die Antikörpertherapie musste nicht begonnen werden, da der Mann seit der Anwendung von ayurvedischen Heilmitteln bis jetzt keine weiteren Asthmaanfälle mehr hatte und mit dem Asthmaspray und den weiter eingehaltenen Tipps zur Lebensstiländerung gut eingestellt war.“

Was ist typisch für die Ayurveda-Küche?

Viele Gewürze:Gewürze wie z.B. Kreuzkümmel, Kardamom, Kurkuma, Ingwer, Koriander, Fenchel und Zimt gelten im Ayurveda als Heilmittel. Sie unterstützen u.a. den Verdauungsvorgang und kommen entsprechend intensiv und häufig bei den unterschiedlichsten Gerichten zum Einsatz.

Großteil der Nahrung sollte gekocht und warm sein:Gekochte, warme Lebensmittel können vom Körper besser aufgenommen werden und regen zudem die Verdauung und den Stoffwechsel an. Warme Speisen wirken sich darüber hinaus positiv auf das Gemüt aus.

Regelmäßiges Essen:Ein wichtiger Bestandteil der ayurvedischen Küche ist es, die Mahlzeiten regelmäßig und in der richtigen Menge einzunehmen. Als Richtwert gilt: Zwischen den Mahlzeiten sollten ungefähr fünf Stunden liegen.

Frische, saisonale Lebensmittel aus der Region:Da Konservierungsstoffe und Zusätze einen nachweislich negativen Einfluss auf die Gesundheit haben, sollten nur frische Nahrungsmittel (vorzugsweise aus Bioläden) auf den Teller kommen.

Zwischenmahlzeiten vermeiden:Eine Grundregel im Ayurveda ist es, nur dann zu essen, wenn man auch wirklich Hunger hat. Auf unkontrollierte Snacks zwischendurch sollte generell verzichtet werden.

Dr. Helene Atalla, selbst Anhängerin der ayurvedischen Küche, hat für GESÜNDER LEBEN ein köstliches Frühstücksporridge-Rezept nach Ayurveda-Art kreiert: 
Einen Teelöffel Ghee (indisches Speisefett) in einen Topf geben. Eine Handvoll Haferflocken, eine Prise gemahlenen Kardamom, eine Prise Nelkenpulver und eine Prise Zimt anrösten, bis die Haferflocken goldgelb angebraten sind. Die Mischung anschließend mit Wasser oder Pflanzenmilch (z.B. Hafer- oder Mandelmilch) aufgießen – die Menge richtet sich dabei nach der gewünschten Konsistenz. Einige Rosinen und Apfelstücke dazugeben und zum Kochen bringen, bis der Apfel weich ist. Am Ende das Porridge mit einem Esslöffel Mandelmus vermischen und in Ruhe warm genießen!

Informationen zum Inhalt
Aktualität
27. Mai 2024
Aktualisiert
27. Mai 2024
Erstellungsdatum
Redaktion
KroneMED Redaktion
(Bild: KMM)