Nach intensiven Diskussionen hat das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) entschieden, die Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-VO) nicht über den 30. Juni 2025 hinaus zu verlängern. Diese Verordnung wurde 2022 eingeführt, um die finanzielle Stabilität zu gewährleisten und eine übermäßige Verschuldung von Haushalten zu verhindern. Doch die strengen Vorgaben hatten gravierende Auswirkungen auf den Immobilienmarkt. Nun sorgt die Entscheidung für gemischte Reaktionen: Während die Bau- und Immobilienwirtschaft die neue Freiheit begrüßt, warnen Experten vor möglichen Risiken.
Die KIM-Verordnung: Ein zweischneidiges Schwert
Die KIM-Verordnung legte klare Regeln für die Vergabe von Wohnkrediten fest. Kreditnehmer mussten mindestens 20 Prozent Eigenkapital aufbringen, die maximale Laufzeit betrug 35 Jahre, und die monatlichen Raten durften 40 Prozent des Nettoeinkommens nicht übersteigen. Ziel war es, eine zu lockere Kreditvergabe zu verhindern und somit langfristige finanzielle Risiken für Banken und Haushalte zu minimieren.
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
Allerdings führte die Verordnung zu einer spürbaren Abkühlung des Immobilienmarktes. Besonders junge Familien und Durchschnittsverdiener hatten Schwierigkeiten, sich Wohneigentum zu leisten, da die hohen Eigenkapitalanforderungen für viele unüberwindbar waren. Laut der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) gingen in den Jahren nach der Einführung die Immobilienverkäufe deutlich zurück. „Das Aus für die KIM-Verordnung ist eine erfreuliche Nachricht für alle, die Wohneigentum schaffen wollen“, so Hans-Werner Gollenz, Obmann des Fachverbands Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der WKÖ. Er sieht in der Lockerung eine Chance für mehr private Investitionen in den Wohnbau.
Die Auswirkungen auf den Immobilien- und Finanzmarkt
Mit dem Ende der KIM-VO könnten Banken wieder flexibler bei der Kreditvergabe agieren. Die Bauwirtschaft erwartet eine deutliche Belebung des Sektors, da mehr Menschen Zugang zu Finanzierungen erhalten. Laut einer aktuellen Studie von RE/MAX zeichnet sich bereits ein Aufwärtstrend am Immobilienmarkt ab. „Die gelockerten Bedingungen könnten zu einer erhöhten Nachfrage führen, was sich positiv auf Bauprojekte und den Immobilienhandel auswirkt“, so ein Sprecher. Besonders in ländlichen Regionen, wo der Markt in den vergangenen Jahren nahezu zum Erliegen gekommen war, erwartet man neue Impulse.
Doch nicht alle Experten teilen diesen Optimismus. Die Österreichische Nationalbank (OeNB) warnt davor, dass eine zu schnelle Lockerung zu neuen finanziellen Risiken führen könnte. Die Gefahr einer erneuten Überhitzung des Immobilienmarktes dürfe nicht unterschätzt werden.„Es ist entscheidend, dass Banken weiterhin verantwortungsvoll Kredite vergeben und Haushalte ihre finanzielle Tragfähigkeit realistisch einschätzen“, so ein OeNB-Vertreter. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) betont, dass eine nachhaltige Kreditvergabe auch ohne die KIM-VO sichergestellt werden müsse.
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

Chancen und Herausforderungen für die Zukunft
Das Ende der KIM-Verordnung wird den Immobilienmarkt in eine neue Phase führen. Viele sehen darin eine Chance, insbesondere für jene, die sich in den letzten Jahren kein Eigenheim leisten konnten. Die Bauwirtschaft erwartet steigende Investitionen und eine wachsende Zahl an Neubauten, was auch für den Arbeitsmarkt positive Effekte haben könnte. Der Wohnungsneubau, der in den letzten Jahren teilweise stagnierte, könnte durch erleichterte Finanzierungsbedingungen neuen Schwung erhalten.
Gleichzeitig bleibt die Frage, wie sich der Markt langfristig entwickeln wird. Eine erhöhte Nachfrage könnte die Immobilienpreise ansteigen lassen, was wiederum neue Herausforderungen für Käufer mit sich bringt. Auch die Banken werden sich darauf einstellen müssen, einen Mittelweg zwischen einer flexiblen Kreditvergabe und einem verantwortungsbewussten Risikomanagement zu finden. Ein weiterer Punkt ist die Verfügbarkeit von Bauflächen. Während in Ballungszentren steigende Preise und knapper Wohnraum ein Problem bleiben, könnten ländliche Regionen von einer erhöhten Bautätigkeit profitieren.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Abschaffung der KIM-Verordnung die erhoffte Belebung des Immobilienmarktes bringt oder ob sie neue Risiken mit sich zieht. Klar ist jedoch: Der österreichische Wohnimmobilienmarkt steht vor einer richtungsweisenden Veränderung, die in den kommenden Jahren maßgeblich darüber entscheiden wird, wie sich der Sektor entwickelt.
Die Auswirkungen auf Wirtschaft, Banken und private Haushalte werden erst mit der Zeit deutlich werden. In jedem Fall bedeutet das Ende der KIM-VO eine markante Zäsur in der Wohnbaupolitik und könnte neue Maßstäbe für die künftige Finanzmarktregulierung setzen. Ein weiterer Aspekt, der nicht außer Acht gelassen werden darf, ist die Rolle der Zinspolitik. In den vergangenen Jahren waren steigende Zinsen eine zusätzliche Hürde für Kreditnehmer. Viele Haushalte konnten sich trotz gesicherter Einkommensverhältnisse keine Finanzierungen leisten. Mit dem Wegfall der KIM-VO bleibt nun abzuwarten, wie sich die Zinslandschaft entwickelt und ob Banken tatsächlich risikobereitere Finanzierungen ermöglichen.           von Philipp Stewart
Tipp
Wer jetzt über den Kauf einer Immobilie nachdenkt, sollte nicht nur auf die Kreditzinsen achten, sondern auch auf Nebenkosten.
Was genau ist die KIM-Verordnung?
Die KIM-Verordnung wurde 2022 eingeführt, um die Kreditvergabe für Wohnimmobilien in Österreich zu regulieren und die Finanzmarktstabilität zu sichern. KIM steht für Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung. Sie verpflichtete Kreditnehmer dazu, mindestens 20 Prozent Eigenkapital einzubringen, begrenzte die Laufzeit von Krediten auf 35 Jahre und setzte eine Obergrenze für die monatliche Rückzahlung. Im Dezember 2024 beschloss das Finanzmarktstabilitätsgremium, die KIM-Verordnung nicht über den 30. Juni 2025 hinaus zu verlängern.