Frau Streibel, Sie sind Top-Unternehmerin, ausgebildete Führungskraft, Funktionärin in der Wirtschaftskammer und EPU-Sprecherin für rund 68.000 UnternehmerInnen in Niederösterreich. Wie meistern Sie diese Aufgaben?
Zwei Dinge sind aus meiner Sicht dabei besonders wichtig. Erstens: Man muss das, was man tut, mit Freude machen. Und diese Freude habe ich bei jeder meiner Aufgaben. Und zweitens: Ein gutes Zeitmanagement. Planung ist unverzichtbar – dies gilt für sämtliche Situationen.
Immer wieder kämpfen Frauen mit Vorurteilen und haben trotz kompetenter Ausbildung oft Zweifel, größeren beruflichen Herausforderungen gewachsen zu sein. Was raten Sie Frauen, die am Beginn ihrer Selbstständigkeit bzw. ihrer Karriere stehen?
Mein klarer Rat heißt: Trauen Sie es sich zu! Seien Sie selbstbewusst! Sie verfügen über enorme Talente und hervorragendes Wissen. Es gibt nichts, das Frauen nicht ebenso gut können wie Männer – vielleicht mit in manchen Dingen anderen Zugängen. Und es ist wichtig, dass wir auf allen Ebenen auch genau diese weiblichen Zugänge miteinbeziehen, damit wir Themen wirklich umfassend betrachten und gute Lösungen erzielen.
Ein-Personen-Unternehmen haben eine große Bedeutung in Niederösterreich, wie hoch ist der derzeitige Frauenanteil?
EPU, also Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihren Betrieb ohne Beschäftigte führen, sind ein ganz wesentlicher Player in Niederösterreichs Wirtschaft. Sechs von zehn Unternehmen in Niederösterreich sind EPU. Der Frauenanteil liegt bei 57%, und EPU sind praktisch in allen Branchen aktiv.
Die Corona-Krise hat die Mehrfachbelastung durch Kinderbetreuung, Haushalt, Pflege und den Beruf vieler Frauen weiter verschärft. Auch EPU waren und sind davon betroffen. Wie können hier Frauen besser unterstützt werden?
Wir als Interessenvertretung sind vehement dahinter, dass ein Ausbau der Kleinstkinderbetreuung für Kinder unter 3 Jahren forciert wird, leistbar und mit an der Wirtschaft orientierten Öffnungszeiten. Auch auf Sozialpartnerebene ist die Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag ein wichtiges Ziel. Familienarbeit ist nicht ‘allein’ Frauenarbeit, sondern partnerschaftlich aufgeteilt. Mein Respekt gilt auch allen Alleinerziehenden.
Welche Chancen bieten sich Frauen durch die fortschreitende Digitalisierung?
Die Digitalisierung ist eine enorme Chance für alle. Der Arbeitsort wird weniger entscheidend, man ist auch in entlegeneren Regionen mitten in der Welt. Digitale Plattformen schaffen für Unternehmen neue Chancen, dass sie von Kunden gefunden werden können. Entsprechend steht digitales Know-how hoch im Kurs.
Das Rollenbild der Frau in der Gesellschaft hat sich zwar maßgeblich gewandelt, dennoch gibt es enormes Verbesserungspotenzial. Wo würden Sie persönlich ansetzen?
Ich komme wieder zum Selbstbewusstsein und zum ‘Sich-etwas-Zutrauen‘ zurück. Frauen wissen selbst sehr genau, was sie wollen, wie viel sie können und welche Wege sie gehen wollen. Und das ist gut so. Augenhöhe ist das Schlüsselwort, in der Familie wie im Beruf. Ich nehme da gerne unsere Wirtschaft als Beispiel: Vor 30, 40 Jahren waren Unternehmerinnen noch in der Minderheit. Heute sind rund die Hälfte der Wirtschaftstreibenden weiblich. Unternehmerinnen sind in praktisch allen Branchen aktiv – mit Selbstbewusstsein, Wissen und Erfolg. Und ich wünsche mir noch mehr Menschen mit Unternehmergeist.
Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Maß- nahmen einer gesunden Work-Life-Balance für Frauen? Was tun Sie persönlich, um neue Kraft zu tanken?
Einfach präventiv gesund leben! Ich liebe die Kultur. Ich muss mich manchmal so richtig sportlich auspowern. Und ich genieße es, hinaus in die Natur, vor allem in die Berge zu gehen. Das sind meine besten Kraftquellen.
ZUR PERSON
Die gelernte Touristikkauffrau und Erwachsenentrainerin führt als EPU ein Unternehmens- und Imageberatungsunternehmen in Gänserndorf. In der Wirtschaftskammer NÖ ist sie seit 2015 in verschiedenen Funktionen aktiv, etwa als Obfrau der persönlichen Dienstleister (seit 2018). 2020 hat Streibel die neu eingeführte Funktion als EPU-Sprecherin übernommen, in der sie sich für die Anliegen der Ein-Personen-Unternehmen einsetzt. Ihr Motto lautet: „Begeistert Menschen begegnen“.