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07.11.2021

Frau­en­journal

Gewalt­schutz hat oberste Prio­rität

Gewalt hat viele Gesichter und ist nicht immer gleich erkennbar. Ob häusliche, körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt – all diese Formen hinterlassen bei Frauen tiefe Narben, Ängste und zum Teil lebenslange Spuren – wie Michaela Egger, die Leiterin vom Gewaltschutzzentrum NÖ, im Interview erzählt.

Foto: fizkes, CareyHope

Die Inten­si­tät an Gewalt hat zuge­nommen und betrifft, wie uns Michaela Egger berichtet, alle sozialen Schichten und Alters­gruppen bei Frauen. Betrof­fene leiden oft im Stillen und hinter verschlos­senen Türen, meist beginne es schlei­chend mit subtilen Belei­di­gungen, Herab­wü­rd­igu­ngen und verbalen Drohungen, die dann eska­lieren. Auch die Gewalt in den Sozialen Medien nimmt vermehrt zu – so wird Frauen vom Partner oder Ex etwa mit der Verö­ffen­tl­ichung frei­zu­̈g­iger Bilder oder dem ‘Schlecht-Machen‘ vor dem Chef gedroht.

Im Gewalt­schutz­zen­trum NÖ ist ein Anstieg von schutz­be­dür­ft­igen Frauen zu verzeichnen. Zum Vergleich: Vom 1. Jänner bis 24. Oktober 2020 wurden insge­samt 2.835 Personen aufge­nommen (2.288 weib­lich und 547 män­nlich, davon 1.862 Betre­tungs- und Anna­̈h­erung­sve­rbote) und heuer wurden vom 1. Jänner bis 24. Oktober 2021 insge­samt 2.856 Personen aufge­nommen (2.381 weib­lich und 575 män­nlich, davon 1.919 Betre­tungs- und Anna­̈h­erung­sve­rbote).

Frau Egger, mit welchen Gewalt­formen werden Frauen konfron­tiert?

Häu­sl­iche Gewalt wird in den Medien fast immer nur als körpe­rl­iche Gewalt abge­bildet. Diese ist nur eine Form von häu­sl­icher Gewalt. Psychi­sche Gewalt, wie verbale Gewalt, ökon­om­ische Gewalt wie Ernied­ri­gungen oder etwa Beschimp­fungen sind ebenso folgen­schwer wie körpe­rl­iche Gewalt und meist auch der Vorbote von körpe­rl­icher Gewalt. Häu­sl­iche Gewalt führt zu lähme­nder Verzweif­lung, Verein­sa­mung bis hin zu Depres­sionen, chro­ni­schen Gesund­heits­pro­blemen und Arbeits­un­fa­̈hi­gkeit. Leben Kinder im Haus­halt, erleben diese die häu­sl­iche Gewalt, egal in welcher Form, mit.

Inwie­weit hat die Corona-Krise seit dem Vorjahr die Situa­tion verschärft?

Betrof­fene sind zusät­zlich durch die äuß­eren Bedin­gungen isolierter und es war und ist schwierig, wenn man sonst schon stä­ndig kontrol­liert wird, sich Hilfe zu holen. Vor allem Menschen, die ohnehin schon in ihrer Mobi­li­tät einge­schränkt sind – wie alte oder bett­la­̈g­erige Personen – um nur zwei Gruppen zu nennen, sind davon betroffen. Hier wird sich wohl noch in Zukunft ein Bild über das Ausmaß der Pandemie zeigen. Das betrifft auch Kinder, die durch die Einschrä­nku­ngen der Pandemie nicht so sichtbar wurden oder waren.

Gewaltschutz hat oberste Priorität-2

Auch Cyber-Gewalt ist im Ansteigen: Bei betrof­fenen Mädchen und Frauen führt das zu starken psychi­schen Belas­tungen. Fotos: fizkes, CareyHope

Wie sensi­bi­li­siert man Betrof­fene, das nahe Umfeld und die Bevö­lk­erung für dieses Thema, um Hilfe zu bean­spru­chen?

Es ist nach wie vor wichtig, darüber zu reden und Betrof­fene anzu­spre­chen und ihnen Unter­stü­tzung anzu­bieten. Es gibt einige Projekte, die auch die Zivil­ge­sell­schaft auffor­dern sollen, nicht wegzu­sehen, sondern zu handeln, so etwa das Projekt STOPP im Bezirk Amstetten.

Wo sehen Sie nach wie vor die grö­ßten Heraus­for­de­rungen in der Gewalt­schutz­ar­beit?

Dass Betrof­fene von häu­sl­icher Gewalt immer noch für die erlit­tene Gewalt verant­wort­lich gemacht werden. Auch medial – „Bezie­hungs­drama“ hat in der Bericht­erstat­tung über Morde an Frauen nichts verloren. Hier müssen wir sehr wachsam betref­fend „Victim blaming“ sein. Derje­nige, der die Gewalt ausübt, ist für dieses Verhalten verant­wort­lich, nicht die betrof­fene Person, die diese Gewalt erfahren muss. Wir müssen uns als Gesell­schaft auch übe­rl­egen, wie Rollen­bilder aussehen und wie diese nach wie vor besetzt sind und wie wir diese Zuschrei­bungen aufbre­chen können.

BERA­TUNG UND HILFE FÜR OPFER

Im Jahr 1999 wurde das Gewalt­schutz­zen­trum NÖ als aner­kannte Opfer­schutz­ein­rich­tung ins Leben gerufen, das nun mit vier Stand­orten in St. Pölten (Grenz­gasse 11, Tel.: 02742/319 66), (Amstetten, Haupt­platz 21, Tel.: 02742/31 966), Wiener Neustadt (Herren­gasse 2a. Tel.: 02622/24 300) und in Zwettl (Land­straße 42/1, Tel.: 02822/53 003) vertreten ist. Unter­stützt werden hier Frauen, Männer und Jugend­liche, die Opfer von Gewalt wurden. Die Bera­tung ist kostenlos und vertrau­lich. Ebenso sind Übe­rse­tzung­shi­lfen in der jewei­ligen Mutter­sprache möglich.Nähere Infos: www.​gew​alts​chut​zzen​trum-​noe.​at

FOKUS AUF ZUSAM­MEN­AR­BEIT

Neben Maßnahmen zum Schutz von Gewalt­op­fern, steht auch das Inein­an­der­greifen von Inter­ven­tionen mit der Polizei und der Bevö­lk­erung sowie Menschen aus dem nahen Umfeld des Opfers im Fokus, um betrof­fenen Frauen schneller helfen zu können. Hier setzt Leiterin Michaela Egger auch auf die vermehrte Zusam­men­ar­beit mit dem Gesund­heits­wesen und dem nieder­ge­las­senen Bereich: „Die Forcie­rung der Sensi­bi­li­sie­rungs­ar­beit auf allen Ebenen ist hier bedeu­tend, auch die Täte­ra­rbeit ist ein wich­tiger Teil der Opfer­ar­beit. Gefäh­rdern muss verdeut­licht werden, dass dieses Verhalten in Form von Gewalt nicht zu akzep­tieren ist“.

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