Osteopathie, Homöopathie, traditionelle chinesische Medizin, autogenes Training - Begriffe, die oft mit der sogenannten Alternativmedizin in Verbindung gebracht werden. Doch zurecht? Was versteht man eigentlich unter diesem doch recht häufig verwendeten Begriff? Der praktische Arzt Clemens Kauderer erklärt: „Die Vorstellung davon reicht etwas überspitzt formuliert von, der einzig wahren Form der Medizin' bis zu völlig abstrusen Ideen Einzelner, deren finanzieller Benefit daran meist an erster Stelle steht.“ Dabei sind laut ihm mit dem Begriff „Alternativmedizin“ per Definition einfach Alternativen zur Schulmedizin gemeint. Allerdings fehlen dazu oft - im Gegensatz zur Schulmedizin - Studien, welche deren Wirkung untermauern, aber auch Risiken und Nebenwirkungen diesen gegenüberstellen.
„Warum denn nicht einfach beides?“

Für Dr. Kauderer ist interessant zu sehen, was von Patienten tatsächlich als „alternativ“ wahrgenommen wird. So würde kaum jemand eine Physiotherapie nach einer orthopädischen Operation wie einem künstlichen Hüftgelenk als Alternativmedizin bewerten, sehr wohl aber die zusätzlich anwendbare Akupunktur, zu deren Wirkung ebenso zahlreiche evidenzbasierte Studien vorliegen und bei korrekter Indikation ein signifikant positiver Effekt nachgewiesen ist. Laut dem Mediziner muss sich daraus aber keine Diskrepanz ergeben, da der Synergie von verschiedenen Behandlungen meist nicht die entsprechende Beachtung geschenkt wird. Ein „sowohl als auch“ ist meist deutlich zielführender als ein „entweder oder“, frei nach dem Motto: „Warum macht man nicht einfach beides?“ Er bevorzugt daher den Begriff „Komplementärmedizin“ gegenüber „Alternativmedizin“. Dieser sei weniger emotional negativ behaftet und rücke die ganzheitliche Sicht von Therapiemöglichkeiten in den Vordergrund. Die Praxis zeigt: Jeder Patient ist unterschiedlich und kann eine Therapieform unterschiedlich gut für sich annehmen bzw. sich damit identifizieren.
Für folgenden Schluss kann der Allgemeinmediziner zwar keine Studie heranziehen, aber im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit hat er beobachtet, dass Therapien, die ein Patient für sich gut annehmen kann, auch bei diesem besser wirken als objektiv ähnlich gut geeignete Therapien, welche diesem nicht so sehr zusagen. Daraus hat sich für ihn folgender Leitsatz entwickelt: „Eine individuelle Therapie für den individuellen Patienten.“


Eine weitere Beobachtung: „Man weiß, dass fast 50 Prozent aller Rückenschmerzen einen psychischen, meist stressbedingten Grund haben. Dennoch muss jeder Patient mit entsprechenden Symptomen auf einen Bandscheibenvorfall oder andere physische Ursachen abgeklärt werden, da sich dadurch die Therapie ergibt bzw. gewisse Therapien nicht gemacht werden sollten.“ Seine Empfehlung: „Stets eine schulmedizinische Abklärung durchführen um, wenn möglich, zu einer eindeutigen Diagnose zu kommen, egal welche Therapieform dann gewählt wird. Ohne diese Vorgehensweise müsse man sich, zumindest als Schulmediziner, den Vorwurf mangelnder Professionalität gefallen lassen.“
von Monika König-Krisper