Sie ist trotz der Umstände ein Wirbelwind und strahlt viel positive Energie aus. „Die lebensbejahende Grundeinstellung muss man auch behalten, ohne geht's nicht,“ lacht Friederike de Maeyer, „aber glauben Sie mir, es gibt auch Tage, die sehr schwierig sind, weil sie dich sehr stark mit der Realität konfrontieren.“ Ihr Mann, Diplomingenieur Christian Genschel wurde mit 56 Jahren mit der Diagnose Demenz konfrontiert, nachdem es erste Anzeichen der Vergesslichkeit gegeben hat, die über das normale Maß hinausgingen. „Das war ein riesengroßer Schock, man kann das kaum wiedergeben, was in uns beiden vorgegangen ist. Mein Mann hat anfangs nur geweint, da wir mit Vielem gerechnet haben, nur damit nicht,“ erzählt sie über die anfängliche Zeit. „Christian stand mitten in einem erfolgreichen Berufsleben, war viel im Ausland unterwegs, sprach 5 Fremdsprachen, war ständig in seiner Freizeit mit seinem Rennrad unterwegs, die Diagnose kam für uns wie aus dem Nichts.“
Nach der ersten Fassungslosigkeit, mit welchen organisatorischen Dingen ist man anfangs konfrontiert? Friederike de Maeyer: „Mit sehr vielen! Das ist der große Unterschied zu Demenzerkrankungen im Alter, denn man muss sich als Angehörige eines Jungbetroffenen mit Fragen beschäftigen wie: Wo muss man eigentlich was genau melden, ist man mit der Diagnose ab sofort arbeitsunfähig, braucht es eine Krankmeldung bzw. wie geht es bei zunehmendem Betreuungsbedarf mit der beruflichen Tätigkeit des gesunden Partners weiter? Nicht zuletzt ist es auch eine finanzielle Frage, denn im Gegensatz zu Demenz im Alter, wo der betroffene Partner weiterhin seine Pension erhält, fällt auch das bisherige Gehalt des Demenzerkrankten aus, die Pension ist natürlich durch die verringerten Beitragsjahre wesentlich geringer. Ich habe durch die geschulten Mitarbeiter der Arbeiterkammer und des Vereins Salz - Steirische Alzheimerhilfe viel erfahren, sie sind uns im breitgefächerten Informationsdschungel, mit dem man plötzlich konfrontiert ist, sehr kompetent zur Seite gestanden, um die richtigen Schritte zu setzen. Mittlerweile gibt es Gott sei Dank weitere Unterstützungsangebote.“
Wie hat sie selbst die Betreuung organisiert? „Für mich war es wichtig, weiter beruflich tätig zu sein. Über Umwege sind wir auf Moath gestoßen, ein Student aus Jemen, der sich schon davor mit der sportlichen Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigung weitergebildet hat. Für uns ist er bis heute ein Glücksfall, da auch für meinen Mann seine empathische Persönlichkeit wichtiger ist als perfekte Deutschkenntnisse. Somit kann ich eingeschränkt nach wie vor meiner Arbeit nachgehen.“
Wie sieht es mit der Selbstfürsorge aus als Angehöriger? Für Friederike de Maeyer ein ganz wesentlicher Punkt: „Hier plädiere ich an alle Angehörigen, sich unbedingt psychotherapeutische Hilfe zu holen, auch in physischer Hinsicht. Man fällt ansonsten in ein tiefes Loch und ist am Rande der Erschöpfung, denn gleichzeitig soll man alle Fäden für das weitere Leben ziehen, das ist nicht vereinbar. Deshalb unbedingt die Möglichkeit nutzen, in Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit zu gehen, denn man ist zeitlich insbesondere anfangs außerordentlich gefordert, beispielsweise Pflegegeld oder Pension zu beantragen oder passende mobile Pflege- und Betreuungsdienste auszuloten.“ Und weiter: „Falls möglich, sollte auch der mitten im Leben stehende Betroffene auf jeden Fall psychotherapeutische Hilfe suchen, um mit der Situation den Umständen entsprechend leben zu lernen.“ Nachsatz: „Wichtig ist es, ganz offen mit den Tatsachen umzugehen, den Leuten die Wahrheit zu sagen und Zusammenkünfte zu fördern. Das ist für die Normalität des Alltags sehr bedeutend.“
Was wäre noch wichtig, festzuhalten? „Mein Mann wünscht sich trotz der wirklich tollen Angebote an steirischen Pflegeheimen, dass er in weiterer Folge mit mobilen Diensten oder auch zeitlich begrenzten Aufenthalten in Tageszentren leben kann, die auch für Jüngere ansprechend sind. Wünschenswert wären je nach Stadium der Krankheit Spaziergänge, Museums oder Kaffeehaushausbesuche.“
von Sonja Gassmann