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10.11.2024

Vital Leben Stei­er­mark

Und plötz­lich ist alles anders...

Mitten im Leben: Die Diagnose Demenz hat ihr Leben vor knapp 6 Jahren von Grund auf verän­dert. Foto: Gassmann

Die Krankheit Demenz verbinden die meisten von uns als eine, die Senioren im hohen Alter betrifft. Dass es auch Jungbetroffene gibt, ist vielen gar nicht bewusst. Wir haben ein Paar besucht, das seit rund 6 Jahren mit der Diagnose den Alltag bewältigt.

Sie ist trotz der Umstände ein Wirbel­wind und strahlt viel posi­tive Energie aus. „Die lebens­be­ja­hende Grund­ein­stel­lung muss man auch behalten, ohne geht's nicht,“ lacht Frie­de­rike de Maeyer, „aber glauben Sie mir, es gibt auch Tage, die sehr schwierig sind, weil sie dich sehr stark mit der Realität konfron­tieren.“ Ihr Mann, Diplom­in­ge­nieur Chris­tian Genschel wurde mit 56 Jahren mit der Diagnose Demenz konfron­tiert, nachdem es erste Anzei­chen der Vergess­lich­keit gegeben hat, die über das normale Maß hinaus­gingen. „Das war ein riesen­großer Schock, man kann das kaum wieder­geben, was in uns beiden vorge­gangen ist. Mein Mann hat anfangs nur geweint, da wir mit Vielem gerechnet haben, nur damit nicht,“ erzählt sie über die anfäng­liche Zeit. „Chris­tian stand mitten in einem erfolg­rei­chen Berufs­leben, war viel im Ausland unter­wegs, sprach 5 Fremd­spra­chen, war ständig in seiner Frei­zeit mit seinem Rennrad unter­wegs, die Diagnose kam für uns wie aus dem Nichts.“

Nach der ersten Fassungs­lo­sig­keit, mit welchen orga­ni­sa­to­ri­schen Dingen ist man anfangs konfron­tiert? Frie­de­rike de Maeyer: „Mit sehr vielen! Das ist der große Unter­schied zu Demenz­er­kran­kungen im Alter, denn man muss sich als Ange­hö­rige eines Jung­be­trof­fenen mit Fragen beschäf­tigen wie: Wo muss man eigent­lich was genau melden, ist man mit der Diagnose ab sofort arbeits­un­fähig, braucht es eine Krank­mel­dung bzw. wie geht es bei zuneh­mendem Betreu­ungs­be­darf mit der beruf­li­chen Tätig­keit des gesunden Part­ners weiter? Nicht zuletzt ist es auch eine finan­zi­elle Frage, denn im Gegen­satz zu Demenz im Alter, wo der betrof­fene Partner weiterhin seine Pension erhält, fällt auch das bishe­rige Gehalt des Demenzer­krankten aus, die Pension ist natür­lich durch die verrin­gerten Beitrags­jahre wesent­lich geringer. Ich habe durch die geschulten Mitar­beiter der Arbei­ter­kammer und des Vereins Salz - Stei­ri­sche Alzhei­mer­hilfe viel erfahren, sie sind uns im breit­ge­fä­cherten Infor­ma­ti­ons­dschungel, mit dem man plötz­lich konfron­tiert ist, sehr kompe­tent zur Seite gestanden, um die rich­tigen Schritte zu setzen. Mitt­ler­weile gibt es Gott sei Dank weitere Unter­stüt­zungs­an­ge­bote.“

Wie hat sie selbst die Betreuung orga­ni­siert? „Für mich war es wichtig, weiter beruf­lich tätig zu sein. Über Umwege sind wir auf Moath gestoßen, ein Student aus Jemen, der sich schon davor mit der sport­li­chen Betreuung von Menschen mit Beein­träch­ti­gung weiter­ge­bildet hat. Für uns ist er bis heute ein Glücks­fall, da auch für meinen Mann seine empa­thi­sche Persön­lich­keit wich­tiger ist als perfekte Deutsch­kennt­nisse. Somit kann ich einge­schränkt nach wie vor meiner Arbeit nach­gehen.“

Wie sieht es mit der Selbst­für­sorge aus als Ange­hö­riger? Für Frie­de­rike de Maeyer ein ganz wesent­li­cher Punkt: „Hier plädiere ich an alle Ange­hö­rigen, sich unbe­dingt psycho­the­ra­peu­ti­sche Hilfe zu holen, auch in physi­scher Hinsicht. Man fällt ansonsten in ein tiefes Loch und ist am Rande der Erschöp­fung, denn gleich­zeitig soll man alle Fäden für das weitere Leben ziehen, das ist nicht vereinbar. Deshalb unbe­dingt die Möglich­keit nutzen, in Pfle­ge­ka­renz bzw. Pfle­ge­teil­zeit zu gehen, denn man ist zeit­lich insbe­son­dere anfangs außer­or­dent­lich gefor­dert, beispiels­weise Pfle­ge­geld oder Pension zu bean­tragen oder passende mobile Pflege- und Betreu­ungs­dienste auszu­loten.“ Und weiter: „Falls möglich, sollte auch der mitten im Leben stehende Betrof­fene auf jeden Fall psycho­the­ra­peu­ti­sche Hilfe suchen, um mit der Situa­tion den Umständen entspre­chend leben zu lernen.“ Nach­satz: „Wichtig ist es, ganz offen mit den Tatsa­chen umzu­gehen, den Leuten die Wahr­heit zu sagen und Zusam­men­künfte zu fördern. Das ist für die Norma­lität des Alltags sehr bedeu­tend.“

Was wäre noch wichtig, fest­zu­halten? „Mein Mann wünscht sich trotz der wirk­lich tollen Ange­bote an stei­ri­schen Pfle­ge­heimen, dass er in weiterer Folge mit mobilen Diensten oder auch zeit­lich begrenzten Aufent­halten in Tages­zen­tren leben kann, die auch für Jüngere anspre­chend sind. Wünschens­wert wären je nach Stadium der Krank­heit Spazier­gänge, Museums oder Kaffee­haus­haus­be­suche.“

von Sonja Gassmann