Nach aktuellen Schätzungen waren in Nickelsdorf Montagmittag mehr als 7000 Flüchtlinge untergebracht - Tendenz stark steigend. Zum Abtransport der wartenden Menschen stand am Vormittag in Nickelsdorf vorerst lediglich ein Sonderzug zur Verfügung - dieser sei mit rund 500 Menschen an Bord in Richtung Wien abgefahren. "Wir bringen die Leute von hier leider nicht im gewohnten Tempo weg. Es stockt sozusagen", so Polizeisprecher Gerald Prangl. Ein einzelner Bus mit Flüchtlingen sei ebenfalls abgefahren: "Da werden jetzt die kleineren Quartiere befüllt, die gestern noch angeboten wurden", etwa in Pfarrhöfen in der Steiermark. Weitere Bustransporte gebe es derzeit nicht.
Zusätzlich 20.000 Menschen aus Lagern erwartet
Am Nachmittag erwartete das Rote Kreuz zusätzlich rund 20.000 Menschen aus der Flüchtlingsunterkunft Röszke, die von den Ungarn geöffnet wurde. "Die Menschen werden sich wahrscheinlich auf Nickelsdorf und Heiligenkreuz aufteilen", sagte der Sprecher des Roten Kreuzes, Tobias Mindler. Falls tatsächlich eine derart hohe Zahl an Menschen zu den Grenzstationen kommt, sei die Logistik allerdings erschöpft. "Mit Nahrungsmitteln können wir die Menschen versorgen, das wäre kein Problem, aber es gibt einfach nicht genügend Schlafstätten", erklärte Mindler. In Nickelsdorf könnten etwa rund 10.000 Personen nächtigen, Heiligenkreuz würde mit größeren Mengen an Personen überhaupt nicht fertig werden.
Stimmung in Nickelsdorf noch diszipliniert
"Es laufen ständig Gespräche und man versucht, in allen möglichen Richtungen Unterkünfte freizubekommen oder eben Plätze, wo man die Leute wenigstens einmal fürs Erste unterbringen kann", sagte Mindler. Die Menschen seien trotz stundenlanger Wartezeiten immer noch sehr diszipliniert, "beinahe fröhlich". Die große Sorge sei allerdings, dass die Stimmung kippen könnte. So sei nicht klar, ob sich unter den Migranten bereits herumgesprochen habe, dass eine geordnete Weiterreise nach Deutschland nicht länger möglich ist.
Dann könnte sich eine "depressive Stimmung ausbreiten", die dazu führe, dass sich die Migranten selbstständig machen und trotz geschlossener Grenzen zu Fuß weitergehen wollen. Denn Fakt sei auch weiterhin, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge gar nicht in den bereitgestellten Unterkünften bleiben wolle. "Die Koordinierung wird auch immer schwieriger", sagte der Sprecher.
A4 bei Nickelsdorf erneut gesperrt
Aufgrund des Ansturms - Dutzende Flüchtlinge befanden sich einmal mehr auf der Fahrbahn oder überquerten sie - wurde die A4 bei Nickelsdorf am Montagnachmittag erneut gesperrt. Bereits am Vormittag hatte es eine Sperre gegeben, die gegen 10 Uhr aber wieder aufgehoben werden konnte. Die Asfinag ersuchte Autofahrer in der Nähe des Grenzbereiches weiterhin dringend um erhöhte Vorsicht vor Personen auf der Fahrbahn.
Situation in Heiligenkreuz angespannt
Neben Nickelsdorf ist nun auch Heiligenkreuz eine neue Anlaufstelle für Flüchtlinge. Während am Sonntag dort insgesamt rund 1000 Flüchtlinge ankamen, waren es am Montag bereits mehr als 4500 Menschen. Am Vormittag musste die Polizei Tretgitter aufstellen, da es kein Weiterkommen für die Flüchtlinge gab. Die Ressourcen waren erschöpft, doch die Menschen ließen sich davon nicht aufhalten: "Die gehen teilweise links und rechts vorbei. Die Situation eskaliert schon teilweise", hieß es.
Mittlerweile hat sich die Lage etwas entspannt: Rund 1000 Flüchtlinge waren am frühen Nachmittag vor Ort, die vor allem auf ihre Weiterreise warteten. Immer wieder - wenn auch eher selten - würden Busse vorfahren, um Flüchtlinge aufzunehmen. "Die Menschen warten extrem geordnet in Reih' und Glied", sagte ein Behördensprecher.
Niessl: "Ungarn will Flüchtlingsstellen auf Null stellen"
1000 Flüchtlinge seien bereits in den Nachtstunden von Heiligenkreuz weggebracht worden, so der Sprecher. Die Menschen wurden mit Bussen nach Oberwart in die Informhalle, nach Strem, ins steirische Fürstenfeld und in die Turnhalle nach Moschendorf im Südburgenland transportiert. Von Nickelsdorf habe man noch in der Nacht 4000 Leute weggebracht. "Es ist ein Sonderzug Richtung Wien-West gefahren, den Rest hat man mit Bussen weggebracht", so Polizeisprecher Gerald Pangl.
"Wir haben den Eindruck, dass die Ungarn sich bemühen, ihre Flüchtlingsstellen möglichst auf Null zu stellen", sagte Landeshauptmann Hans Niessl bei einer Pressekonferenz am Montagvormittag. Der nunmehrige Assistenzeinsatz des Bundesheeres sei mehr als überfällig. Er kritisierte, dass so lange damit zugewartet wurde - er habe schon vor einem Dreivierteljahr einen solchen Einsatz für temporäre und stichprobenartige Grenzkontrollen gefordert.
Lage in der Steiermark bislang "eher ruhig"
Während sich im Burgenland die Situation rund um die ankommenden Flüchtlinge zuspitzt, sei die Lage in der Steiermark bisher "eher ruhig", hieß es Montagfrüh seitens der Polizei. Seit Sonntag seien rund 320 Schutz suchende Menschen nach einem Zwischenstopp in Graz weiter nach Salzburg gereist, nur drei hätten einen Asylantrag gestellt. Derzeit halten sich praktisch keine "durchreisenden" Menschen in der steirischen Landeshauptstadt auf. Allerdings werden eine Halle am Schwarzlsee und eine ehemalige Baumarkthalle in Graz als Notquartiere für weitere ankommende Flüchtlinge vorbereitet.
Situation am Salzburger Hauptbahnhof verschärft
Am Salzburger Hauptbahnhof wiederum verschärfte sich gegen Mittag die Lage: Als einige Flüchtlinge in Richtung Bahnsteig liefen, um in einen Zug nach Deutschland zu gelangen, folgte ihnen eine große Menge nach. Die Bahn war aber bereits voll besetzt. Einsatzkräfte der Polizei versuchten mit Unterstützung von Dolmetschern, alles wieder in geordnete Bahnen zu lenken und die Flüchtlinge in der Halle zu versammeln. "Sie lassen sich aber nur schwer führen", sagte Polizeisprecher Michael Rausch.
Am Montagnachmittag wurde der Bahnverkehr nach Deutschland dann erneut gestoppt. Grund seien die deutschen Grenzkontrollen und damit verbundene "erhebliche Verzögerungen", teilte ÖBB-Sprecher Michael Braun mit. Züge aus Wien fahren bis Salzburg, "ab dort ist eine Weiterreise bis auf Weiteres nicht möglich". Auch Sonderzüge für Flüchtlinge gibt es am Montag nicht, da Deutschland diese nicht annimmt.
Die Ankunft von uniformierten Soldaten im Rahmen des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres führte am Bahnhof kurzfristig zu Verunsicherung bei den Flüchtlingen. Die Menschen konnten jedoch rasch beruhigt werden. "Ich habe zu ihnen gesagt: Das Bundesheer ist ausschließlich da, um zu helfen", sagte Ex-Landesrätin Doraja Eberle.
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