Nach Krankheit

Fred Sinowatz ist tot

Österreich
12.08.2008 17:06
Österreich trauert um einen seiner bekanntesten Alt-Politiker: Der frühere SPÖ-Chef und Bundeskanzler Fred Sinowatz ist am Montagnachmittag 79-jährig gestorben. Alfred Gusenbauer gab den Tod seines Parteifreundes in Absprache mit dessen Familie bekannt. Sinowatz war von 1983 bis 1986 Kanzler der ersten und bisher einzigen rot-blauen Koalition. In seine Kanzlerschaft fielen etliche Schicksalsereignisse - etwa der Kraftwerksbau in Hainburg, der Glykolwein-Skandal, der berüchtigte "Nazi-Händedruck" des damaligen FPÖ-Ministers Frischenschlagers und zuletzt der harte Präsidentschaftswahlkampf Kurt Waldheims und der Noricum-Skandal. Sein Ausspruch "Es ist alles sehr kompliziert" ist bis heute legendär.

Sinowatz sei ein großer Österreicher gewesen, der entscheidend am Werdegang Österreichs zu einem modernen Staat mitgewirkt habe, würdigte Gusenbauer den Verstorbenen: "Wir verlieren einen Menschen mit großer Erfahrung, Klugheit und tiefer Menschlichkeit. Ich persönlich verliere einen guten und lieben Freund." Als "einen wahren Menschenfreund, der Unschätzbares für die Menschen in Österreich und die Sozialdemokratie geleistet hat", bezeichnete Parteichef Werner Faymann den Verstorbenen. Wiens Bürgermeister Michael Häupl, der Sinowatz 2004 das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien überreichte, meinte: "Wir haben einen aufrechten Weggefährten und wahren Freund verloren."

Von Neufeld an der Leitha bis ins Bundeskanzleramt
Sinowatz wurde 1929 als Sohn eines Maschinenschlossers und einer Fabrikarbeiterin im kleinen burgenländischen Ort Neufeld an der Leitha geboren. Der studierte Zeitungswissenschaftler, Germanist und Geschichte-Experte arbeitete sich vom Gemeinderat in Neufeld (1957), über die Landesregierung in Eisenstadt (1961) bis zum Nationalratsabgeordneten, Bildungsminister (1971) und schließlich Bundeskanzler (1983) empor. 1986 trat er einen Tag nach Kurt Waldheims Sieg bei der Bundespräsidentenwahl zurück. 1988 gab er dann auch sein Amt als SPÖ-Vorsitzender an Franz Vranitzky ab und zog sich gänzlich aus der Politik zurück. Seinen Lebensabend verbrachte der Burgenländer mit Herz und Seele in Neufeld. Sinowatz war verwitwet und hinterlässt zwei Kinder.

SPÖ-Krise lockte Sinowatz ein letztes Mal aus Ruhestand
Die Politik verfolgte Sinowatz in den letzten Jahren nur mehr "aus der Distanz des Pensionisten". In die Tagespolitik wollte er sich nicht mehr einmischen: "Das entspricht meinem Prinzip, dass ich die aktuelle Politik ausklammere", sagte Sinowatz zu seinem 70. Geburtstag vor neun Jahren. Zuletzt hatte Sinowatz dann aber doch wieder angesichts der anhaltenden SPÖ-Krise das Wort ergriffen und "fehlende Visionen" kritisiert. In Werner Faymann als SPÖ-Chef setzte Sinowatz Hoffnung. Abgelehnt wurde von ihm stets eine Ausgrenzung der FPÖ.

Verdienste als Bildungsminister - glücklos als Kanzler
Sinowatz trat 1971 als Unterrichtsminister in die Alleinregierung von Bundeskanzler Bruno Kreisky ein. Während seiner Amtszeit hatte sich Sinowatz Verdienste bei der Schaffung von Chancengleichheit, der Demokratisierung der Schule und beim Ausbau eines liberalen Geistes- und Kulturklimas erworben. In der Bildungspolitik war es für Sinowatz "schon aufregend, dass es uns gelungen ist, alle sozialen Schranken, etwa beim Zugang zu den Schulen, wegzuräumen". 

1983 folgte er dem nach dem Verlust der absoluten Mehrheit zurückgetretenen Kreisky als Regierungs- und wenig später auch als Parteichef nach. Bis Mitte Juni 1986 stand Sinowatz einer Kleinen Koalition mit der FPÖ unter Norbert Steger vor. Nach der Bundespräsidentenwahl 1986, die am 8. Juni mit dem Sieg Kurt Waldheims endete, trat er als Kanzler zurück. Teils weil Waldheim, den Sinowatz erbittert bekämpfte ("Ich stelle fest, dass Kurt Waldheim nie bei der SA war, sondern nur sein Pferd"), sich gegen den SPÖ-Kandidaten Steyrer durchsetzte - aber auch, weil er einen Wechsel und eine "neue politische Linie" für notwendig erachtete. 

Hainburg und "Nazi-Händedruck
Unter Sinowatz Kanzlerschaft sollte das Donaukraftwerk in Hainburg gebaut werden - ein Au-Zerstörungsprojekt, das weit mehr Gegner als Zustimmung fand und nach der Au-Besetzung, Volksbegehren und Höchstgerichtsurteilen schließlich aufgegeben werden musste. Zu Hainburg sagte Sinowatz später: "Rein technisch und im Hinblick auf erneuerbare Energie wäre das Kraftwerk richtig situiert gewesen. Aber es war nicht durchsetzbar, ohne dass man eine Spaltung innerhalb der Bevölkerung und vor allem bei den jungen Menschen auf sich genommen hätte." 1986 geriet Sinowatz unter Druck, als FPÖ-Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager den aus italienischer Haft freigelassenen Nazi-Kriegsverbrecher Walter Reder bei dessen Ankunft offiziell empfing.

Affäre Waldheim und Noricum-Skandal
Der Präsidentschaftswahlkampf 1986 überschattete Sinowatz' Leben sogar über seine politische Karriere hinaus: Er wurde in der Causa "Waldheims braune Vergangenheit" 1991 rechtskräftig wegen falscher Zeugenaussage verurteilt. Im Noricum-Politikerprozess ebenfalls angeklagt, wurde er in dieser Causa hingegen freigesprochen. Später bezeichnete Sinowatz die Prozesse als Ereignisse, die schwierig gewesen seien. "Aber auch das möchte ich nicht missen, auch da habe ich viel gelernt."

Den ersten der beiden Prozesse, strengte Sinowatz in gewisser Weise selbst an, und zwar gegen den Journalisten Alfred Worm, weil dieser geschrieben hatte, dass Sinowatz in einer Sitzung des burgenländischen SPÖ-Vorstandes vom Oktober 1985 von der "braunen Vergangenheit" des damaligen Präsidentschaftskandidaten Kurt Waldheim gesprochen habe. Dieses Verfahren wurde mit einer "Ehrenerklärung" Worms im April 1988 abgeschlossen. Nachdem Worm damit freigesprochen war, wurde aber die Staatsanwaltschaft aktiv: Wegen falscher Zeugenaussage wurde Sinowatz - rechtskräftig seit Juni 1992 - zu einer Geldstrafe von 360.000 Schilling verurteilt; in der Folge erhielten sieben weitere burgenländische SPÖ-Politiker, die ausschlossen, dass die "Waldheim"-Äußerung gefallen sei, Geldstrafen.

Tief getroffen war Sinowatz von der Noricum-Anklage gegen ihn, Ex-Außenminister Leopold Gratz und Ex-Innenminister Karl Blecha. Der Vorwurf, er habe im Zusammenhang mit den Waffenlieferungen der Firma Noricum in den Iran sein Amt missbraucht, die Neutralität gefährdet und damit Österreich vorsätzlich geschadet, hat ihn nach eigenen Worten "fertiggemacht". Über den einstimmigen Freispruch der Geschworenen im Juni 1993 und seine Rehabilitierung war er auch dementsprechend erleichtert.

Staatstrauer
Als Zeichen der Trauer über das Ableben von Fred Sinowatz sind Hofburg, Bundeskanzleramt und Parlament schwarz beflaggt.

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