"Derrick" ist tot
Horst Tappert im Alter von 85 Jahren gestorben
Ihrem Mann sei es bis vor kurzem noch gut gegangen, er sei voller Zuversicht gewesen, sagte Ursula Tappert. In den vergangenen Tagen habe sich sein Zustand jedoch verschlimmert. "Näheres zu seinem Krankheitsverlauf möchte ich nicht sagen. Es ist traurig, aber jetzt hat er seine Ruhe. Mein Mann hatte ein erfülltes Leben."
Im Mai 2008 hatte Tappert der "Bunten" zu seinem 85. Geburtstag sein letztes Interview gegeben. "Ich lebe sehr zurückgezogen", sagte er damals. "Mag sein, dass ich mich seltsam anstelle, aber ich schätze die Ruhe mit meiner Frau. Kontakt mit alten Kollegen pflege ich auch nicht mehr, die meisten sind ohnehin schon tot. Ich will noch einige Zeit da sein." Sein Testament hatte der Schauspieler längst gemacht. Bereits nach seinem 80. Geburtstag habe er "mit allem abgeschlossen", so Tappert. Der Fernsehkommissar mit den prägnanten Gesichtszuügen ging zuletzt nur noch ungern aus dem Haus. Tappert war Diabetiker und schlecht zu Fuß. Sein Lebensmittelpunkt war im Ruhestand seine Frau Ursula geworden. "Wir sind seit 1949 ein Paar, sie ist alles, was mir geblieben ist", sagte er einmal. Seine letzte Fernsehrolle war in dem ZDF-Fernsehfilm "Herz ohne Krone", der zum 2003 zu seinem 80. Geburtstag gesendet wurde.
"Harry, hol schon mal den Wagen!"
Als Kommissar "Derrick" startete der Schauspieler 1974 eine Weltkarriere. Nicht nur in seiner Heimat und in Österreich zog der Gentleman-Kommissar die Zuschauer 23 Jahre lang in seinen Bann. In mehr als 100 Ländern flimmerte die ZDF-Krimi-Serie aus München 281 Folgen lang über die Bildschirme, darunter Italien, Holland, Frankreich, Australien und sogar Japan und China. Seine Fans himmelten ihn wie einen Popstar an. Sogar Papst Johannes Paul II. schaltete gerne ein, wenn Tappert als Stephan Derrick Mörder und andere Bösewichte dingfest machte. Doch die öffentlichen Auftritte des Fernseh- und Theaterschauspielers, der seit 1957 mit seiner Frau Ursula verheiratet ist, sind selten geworden. Seinen 85. Geburtstag am 26. Mai feiert er deshalb auch zurückgezogen.
"In Italien haben sie Horst die Füße geküsst. Dort haben sie den Papst, und gleich danach kommt Derrick", sagte Fritz Wepper, der in der Serie Tapperts Partner Harry Klein spielte, einmal in einem Interview. "Harry, hol schon mal den Wagen!" wurde zum geflügelten Wort - auch wenn dieser Satz in der Serie nie fiel. In Deutschland war man glücklich, dass der Schauspieler das nach dem Krieg stark beschädigte Image der Deutschen in aller Welt gewaltig aufpolierte. Und so durfte er sich 1988 das Bundesverdienstkreuz ans Revers heften, 1997 folgte der Verdienstorden der Bundesrepublik. "Er ist später dann der einzige Schauspieler gewesen, der Fanclubs im Ausland hatte", sagt der Münchner "Derrick"-Produzent Helmut Ringelmann, der Tappert von der Rolle überzeugt hatte. "Ein Fanclub im Ausland für einen Deutschen war damals etwas Erstaunliches."
Vom Buchhalter zum Kult-Schauspieler
Dass er einmal berühmt werden würde, war anfangs wenig wahrscheinlich. Geboren wurde Tappert 1923 in Wuppertal-Elberfeld als Sohn eines preußisch gesonnenen Postbeamten und einer Mutter, die ihm und seiner jüngeren Schwester nicht viel durchgehen ließ. Tappert entschied sich für eine kaufmännische Lehre - ein Leben mit trockenen Zahlenkolonnen und peinlichster Korrektheit, wie er es einmal formulierte. 1945, kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges, bewarb er sich als Buchhalter am Theater in Stendal. Doch Theaterdirektor Kurt Mühlhardt engagierte den dünnen jungen Mann als Schauspieler. Und er behielt recht, denn bald schloss das Publikum Tappert ins Herz.
Von Stendal aus führte ihn sein Weg an Theater in Köthen, Göttingen, Kassel, Bonn und Wuppertal bis nach München und Zürich. Ab 1958 war er in Kino-Filmen wie "Die Trapp-Familie in Amerika", "Der Hund von Blackwood Castle" oder "Und Jimmy ging zum Regenbogen" zu sehen. Eine seiner Paraderollen war der englische Chef-Posträuber in dem TV-Dreiteiler "Die Gentlemen bitten zur Kasse". Tappert liebte die komischen Rollen, konnte sie aber zu seinem Bedauern vor allem im Fernsehen nicht so ausleben. Wenn es Schauspieler-Gene gäbe, würde bei ihm nur ein ganz kleiner Teil für die Rolle des Münchner Kommissars reserviert, etwas mehr für Charakterrollen und der größte Teil für alles, was komisch ist, schrieb er in seiner 1998 veröffentlichten Autobiografie "Derrick und Ich. Meine zwei Leben".
Das Phänomen "Derrick" wurde überdies zum Gegenstand zahlreicher filmwissenschaftlicher und soziologischer Studien: Die oft als hölzern kritisierte Kameraführung, die lineare Erzählstruktur und minutenlange Dialoge trugen nach Expertenansicht zum Erfolg der Serie bei, weil sie den Held der Handlung zum berechenbaren Durchschnittsmenschen machten. In memoriam Horst Tappert ändert der ORF sein Programm: Am Samstag (20.12.) zeigt ORF 2 ab 11.00 Uhr hintereinander zunächst die erste Folge der Krimiserie "Derrick" aus dem Jahr 1974 mit dem Titel "Der Waldweg" und danach die Abschlussfolge aus dem Jahr 1998, "Das Abschiedsgeschenk".
Tappert zum Achtziger: "Der Teufel will, dass ich so alt werde"
Das Publikum liebte Tappert. Als er 1998 als Kommissar aufhörte, war die Enttäuschung groß. 2004 kehrte Derrick zurück - in einem Zeichentrickfilm fürs Kino mit den Stimmen von Tappert und Wepper. Doch zu großen Auftritten hatte der langgediente TV-Kommissar keine Lust mehr. "Ich habe wahnsinnig viel gearbeitet und freue mich darauf, endlich einmal ausspannen zu können", erklärte er seinen Rückzug. Auch das Alter machte ihm zunehmend zu schaffen: "Ich schimpfe mit mir selbst, wenn ich etwas nicht mehr so gut hinbekomme wie früher, beispielsweise das Schuhe-Anziehen", bekannte er 2003 in einem Interview zu seinem 80. Geburtstag. "Der Teufel will, dass ich so alt werde. Ich bin dem ausgeliefert."
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