Mit der Entschuldung der Kassen will der Minister rasch beginnen, denn das Geld, das sie derzeit für die Zinsen zahlen müssen, „geht den Versicherten direkt ab“. Deshalb gelte hier das Motto: „Je schneller desto besser.“ Wie genau der Entschuldungsplan aussieht und bis wann er abgeschlossen sein soll, lässt Stöger bewusst offen. Das werde in einem Verhandlungsprozess geklärt und sei auch von der wirtschaftlichen Entwicklung und vom Budgetpfad abhängig. Klar ist für den Minister aber, dass die Entschuldung vollständig erfolgen werde. Mit Ende des Jahres haben die Kassen ein negatives Eigenkapital von 1,2 Milliarden Euro.
Nach Ansicht Stögers haben sich die Krankenkassen nicht selbst in die Misere gebracht, sondern das Defizit sei zu einem guten Teil von der früheren schwarz-blauen bzw. schwarz-orangen Regierung „systematisch organisiert“ worden. Durch Reformen seien etwa der Wiener Gebietskrankenkasse allein 2006 mehr als 100 Mio. Euro entzogen worden. Der Gesundheitsminister will diese Maßnahmen zwar nicht rückgängig machen, er fordert aber, dass der Staat den Kassen das Geld dafür ersetzen soll. Wenn man Leistungen per Gesetz beschließe, müsse man auch die Finanzierung sicherstellen.
„Bunte Wege“ für Gesundheitsreform
Unabhängig von der Entschuldung der Kassen will Stöger auch eine umfassende Gesundheitsreform vorbereiten. Dabei will er „bunte Wege gehen“. Das bedeutet, dass er die Reform mehr den regionalen Strukturen überlassen will. „Im Bezirk Rohrbach brauchen die Menschen etwas anderes als in Radkersburg“, bringt es der Oberösterreicher auf den Punkt. An dem im Frühjahr gescheiterten Sozialpartner-Papier zur Gesundheitsreform kritisiert Stöger, dass es keine Innovationen in Gesundheitsfragen, sondern eher Macht- und Strukturfragen in den Mittelpunkt gestellt habe.
„Ich halte von Einladungsprogrammen nichts“
Aufhorchen lässt Stöger mit seiner Einstellung zu Vorsorgeprogrammen: „Eher sehr, sehr skeptisch“ sei er im Gegensatz zu vielen Experten, was generelle Einladungsaktionen zu Screeningprogrammen - beispielsweise auf Brustkrebs - betrifft. In Österreich erkranken pro Jahr rund 4.700 Frauen an Brustkrebs, rund 1.600 sterben daran. Wissenschafter gehen davon aus, dass Mammografie-Programme mit Einladungen und Wiedereinladungen von Frauen zwischen 50 und 70 die Todesraten um 30 Prozent senken. Andrea Kdolsky hatte eine flächendeckende Brustkrebs-Früherkennung für das Jahr 2010 angepeilt. Stöger meint aber, dass solche Untersuchungen am besten dann erfolgen sollten, „wenn sie die Ärztin oder der Arzt in einer allgemeinen Vorsorgeuntersuchung als angezeigt erkennt. In diesem Fall soll es die Mammografie geben, durch Fachpersonal angeleitet, aber nicht generell. Ich halte von Einladungsprogrammen nichts und habe bei Frau Minister Rauch-Kallat dagegen gewirkt.“ Allerdings gibt es in Österreich bereits mehrere Pilotprojekte zu diesem Thema.
Der Impfausschuss des Obersten Sanitätsrates empfiehlt auch bereits seit einigen Jahren die Einführung der HPV-Impfung zur Verhinderung von Gebärmutterhalskrebs. Am sinnvollsten - so viele Experten - wäre die Durchimpfung von Mädchen vor den ersten sexuellen Kontakten. Andrea Kdolsky stand hier vehement auf der Bremse. Für Stöger geht es offenbar vor allem um den Preis. Regulär kostet eine der drei Teilimpfungen rund 200 Euro. Im Hauptverband der Sozialversicherungsträger glaubt man aber, bei einem Ankauf - zum Beispiel im Rahmen des Kinderimpf-Programmes der öffentlichen Hand - auf einen Vakzine-Preis von 80 bis 90 Euro kommen zu können. Der Minister: "Zur HPV-Impfung habe ich eine persönliche Meinung. Da muss sich die Pharmaindustrie anstrengen, um einen vernünftigen Preis zu erreichen. Das, was da derzeit an Preisvorstellungen von der Pharma-Industrie kommt, ist schlichtweg Abzocke - und da werden wir nicht mittun. So einfach sag' ich das."
„Die Pharmawirtschaft muss sich mehr anstrengen“
Der Pharma-Wirtschaft will Stöger übrigens generell auf die Zehen steigen. Die in einem Vertrag mit dem Hauptverband zugesagten Einsparungen von 180 Mio. Euro hält der Minister für nicht ausreichend. „Die Pharmawirtschaft muss sich mehr anstrengen.“ Sie solle weniger für Werbung und mehr für Forschung ausgeben, dann könnte sie den Menschen auch kostengünstigere Medikamente anbieten, meint Stöger. Die Medikamenten-Kosten dürften nicht wie derzeit um acht bis zehn Prozent jährlich steigen sondern maximal im Bereich des BIP-Wachstums. Dem Minister ist zwar bewusst, dass er keine Zwangsmaßnahmen zur Verfügung hat, er strebt aber eine Preispolitik an, die es der Pharma-Wirtschaft schwerer macht, ihre Profitinteressen durchzusetzen.
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