Wiens neuer Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hat keine Zeit fürs Einarbeiten, vom ersten Tag an muss er die großen Probleme der Stadt lösen. Ein Gespräch über das Krankenhaus Nord, die Mindestsicherung, Danzers Freiheit und wie sportlich er mit den Sportagenden wird.
„Krone“: Herr Stadtrat, warum tun Sie sich das an?
Peter Hacker: Weil mich Michael Ludwig überzeugt hat. Rein persönlich betrachtet, hab‘ ich es mir ja nicht nur verbessert, sondern verschlechtert. Aber es hat schon spannend geklungen, und so ist es heute auch. Wir haben echt Spaß als Team.
Sie haben es sich verschlechtert?
Ich verdiene wesentlich weniger Geld und habe noch weniger Zeit zur Verfügung.
Sie haben ja ein Ressort mit vielen Baustellen übernommen. Mit welcher wollen wir anfangen?
Mit der wichtigsten: dem Krankenanstaltenverbund. Der Weg der Unternehmenswerdung zu einer Anstalt öffentlichen Rechts wird von mir fortgesetzt. Die Wiener Spitäler brauchen eine klare Struktur mit klaren Verantwortungen und handlungsfähigem Management. Den Entwurf von Sandra Frauenberger werde ich diese Woche durcharbeiten.
Sind noch Veränderungen möglich und wenn ja, welche?
Selbstverständlich, wenn ich einen Akt unterschreibe, sind bis zu meiner Unterschrift immer Veränderungen möglich. Nach dem Durcharbeiten, wenn das Ei gelegt ist, wird auch gegackert. Ich halte nichts von Vorab-Quatschiquatschi.
Ab zur nächsten Baustelle: das Krankenhaus Nord. Haben Sie schon einen Überblick? Kommen noch einmal versteckte Kosten und Verzögerungen auf uns zu?
Ich habe jetzt der Spitze des KAV eingeräumt, dass sie noch einmal drei Wochen Zeit hat, alle Pläne zu überarbeiten, und ich möchte dann einen Bericht bekommen. Ich will dann hören: den Bauzeitenplan, den Besiedelungsplan, den Vollbetriebsplan, den Finanzplan, welche Risiken erwarten uns noch? Das Management hat die Chance verdient, dann wird es aber angenagelt. Und in der Geschäftsgruppe wird es in Zukunft nur noch einen Energiekreis geben, und das bin ich!
Weiter geht’s: die Mindestsicherung. Sie haben am 9. Februar 2018 gesagt: „Ich bin an sich gegen die Wartefrist für Zugezogene.“ Und am 24. Mai: „Die Frage der Wartefrist muss man intensiv diskutieren.“ Geht das Überbordwerfen der eigenen Prinzipien in der Politik so schnell?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe das seinerzeit schon in einen Kontext gesetzt, und der ist unverändert. Die Sozialhilfe ist das unterste Netz. Und wenn Sie einen Hackler fragen, der in der Früh in die Arbeit geht, oder auch, wenn Sie mich fragen: Bin ich dafür, dass jemand eine Sozialhilfeunterstützung bekommt, ohne etwas dazu beigetragen zu haben, sagt jeder aus dem Bauch: Nein, ich bin nicht dafür. Das ist ja eine verständliche Reaktion. Wenn Sie aber eine andere Frage stellen: „Sind Sie dafür, dass es Tausende Menschen in der Stadt gibt, die nichts mehr zu essen haben, die deswegen anfangen zu betteln, einzubrechen oder zu stehlen?“ Dann werden auch alle sagen: Nein. Also gelingt es uns entweder, diese Menschen aus der Stadt zu bringen, was bei hier Geborenen ziemlich schwierig wird, oder wir sagen, wir wollen die Zustände nicht, dann müssen wir schauen, dass diese Menschen Geld bekommen, um nicht kriminell zu werden. Eine dritte Variante fällt mir nicht ein.
Die Entscheidung wurde der SPÖ sowieso abgenommen. Türkis-Blau kürzt bei der Mindestsicherung. Es gibt eine Wartefrist für EU-Ausländer. Gut so?
Ich finde das ja fast sonderbar, dass offensichtlich viele glauben, dass das Wiener Sozialsystem ein offenes Scheunentor ist. Dass man gewisse Kriterien erfüllen muss, ist in weitesten Bereichen ja selbstverständlich. EU-Ausländer, auch Österreicher, können nicht einfach etwa nach Deutschland gehen und sagen: Da gefällt es mir, und ich hätte jetzt gerne die Sozialhilfe überwiesen. Das gilt natürlich für alle EU-Staaten. Die Ankündigung, dass das jetzt anders sein wird, ist ein Schmäh. Das war schon bisher so.
Wer besser Deutsch kann, bekommt mehr Mindestsicherung. Das klingt doch nicht so schlecht, oder?
Ich halte es für unerträglich, dass wir bei der kleinen Anzahl an Flüchtlingen, die aktuell nach Österreich kommen, darüber diskutieren. Wieso hat es die Integrationspolitik nicht zustande gebracht, dass sie alle Deutsch können? Das ist kein Ruhmesblatt für die österreichische Integrationspolitik.
Aber auch nicht für die Wiener Integrationspolitik.
Wir betreiben Integration ab Tag eins. Die Aufgabe Deutsch ist aber eine klare Bundesaufgabe. Wir Länder haben uns vor 15 Jahren nur bereit erklärt, dem Bund zu helfen. Das muss aber so nicht sein.
Kopftuchverbot in Kindergärten und Volksschulen. Ja oder Nein?
Ich bin gegen Kopftücher, aber auch gegen Verbote. Ich finde eine Debatte übers Kopftuch wurscht, eigentlich würde ich lieber über die Freiheit von Frauen reden. Ich glaube, dass wir aufpassen müssen, uns unsere Freiheit nicht Stückchen für Stückchen permanent abzugraben, und am Ende des Tages stellen wir fest: Hoppla, sie ist weg. Dieses wunderschöne Lied von Georg Danzer über die Freiheit fällt mir dazu ein. Das ist ein toller Text, das drückt meine Philosophie aus.
Sie haben auch den Sport übernommen. Wie sportlich sind Sie?
(lacht) Dramatisch unsportlich. Ich habe mir nicht vorgenommen, nur, weil ich für den Sport zuständig bin, jetzt Ilse Buck, die Vorturnerin der Nation, zu werden.
Sind Sie in der Stadtregierung jetzt für die flotten Sprüche zuständig?
Das müssen wir den Michi Ludwig fragen. Wir haben aber eines ausgemacht, ich werde mich nicht verändern. Ich bin ein großer Bub und habe 35 Jahre gehackelt wie ein Viech. Ich komme aus einfachsten Verhältnissen. Eine neue Fassade ziehe ich sicher nicht auf.
Wir haben mit Michael Ludwig gerade einen neuen, aber wollen Sie eines Tages Bürgermeister werden?
Nein. Null. Ein lächerliches Thema. Wir wollen jetzt Wien echt weiterbringen. Und wir werden das auch schaffen.
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