KISS-Superstar Gene Simmons ist immer für Überraschungen gut. Nun ist der deklarierte Drogen-Gegner etwa CEO eines Cannabis-Herstellers und gibt sich auf seiner Tour mit der Gene Simmons Band, die ihn am 16. Juli auch in den Wiener Gasometer führt, überraschend nahbar für alle Fans. Im ausführlichen Interview sprachen wir mit dem Marketinggenie außerdem über seine größten Business-Fehler, was er bei aller Fanliebe niemals machen würde und warum wir uns in Österreich schon jetzt auf KISS 2019 vorbereiten sollten.
„Krone“: Gene, neben vielen anderen Projekten kommst du am 16. Juli mit deiner Band als Solokünstler in den Wiener Gasometer, um neben KISS-Songs auch viele andere Nummern zu präsentieren. Was können wir uns von diesem Auftritt erwarten?
Gene Simmons: Die Gene Simmons Band ist etwas, das ich aus Spaß mache. Hier geht es nicht um die Karriere. KISS machen in diesem Jahr sehr wenig und wir bereiten uns auf eine sehr große Tour 2019 vor. Ich liebe es aber, auf der Bühne zu stehen und so komme ich trotzdem zu euch. Ich kann hier machen was ich will. Egal, ob Songs wie „She’s So European“, „Charisma“ oder Nummern meiner Solokarriere - hier sind mir keine Grenzen gesetzt. Außerdem lade ich Menschen aus dem Publikum auf die Bühne ein. Wenn du ein Instrument beherrscht, dann kannst du mit uns spielen. Wenn du singen kannst, auch nur ein bisschen, dann bist du herzlich eingeladen, mit mir „I Love It Loud“ zu singen. Und am Ende der Show werde ich 50 bis 100 Leute auf die Bühne holen, um mit ihnen gemeinsam „Rock And Roll All Nite“ zu singen.
Deine Band sind The Rock’n’Roll Residency, eine Truppe aus Nashville, die auch Stammgast auf der KISS-Kruise ist. Warum spielst du genau mit diesen Jungs?
In erster Linie sind sie große KISS-Fans, kennen alle Songs und spielen auch als KISS-Tribute-Band in Nashville. Sie können auch Songs von Kid Rock und anderen spielen. Wir waren schon in Südamerika, Japan und Australien. Die Shows dort wurden übrigens von Ace Frehley eröffnet, der die Band so gut fand, dass er mich fragte, ob er nicht im Vorprogramm spielen dürfte. Er nutzt also meine Backing-Band, indem er sich mit seiner Gitarre einbaute.
Mit Ace hast du in den letzten Wochen einige Shows gespielt. Das riecht für KISS-Fans natürlich nach mehr…
Er wird immer ein Mitglied der Familie sein, aber ich habe kein Interesse daran, noch eine Reunion-Tour zu spielen, das haben wir schon drei Mal gemacht. Jedes Mal beginnt es gut und endet schlecht. Ich will das jetzt nicht erklären, aber du weißt warum. Ich bin Antialkoholiker und mit Leuten, die das anders sehen, ist das bei Rockbands oft sehr schwierig.
Wir alle wissen auch, dass es im KISS-Bandcamp über all die Jahrzehnte immer wieder bröckelte und zu Streitereien kam.
Darum geht es gar nicht, das ist nicht das Thema. Es geht um Drogen und Alkohol. Sie verwandeln dich in Jekyll & Hyde. Du glaubst immer, all deine Probleme wären durch deine Umwelt entstanden, aber nur du selbst bist damit das Problem.
Deine Beziehung zu Ace ist aber trotzdem gut, da du mit ihm eben immer wieder aufgetreten bist in den letzten Wochen. Nur auf Dauer klappt die Zusammenarbeit nicht?
Exakt. Auch Peter Criss jammte mit mir in New York, wir hatten wirklich viel Spaß. Auf Dauer ist das aber schwierig. Nicht jeder kann einen Marathon laufen. Der eine schafft die 42 Kilometer, der andere vielleicht nicht einmal drei.
Viele Menschen haben sich auch gefragt, warum du unlängst zum CEO eines kanadischen Cannabis-Herstellers wurdest? Das passt so gar nicht in dein nüchternes, drogenfreies Weltbild.
Ich mag Drogen in gewisser Weise. Wenn ich im Zahnarztstuhl sitze und sie an meinen Zähnen arbeiten, bin ich froh, wenn ich nichts spüre. Es kommt immer darauf an, wie man sie verwendet. Ich bin gegen Drogenmissbrauch von Heroin und all den harten Dingen. Ich trinke zwar selbst nicht, aber gegen ein Glas Wein am Tag ist nichts zu sagen. Wenn du aber besoffen bist, dann versuchst du vielleicht deine Frau oder andere zu verprügeln. Zigaretten sind die größte Dummheit, denn damit kriegst du mit hoher Wahrscheinlichkeit Krebs. Ich wusste nicht viel über Cannabis, habe mich dann aber eingelesen und kann nur allen raten, sich selbst darüber zu informieren. Ich hatte keine Ahnung, was Wissenschaftler und Ärzte dazu zu sagen haben. Es gibt kleine Mädchen mit Epilepsie, die von Krämpfen geschüttelt werden und unheimlich leiden. Aber sobald sie etwas Cannabis auf ihrem Arm haben, werden sie ruhig. Das wusste ich nicht. Für mich ist die Beteiligung an „Invictus“, so der Name der Firma, aber rein wirtschaftlicher Natur. Ich habe zehn Millionen Dollar in die Aktien des Unternehmens investiert, weil ich daran glaube. Ich muss das Cannabis selbst nicht verwenden, aber jeder sollte für sich selbst herausfinden, welche Wahl er trifft.
Aber natürlich stehst du mit deinem Namen und deiner Marke für etwas, das man noch vor kurzem nicht für möglich gehalten hätte.
Ich mache das, was ich für richtig halte. Manche Leute verstehen das, andere nicht, aber das ist mir herzlich egal.
Mit dem Boxset „The Vault“ hast du vor einigen Wochen das bislang umfangreichste Set veröffentlicht, das alles in allem fast elf Stunden Material aus gut 50 Jahren deiner Karriere beinhaltet. Wenn man an die 50.000 Dollar zahlt, lieferst du die Box auch persönlich aus. Wie oft ist das schon passiert?
Wir waren schon auf der ganzen Welt. Ich war in London, New York und bin bald in Frankfurt. Auch Australien steht noch an. Ich treffe die Fans ein ganzes Jahr lang. Der Unterschied zu mir und allen anderen Aktionen, die es bisher gab ist, dass ich jeden Fan persönliche treffe, der den Preis für „The Vault“ bezahlt hat. Ich mache Fotos, rede mit ihnen über unsere Familien und bedanke mich dafür, dass sie ein Teil davon sind, dass ich mein Leben so führen kann, wie ich es tue. Alle anderen Details dazu seht ihr auf meiner Homepage.
Hattest du auch mit einigen verrückten, abgedrehten Wünschen von Fans zu tun?
(lacht) Auf jeden Fall. Es gab ein paar Heiratsanträge und ein Mädchen wollte unbedingt meine Sklavin sein. Es gibt alle möglichen abstrusen Anfragen.
Was würdest du unter keinen Umständen, niemals machen, auch wenn jemand die volle Summe für deinen Besuch und deine Zeit bezahlt?
Crack nehmen. Ich würde niemals Drogen nehmen.
Wäre Sex okay?
Nicht mit dir. (lacht) Ich habe früher alle möglichen verrückten Dinge gemacht, aber diese Zeiten sind vorbei. Ich bin seit 44 Jahren mit KISS im Geschäft, irgendwann reicht es mit bestimmten Dingen.
In dem Boxset sind unter anderem auch Beatles-Covers von dir zu hören, die du als 16-Jähriger und großer Fan gespielt hast. Wäre es nicht toll, auch diese alten Songs und Vorlieben deiner Jugend auf die Bühne zu bringen?
Keiner der Songs auf der Box wurde jemals veröffentlicht, aber wir spielen viele davon tatsächlich live. Wir spielen „It’s My Life“, den Song „Are You Ready?“ und manchmal spiele ich sogar meinen allerersten Song aus dem Jahr 1966, „My Uncle Is A Raft“. Wir können auch Beatles-Nummern oder Songs von John Lee Hooker spielen. Ich spiele auch viele obskure Songs aus meinen Solo- und KISS-Zeiten.
Die Gene Simmons Band-Tour wird also auch sehr viel Platz für Improvisation und Spontanität bieten?
Absolut. Die Leute können nach einem Song schreien und wir werden unser Bestes geben, ihn umzusetzen. Die großen Klassiker haben wir im Effeff. Die KISS-Fans wissen, was sie bei einer KISS-Show kriegen, aber sie wollen bei einem Gene-Simmons-Gig nicht immer dasselbe hören. In den großen Stadien spielen wir mit KISS natürlich alle Hits, die sie sehen wollen, aber ich liefere solo etwas anderes ab.
Du bist jetzt niemand, der als großer Nostalgiker verschrien ist und allzu oft in seinem Leben zurückschaut. Für „The Vault“ warst du aber quasi dazu gezwungen. Wie hat sich diese Rückschau angefühlt?
Jeder dieser Songs aus den mehr als 50 Jahren war für mich eine Überraschung, weil ich sie teilweise seit Jahren oder Jahrzehnten nicht mehr gehört habe. Ich fand drei Songs, die ich mit Bob Dylan schrieb und unser Songwritingprozess ist auch auf dem Boxset. Es gibt etwas mit Joe Perry von Aerosmith aus 1978, Van Halen und noch andere Schmankerl mit anderen Künstlern und ehemaligen KISS-Kollegen. Es sind durchwegs Songs, die ich niemals veröffentlicht habe. Sehr frühe Demos von großen Klassikern, es sind insgesamt 167 Songs, die fast elf Stunden verschlingen, wenn du sie durchhörst.
Gibt es irgendwo tief in deinem Keller noch etwas Vergrabenes, oder hast du jetzt wirklich alles ans Tageslicht befördert?
Da gibt es noch so einiges. Ich bin aber extrem beschäftigt und weiß nicht, ob und wann ich das veröffentlichen werde. Simmons-Books wird jetzt veröffentlicht, ich habe den CEO-Sitz bei „Invictus“, mit der Marktkette Seven Eleven neue Geschäfte abgeschlossen und ich schreibe noch ein weiteres Buch. Außerdem gibt es weitere KISS-Touren und die KISS Kruise. Jeder Tag bei mir ist ausgebucht.
KISS selbst hat für dich aber natürlich immer noch die größte Wichtigkeit, steht klar an erster Stelle.
Natürlich. KISS ist mein Leben, da geht absolut nichts drüber. 2019 werden wir eine Monstertour spielen. Wir werden auch in Europa spielen. Kommen wir nach Wien? Ja. Kommen wir nach Graz? Auch ja.
Das sind ja tolle Neuigkeiten. Jetzt ist mal die Gene Simmons Band im Juli angesagt. Auf Österreich freust du dich doch immer, wenn du hier eine Show spielst.
Ich habe immer viele Geschäfte mit Frank Stronach gemacht, der bei euch in die Regierung wollte. Wenn du die Tageszeitung „Heute“ suchst, wirst du uns beide auf dem Cover finden. Ich weiß schon, dass ihr schöne Frauen habt, aber am liebsten an Wien habe ich die Palatschinken. Sie machen so fett, aber ich liebe sie über alles. Immer wenn ich bei euch bin, muss ich sie essen - in allen Geschmacksrichtungen. Egal ob pikant oder süß. Als Kaiser Franz Josef der Herrscher über Österreich und Ungarn war, sprachen die Ungarn mit Akzent und nicht Hochdeutsch. Die Ungarn mussten aber Deutsch lernen, weil Franz Josef Österreicher war und das so wollte.
Kommen wir zu deinem Geschäftssinn. Welche drei wirtschaftlichen Ratschläge würdest du mit deiner Erfahrung und deinen Erfolgen einem jungen, aufstrebenden Menschen geben?
Zuerst musst du dich lückenlos über alles informieren, in das du investierst. Es darf keine Überraschungen geben. Du gehst auch nicht in den Dschungel, ohne den Weg und die Gefahren zu kennen. Seit längst alle Informationen auf dem Smartphone für jedermann abrufbar sind liegt es an dir, dich selbst zu bilden. Finde heraus, was für dich wichtig ist und wie du kluge Entscheidungen treffen kannst. Ich schreibe die ganze Zeit Wirtschaftsbücher und das neueste nennt sich „On Power“. Das davor hieß „Me Inc.“ und ich werde garantiert noch weitere schreiben.
Woraus beziehst du mit deinen 68 Jahren so viel Energie, dass du immer noch so extrem eingedeckt bist und scheinbar keine Ruhepausen brauchst?
Mir fällt das leicht, weil ich meine Arbeit liebe. Wenn du etwas hasst, dann wirst du müde. Es gibt Leute, die den ganzen Tag nur auf die Uhr schauen, während die Zeit nicht zu vergehen scheint. Wenn du aber Spaß an deiner Tätigkeit hast, dann kriegst du das gar nicht mit. Finde einfach etwas, wo du Leidenschaft einsetzen kannst.
Was war der geschäftlich gesehen größte Fehler, den du in deiner Karriere gemacht hast?
Dass ich die ganzen Drogenabhängigen und Alkoholiker nicht schon früher losgeworden bin. Sie waren immer irgendwie in meiner Welt und haben mich oft aufgehalten. Der Einfluss von ihnen war schlecht und ist für alle Menschen schlecht. Solche Menschen entziehen dir die Lebensenergie und blamieren jeden in ihrem Umkreis und am meisten sich selbst. Ich bin wirklich nicht gegen Drogen, vergiss das nicht. Aber es geht um den Missbrauch, so etwas halte ich nicht aus und lähmt mich. Auch das Feuer ist gut, wenn es die Dunkelheit erleuchtet und das Essen erhitzt, aber du greifst auch nicht rein und wenn es zu groß wird, brennt es dein Haus nieder.
Gibt es noch bestimmte Dinge, die du unbedingt machen willst oder in denen du dich noch beweisen möchtest?
Eine Menge. Ich will jeden Tag mehr tun und lernen. Ich bin derzeit dabei, einen Deal mit einem Hersteller von natürlichem Essen einzufädeln, der Gemüse, Obst, Milch und auch gesundes Fleisch anbietet. Außerdem haben wir eine Restaurantkette und eine Filmfirma - es gibt immer genug zu tun.
Was würdest du machen, wenn du heute 20 Jahre alt wärst und jemand dir sagen würde, er möchte gerne eine Rockband mit dir gründen?
Das ist ein trauriges Thema. Ich würde es aus Spaß und Leidenschaft machen, aber mit einer Rockband kannst du heute keine Rechnungen mehr bezahlen. Die Fans downloaden und teilen deine Songs ohne zu bezahlen. Würden Rammstein heute anfangen, wären sie niemals so erfolgreich - dasselbe gilt für KISS. Wenn du eine alte Band wie wir, die Rolling Stones oder Paul McCartney bist, dann kannst du von deinen Fans leben, die dir treu geblieben sind und noch immer deine Produkte kaufen, aber neue und junge Fans kaufen nicht mehr. Du musst als Band heute die Musik bereitstellen, wirst aber nicht dafür bezahlst.
Bevor Simmons mit KISS 2019 offenbar wieder nach Österreich kommt, spielt er am 16. Juli mit der Gene Simmons Band im Wiener Gasometer. Karten für das Highlight erhalten Sie unter www.musicticket.at.
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