Causa Deutschklassen

Nehammer: „Auch Wiens SPÖ muss Gesetze einhalten“

Österreich
06.06.2018 10:05

Direktoren an Wiener Schulen stellen einen Boykott bzw. eine Umgehung der ab Herbst beschlossenen Deutschförderklassen in den Raum. „Wir hoffen, dass uns unsere gewerkschaftliche Vertretung unterstützt, wenn wir Dinge tun müssen, die das Gesetz vielleicht nicht so vorsieht“, formulierte es die Leiterin der Volksschule Vereinsgasse, Gabriele Lener, bei einer Pressekonferenz. ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer betonte daraufhin, dass man an Schulen „keine linken Ideologen, sondern Pädagogen“ brauche. Er nahm Wiens SPÖ-Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorsky in die Pflicht, für die Einhaltung des Gesetzes zu sorgen. In eine ähnliche Kerbe schlug FPÖ-Generalsekretär Johann Gudenus.

„Wir werden versuchen, Möglichkeiten zu finden, die den Kindern gerecht werden“, so Lener am Dienstagabend. Die Direktorin der AHS Rahlgasse, Ilse Rollett, schloss Deutschklassen an ihrer Schule kategorisch aus - wobei die nötige Zahl jener außerordentlichen Schüler, für die diese Klassen gedacht sind, an AHS meist ohnehin nicht erreicht werden.

Plattform für schulautonome Umsetzung von Sprachfördermaßnahmen
 
Direktoren, Lehrer, Sprachwissenschaftler und Eltern haben sich zu einer „Plattform zur schulautonomen Umsetzung von Sprachfördermaßnahmen“ zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist es, die Entscheidung über die Ausgestaltung von Sprachfördermaßnahmen in die Autonomie der Schule zu verlagern - also etwa ob oder in welchem Ausmaß Kinder mit Sprachproblemen aus ihren Stammklassen zur Sprachförderung herausgenommen werden.

(Bild: dpa/dpaweb)

Nehammer: „Keine linken Ideologen an Schulen“
„Wer Kindern mit Sprachdefiziten Deutschförderklassen verwehrt, nimmt ihnen alle Chancen für die Zukunft. Es kann nicht sein, dass sich Lehrer gegen eine gesetzliche Regelung sträuben. Wir brauchen an den Schulen keine linken Ideologen, sondern Pädagogen, die sich um die Zukunft unserer Kinder kümmern. Deutsch ist in Österreich der Schlüssel zur Integration“, betont ÖVP-Generalsekretär Nehammer angesichts der angekündigten Rechtsbrüche durch Wiener Lehrer und Direktoren.

Karl Nehammer, ÖVP (Bild: APA/Georg Hochmuth)
Karl Nehammer, ÖVP

Er sieht nun Czernohorszky in der Pflicht: „Der Wiener Bildungsstadtrat ist aufgefordert, hier konsequent zu handeln. Die Bundesregierung hat mit den Deutschförderklassen eine sehr wichtige Maßnahme zur Integration geschaffen - und diese ist umzusetzen. Österreich ist ein Rechtsstaat, hier hat man sich an Gesetze zu halten - auch wenn sie der eigenen Ideologie widersprechen.“

Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (Bild: APA/Hans-Klaus Techt)
Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky

Gudenus: „Wien hat Deutschklassen konsequent umzusetzen“
Nehammers Gegenüber bei den Freiheitlichen - Johann Gudenus - schlägt in eine ähnliche Kerbe: „Die gescheiterte rot-grüne Bildungs- und Integrationspolitik trägt maßgeblich daran Schuld, dass in Wien diese enormen Probleme mit Zuwandererkindern vorhanden sind. Es ist wirklich skandalös, dass gerade Schuldirektoren eine gesetzestreue Vorgangsweise verweigern. Hier muss es ernsthafte Konsequenzen geben. Auch Wien hat die Deutschklassen konsequent umzusetzen.“

Johann Gudenus (Bild: APA/Herbert Neubauer)
Johann Gudenus

„An meinem Standort machen Deutschklassen keinen Sinn“
„Es mag Schulstandorte geben, an denen Deutschklassen Sinn machen - an meinem sicher nicht“, betonte hingegen der Direktor der Volksschule Bernhardtstalgasse in Favoriten, Horst Pintarich. Abgesehen davon, dass das Modell etwa in Berlin nicht funktioniert habe, stehe er bei sich vor kaum unlösbaren organisatorischen Herausforderungen.

Er eröffne im Herbst fünf erste Klassen, für die es genau fünf Räume gebe. Aufgrund der zu erwartenden Zahl an außerordentlichen Schülern müsse er aus fünf durchmischten Klassen drei Sprachförderklassen einrichten. Die verbleibenden ordentlichen Schüler aus den fünf bestehen bleibenden Klassen - in diese müssen die außerordentlichen Schüler nach Erlangung der nötigen Sprachkompetenz ja wieder zurückkehren - müssten dann wiederum neu zusammengemischt werden. „Sonst würden ja nur acht oder zehn Kinder pro Klasse übrig bleiben. Alles andere wäre eine Ressourcenverschwendung“, so Pintarich.

(Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)

„Befürchte, dass meine Schule Gettoschule wird“
 
„Meine Befürchtung ist, dass die Eltern der deutschsprachigen Schüler, wenn sie mitbekommen, dass ihre Kinder auch betroffen sind, sich eine Schule am Stadtrand suchen und meine Schule eine Gettoschule wird.“ An einen Boykott will er noch nicht denken, er hofft vielmehr auf Änderungen der Vorgaben.

„Betroffene Kinder werden ausgeschlossen“
„Mehr als besorgniserregend“ sind die Vorgaben für die Volksschullehrerin Susanne Panholzer-Hehenberger. „Sechsjährige lernen ja nicht eine Sprache, indem sie in einer Klasse Vokabel lernen.“ An ihrem Standort würden voraussichtlich rund 20 von 70 Erstklasslern außerordentliche Schüler sein und in eine Deutschklasse kommen. „Diese Kinder werden ausgeschlossen vom Rechnen und vom Sachunterricht.“ Meist handle es sich dabei nicht um Flüchtlingskinder, sondern um solche aus bildungsfernen Schichten. Diese bräuchten nicht zuletzt fixe soziale Gruppen. „Wenn man diese Kinder von den anderen trennt, nimmt man ihnen das pädagogische Vorbild, das Sprachvorbild und auch das Vorbild an Lernkultur.“

(Bild: APA/DPA)

Erfahrungen mit reinen Flüchtlingsklassen an ihrer Schule hat die Direktorin der NMS Schopenhauerstraße in Wien-Währing, Erika Tiefenbacher. „Diese Kinder können heute schlechter Deutsch als jene Kinder, die in der Regelklasse waren.“ Weiteres Problem laut den Lehrern: Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben müssten die Kinder in NMS-Deutschklassen zwei Drittel des Unterrichts in der Deutschförderung verbringen. Damit würden sie aber aufgrund des fehlenden Fachunterrichts automatisch das Jahr verlieren. In vielen Fällen führe das dazu, dass sie keinen Hauptschulabschluss schaffen könnten.

 Demonstration vor dem Bildungsministerium
Am Samstagnachmittag soll es zusammen mit anderen Bildungs-Aktionsgruppen eine Demonstration mit Abschlusskundgebung am Minoritenplatz vor dem Bildungsministerium geben.

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