Mit ihrem Hau-Ruck-Beschluss, im Windschatten des WM-Auftakts den Zwölf-Stunden-Arbeitstag zu ermöglichen, hat die ÖVP-FPÖ-Regierung eine ebenso polarisierte wie intensive Debatte im Internet ausgelöst. Vertreter der Arbeitgeber werden nicht müde, mit teils bizarren Mitteln die Vorzüge der neuen Regelung zu betonen. Die Arbeitnehmer solidarisieren sich derweil in sozialen Netzwerken und bringen sich in Kampfstellung. Eine Bestandsaufnahme.
Den Vogel abgeschossen hat in der - selbstverständlich nicht nur online stattfindenden - Debatte um den 12-Stunden-Arbeitstag zweifellos die Wirtschaftskammer. Die Interessensvertretung der Unternehmer hat ein bizarres Animationsvideo auf YouTube hochgeladen, in dem ein fröhlicher Song der Öffentlichkeit offenbar näherbringen soll, wie alle Österreicher von der Ausdehnung der Arbeitszeiten profitieren. Den gewünschten Effekt hatte das Video allerdings nicht: Es löste einen beispiellosen Shitstorm aus.
WKO-Video verursachte veritablen Shitstorm
Bis Mittwochvormittag wurde es mehr als 200.000 Mal angesehen, Hunderte Male kommentiert und über 12.000 Mal bewertet. 291 positiven Bewertungen auf YouTube standen 12.003 negative Bewertungen gegenüber, als dieser Artikel entstand. In den Kommentaren stellt sich die Wirtschaftskammer hinter ihr Werk. Man sei überzeugt davon, dass flexible Arbeitszeiten ein Gewinn für alle Beteiligten seien. Die Nutzerreaktionen lesen sich anders: Erboste Arbeitnehmer posten Reaktionen wie „Gott im Himmel!“, „Welche Musiker haben sich dafür hergegeben?“ oder „Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte!“.
Solidaritäts-Profilbilder bei ÖGB und SPÖ
Während die Stimmungsmache der Wirtschaftskammer mit dem bizarren Musikvideo nach hinten los ging, rüsten sich auf Facebook die Arbeitnehmervertreter für Aktionen gegen den geplanten Zwölf-Stunden-Tag. Der österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) bietet auf seiner Facebook-Seite ein Tool, mit dem man auf Facebook sein Profilbild mit einem Statement gegen die Ausweitung der Arbeitszeiten versehen kann. Naturgemäß läuft auch die Opposition, allen voran die SPÖ unter Christian Kern, Sturm gegen die Ausweitung der Arbeitszeiten.
Opposition seziert Pläne der Regierung im Web
Neben Möglichkeiten zur Solidaritätsbekundung heizt die Opposition die Debatte mit einer Menge Kurzbotschaften an, seziert auf Facebook und Twitter regelrecht die Pläne der Regierung und stellt Regierungsvertreter und Funktionäre an den Pranger.
Strache spricht von „Hetze und Panikmache“
„Hetze und Panikmache“ ortet in diesen Postings der Opposition FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache auf Facebook. Das Posting, unter dem zahlreiche Wähler ihren Unmut über die neue Regelung äußern, endet mit einer offiziellen Presseaussendung der Wirtschaftskammer.
Auch in anderen Postings versucht Strache, seine durch die neue Regelung aufgeschreckte Facebook-Gefolgschaft zu beschwichtigen.
Der Kanzler schweigt auf Facebook
Auf der Facebook- und Twitter-Seite von ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz sind die Debatten über den Zwölf-Stunden-Arbeitstag indes kein Thema.
Seit Beschluss der Regelung am Donnerstag vergangener Woche hat der Bundeskanzler Fotos und Videos von Arbeits- und Staatsbesuchen gepostet, wiederholt einen strengeren Umgang mit Migranten gefordert und den von der Regierung durchgesetzten „Familienbonus“ beworben. Der Zwölf-Stunden-Tag war hier allenfalls Thema in den Kommentaren wütender Bürger.
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