Im Parlament hat das Vorgehen der Regierung in Sachen Zwölf-Stunden-Tag zu einer regelrechten „Taferlschlacht“ geführt. Die Opposition äußerte sich empört, die Regierung hielt dagegen, dass man „gemäß der Geschäftsordnung des Nationalrates“ vorgehe. Der lautstarke Schlagabtausch wurde davon begleitet, dass die Abgeordneten Tafeln hochhielten, die die Positionen der Fraktionen untermauern sollten.
Neben dem Zwölf-Stunden-Tag an sich wurde vor allem das Vorgehen der Regierung kritisiert. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder beklagte, dass die Abgeordneten davon erst Donnerstagfrüh aus den Medien erfahren hätten. Niemandem im Hohen Haus sei der abgeänderte Abänderungsantrag zugegangen, mit dem noch am selben Tag das Vorhaben beschlossen werden soll. „Es wäre doch durchaus sinnführend, den Abänderungsantrag den Fraktionen in der Version zuzuführen, die stimmt“, so Schieder.
Für die SPÖ brachte Christian Kern einen Antrag auf eine Volksabstimmung über die Ausweitung der Arbeitszeit ein. Er kritisierte das Vorhaben der ÖVP-FPÖ-Regierung als die „massivste Verschlechterung seit drei Jahrzehnten“. Das Gesetz sei „ungerecht, unausgegoren und durch und durch unvernünftig“. „Wenn sie besonders lustig sind“, erklären Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ ) den Arbeitnehmern, dass das Gesetz für sie „grandios“ sei.
Strolz: „Ignoranz muss ein Ende haben“
NEOS-Klubobmann Matthias Strolz schloss sich der Kritik Schieders an. Er betonte, dass seine Fraktion grundsätzlich für das Vorhaben der Arbeitszeitflexibilisierung eintrete, das Vorgehen von ÖVP und FPÖ sei aber „keine Art des Zusammenarbeitens“, so seine Kritik. Auch er richtete sich an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP): „Ich möchte Sie bitten, auf die Mehrheitsfraktionen einzuwirken, dass diese Ignoranz ein Ende hat.“
Zudem verwies Strolz wie zuvor schon Schieder darauf, dass er mit dem gesamten Umgang der Regierungsfraktionen mit dem Thema nicht einverstanden ist: „Sie gehen bewusst den Weg der Ignoranz“, verwies er darauf, dass FPÖ und ÖVP das Gesetz als Initiativantrag eingebracht haben - und ohne Begutachtung über die Bühne bringen. „Ich erwarte von Ihnen, Herr Präsident, dass Sie hier entschlossener, klarer und überparteilich Partei ergreifen“, sagte er in Richtung Sobotka.
Rosenkranz: „Es ändert sich ja nur wenig“
FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz und ÖVP-Klubobmann August Wöginger wiesen die Kritik lautstark zurück. Man mache die Arbeit entlang der Geschäftsordnung des Nationalrates, sagte Wöginger - und werde den aktuellen Antrag nun ohnehin an die Fraktionen übermitteln. Man habe den Abänderungsantrag ja bereits am vergangenen Freitag vorgelegt, nun ändere sich nur wenig, meinte er: „Was sich jetzt ändert, ist die Frist des Inkrafttretens“, so der VP-Klubchef. Auch Rosenkranz pochte darauf, dass die Regierungsfraktionen entlang der Geschäftsordnung agierten: „Ich konnte nicht entnehmen, dass irgendein Vorgang geschäftsordnungswidrig gewesen wäre.“
„Menschen freuen sich“
Was das Gesetz selbst angehe, so erklärte Rosenkranz, Menschen würden sich auf die neuen Regelungen „freuen“. Von einer „Win-Win-Situation“ und einem „guten, ausgewogenem Gesetz für bei Seiten“ sprach auch August Wöginger. Das Vorziehen des Inkrafttretens begründet er damit, dass mit dem Gesetz „Arbeiterrechte“ abgesichert würden.
Schieder entgegnete, Wöginger sitze hier einem „Irrtum“ auf: „Das ist keine kleine Änderung. Und es wäre durchaus angebracht, dass wir - bevor wir in die Tagesordnung eingehen - schriftlich erfahren, was denn hier geplant ist. Es ist nicht okay, dass man sagt, lest die Zeitung, weil dort haben wir es eh schon verlautbart. So wie Sie vorgehen, wird der ganze parlamentarische Prozess schlechtgemacht.“
Liste Pilz: „Entspricht nicht den Usancen“
Liste-Pilz-Klubchef Wolfgang Zinggl betonte, dass diese „Vorgänge außerhalb des Hauses“ nichts mit der Geschäftsordnung zu tun hätten. Zum Vorgehen der Regierungsfraktionen sagte er: „Ja, es entspricht der Geschäftsordnung, aber nicht den Usancen des Hauses.“ Die Fraktionen hätten ein Recht darauf, von Abänderungsanträgen rechtzeitig zu erfahren, damit man auch innerhalb der Fraktionen zeitgerecht darüber diskutieren kann. Daniela Holzinger-Vogtenhuber von der Liste Pilz machte zudem auf die Probleme für Familien aufmerksam. Die Regierung nehme „null Rücksicht auf die Gesundheit, null Rücksicht auf die Vereinbartkeit von Beruf und Familie, null Rücksicht auf die Kinder“. Auf der anderen Seite werde der Ausbau der Kinderbetreuung zurückgeschraubt.
Sobotka: „Taferl hochhalten nicht übertreiben“
An Sobotka stellte er die Frage, wie er die Wertschätzung des Hohen Hauses angesichts dieses Vorgehens sieht. Nach einer kurzen Stehpräsidiale wurde dann die Sitzung mit dem ersten Tagesordnungspunkt - der Fragestunde an Sportminister Heinz-Christian Strache (FPÖ) - fortgesetzt. Sobotka (ÖVP) sowie die Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) mahnten die Abgeordneten, es mit dem Hochhalten der Tafeln nicht zu übertreiben. Sobotka verwies auf die übliche Vorgangsweise im Hohen Haus: „Es ist die Usance, das 30 Sekunden zeigen zu dürfen“, richtete er den Abgeordneten aus.
200 Demonstranten vor dem Parlament
Vor dem Parlaments-Ausweichquartier in der Hofburg waren unterdessen in der Früh rund 200 Demonstranten dem Aufruf der Jungen Generation der SPÖ gefolgt und demonstrierten lautstark gegen den Zwölf-Stunden-Tag. Unter den Teilnehmern waren auch mehrere Oppositionsabgeordnete, unter ihnen etwa SP-Klubchef Schieder.
Beschluss am „Tag der Workaholics“
Die Koalition hat das Datum für den Beschluss der Arbeitszeitverlängerung gut gewählt, wenn auch wohl unfreiwillig - denn der 5. Juli gilt als „Tag der Workaholics“. Ausgehend von den USA wird das Datum seit einigen Jahren für den Hinweis genutzt, dass zu viel Arbeit auch schädlich sein kann. Wer den Bedenktag erstmals ausgerufen hat, ist allerdings unbekannt.
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