Nach der Erhöhung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden befürchten Gewerkschaft und SPÖ „den nächsten Anschlag auf die Arbeitnehmer“. Mit diesen drastischen Worten kommentierte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher am Wochenende einen „profil“-Bericht über eine Liste der Wirtschaftskammer mit EU-Richtlinien, die in Österreich „übererfüllt“ seien - darunter auch die fünf Urlaubswochen. In der EU sind nämlich vier Wochen Urlaub gesetzlich verankert. Deswegen befürchten Arbeitnehmerverteter nun eine Angleichung in Österreich. Sowohl Arbeitgebervertreter als auch das Sozialministerium betonen, dass dies keineswegs geplant sei. Die FPÖ zeigt sich empört und fordert die Einstellung der „SPÖ-Lügenpropaganda“.
Generalsekretär und EU-Mandatar Harald Vilimsky tobte am Dienstag: „Es ist ein Armutszeugnis der Sonderklasse, wie Lercher und die roten Gewerkschaftsbonzen Unwahrheiten bezüglich der fünften Urlaubswoche und des 13. und 14. Gehalts verbreiten.“ Gleichzeitig betonte Vilimsky, dass beides mit einer FPÖ in der Regierung niemals angerührt werde.
Er sprach von einem „unwürdigen roten Spiel mit Unwahrheiten“, das zu Aktionen wie jener mit Pflastersteinen und Grablichtern führe. „SPÖ und ÖGB säen Hass und ernten Gewalt“, konstatierte Vilimsky: „Damit muss endlich Schluss sein. Ich fordere den ÖGB auf, die Funktionäre, die für diese Aktion verantwortlich sind, auf der Stelle zu entlassen.“
Sozialministerin: „Gipfel von Demagogie und Desinformation“
Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) kritisierte zudem in einer Montagnacht versendeten Aussendung, dass Lercher Schwangere zur Zielscheibe von Verunsicherungen mache. Er behaupte bewusst fälschlich, dass es in Hinkunft keinen ausreichenden Kündigungsschutz mehr für Mütter bis vier Monate nach der Entbindung geben soll, und spreche von Massenentlassungen. „Das ist für mich als zweifache Mutter und sozial engagierte Bundesministerin der Gipfel von Demagogie und Desinformation.“
ÖVP: „Das ist keine seriöse Politik, nur Angstmache“
Auch die ÖVP zeigte sich verärgert über die „Angstmache“ des ÖGB und der SPÖ. Die Sozialabbau-Warnungen hätten „nichts mehr mit seriöser Politik zu tun“, erklärte ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer. „Zuerst wurde behauptet, dass die Regierung Krankenhäuser schließen will, danach behauptet, dass der generelle Zwölf-Stunden-Tag eingeführt werden soll, und zuletzt, dass die fünfte Urlaubswoche abgeschafft werden soll. Das ist alles falsch und entspricht nicht der Wahrheit“, betonte Nehammer. Dies verunsichere die Menschen, die sich dann völlig unnötig Sorgen machten.
Anlass für die Aufregung ist eine Auflistung von Beispielen für „Gold-Plating“ (= Übererfüllung) von EU-Vorgaben, die die Regierung gesammelt hat und deren Inhalt inzwischen durchgesickert ist. Die Wirtschaftskammer führte dabei auch die fünfte Urlaubswoche mit folgendem Vermerk an: „Mehrkosten; die Unternehmen sind verpflichtet, die Dienstnehmer trotz Abwesenheit zu bezahlen.“ Als „unnötige Einschränkung des Kündigungsrechts“ wird der Schutz während des Mutterschutzes bezeichnet. Die entsprechende EU-Richtlinie lasse nämlich in Ausnahmefällen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses „im Rahmen einer Massenentlassung“ zu.
Wirtschaftskammer: Rückschritt wäre laut EU-Recht gar nicht möglich
Die Wirtschaftskammer hat inzwischen betont, dass dergleichen nicht geplant sei. Selbst wenn man es wolle, könne man die fünfte Urlaubswoche nicht streichen: Artikel 23 der EU-Arbeitszeitrichtlinie („Rückschrittsklausel“) untersage nämlich Rückschritte bei rechtlichen Regelungen, die schon vor EU-Beitritt Geltung hatten.
Die aufgetauchte Liste von übererfüllten Richtlinien ist im Rahmen des „Gold-Plating-Projekts“ des Jusitzministeriums erstellt worden. Bis Mitte Mai hatte das Ministerium entsprechende Hinweise von Interessensvertretern gesammelt. In einem weiteren Schritt sollen die einzelnen Ministerien nun bis 5. September melden, welche dieser Bestimmungen aufgehoben werden können.
Justizministerium: Urlaubszeit und Mutterschutz werden nicht angefasst
Die Ministerien sollen die Liste nun nach einem Ampelsystem in drei Kategorien einteilen: „grün“ (eine Regel kann sofort zurückgenommen werden), „gelb“ (muss näher geprüft werden) und „rot“ (wird auf keinen Fall zurückgenommen). „Grün“ wäre aus Sicht des Justizministeriums die Milchmeldeverordnung, „rot“ die Urlaubszeit und der Mutterschutz. Ein Gesetzesentwurf mit den Bestimmungen, die auf EU-Mindestnormen zurückgenommen werden, soll im zweiten Halbjahr folgen.
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