Wirbel um Schächtungen

SP-Landesrat wollte Namensliste von Juden

Österreich
18.07.2018 10:44

Für Riesenaufregung und eine Welle der Empörung hat die Meldung der „Wiener Zeitung“ gesorgt, wonach die Freiheitlichen „eine Liste von Juden“ führen wollten, die in Niederösterreich koscheres Fleisch kaufen. Nach Recherche der „Krone“ stellte sich aber heraus: Dieser Vorschlag für eine Meldepflicht stammt vom 20. September 2017 und wurde in einem Informationsschreiben des damaligen SPÖ-Landesrats Maurice Androsch an die Bezirkshauptmannschaften ausgeschickt. Landesrat Gottfried Waldhäusl sagte im Gespräch mit der „Wiener Zeitung“ bloß, dass er generell gegen Schächtungen eintrete. Die Berichterstattung und die Weiterverbreitung auf Social Media sorgte europaweit für Aufsehen, auch die israelische Tageszeitung „Haaretz“ schrieb darüber, dass „Österreichs Regierung wieder Listen über Juden führen will“ - was unkorrekt ist.

In einem Schreiben aus dem Büro des früheren Landesrates an die Bezirkshauptmannschaften vom September des Vorjahres gehen die genauen Rahmenbedingungen rund um das Schächten von Tieren hervor. So sei für die Bewilligung von betäubungslosem Schlachten „das Vorliegen zwingender religiöser Gebote oder Verbote eine unabdingbare Voraussetzung“, hieß es darin. Das Schächten wird also als Teil der Religionsausübung angesehen. Das bedeutet natürlich, dass der Glaube nicht nur vorgeschoben sein darf, um eine derartige Schlachtung durchzuführen, und auch das bloße Religionsbekenntnis alleine reiche nicht aus, um eine Bewilligung für das Schächten zu erhalten.

Maurice Androsch (Bild: APA/Herbert P. Oczeret)
Maurice Androsch

Auszüge aus Mitgliederverzeichnis
Allerdings war man sich bereits damals bewusst, dass eine Auflistung der Antragssteller in diesem Fall notwendig sein wird. Die Durchführung in der Praxis stellte sich der frühere Landesrat dabei wie folgt vor: etwa durch Auszüge aus einem Mitgliederverzeichnis, die Vorlage eines Meldezettels, auf dem das Religionsbekenntnis vermerkt ist, sowie ähnliche Dokumente, aus denen sich die Religionszugehörigkeit ablesen lässt. Doch auch der tatsächliche Bedarf an geschächtetem Fleisch müsse jeweils „nachvollziehbar“ dargelegt werden, heißt es in dem Schreiben weiter - und habe „nur im unbedingt notwendigen Ausmaß zu erfolgen“.

(Bild: "Krone")
(Bild: "Krone")
(Bild: "Krone")

Das Informationsschreiben war eine der letzten Amtshandlungen von Androsch als niederösterreichisches Regierungsmitglied. Androsch hatte am 20. September 2017 seinen letzten Arbeitstag als Landesrat. Am 21. September folgte ihm SPÖ-Landesvorsitzender Franz Schnabl in dieser Funktion, der nach der Landtagswahl im Jänner dieses Jahres zum Landeshauptfrau-Stellvertreter aufgestiegen ist.

Am Mittwoch meldete sich auch Androsch selbst in der Causa zu Wort. Besagtes Informationsschreiben habe „nichts mit dem aktuellen Plan von Waldhäusl zu tun“, stellte der SPÖ-Tierschutzsprecher klar. Vielmehr würde das Schreiben den Behörden das Tierschutzgesetz erläutern, „wo es um die Schlachtung geht und religiöse Ausnahmen vom betäubungslosen Schlachten“. „Die Information bezieht sich ausschließlich auf jene Personen, die Schlachtungen durchführen“, stellte Androsch klar. Waldhäusl aber „will Listen von jenen Menschen anlegen, die geschächtetes Fleisch kaufen“.

„Derartiges wird es nicht geben“
Der geplante Erlass der FPÖ ist, wie berichtet, noch nichts rechtskräftig. Eine Umsetzung würde „sicher nicht passieren“, hieß es etwa aus dem Büro von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Auch der ÖVP-Klubobmann im Landtag, Klaus Schneeberger, hatte bereits am Dienstagabend erklärte, es werde künftig „selbstverständlich niemand registriert“, der koscheres Fleisch kaufen wolle. „Derartiges wird es nicht geben“, so Schneeberger.

Schlagabtausch auf Social Media
Auf den Social-Media-Kanälen wird das Thema jedenfalls weiterhin hitzig diskutiert. So äußerte sich etwa SPÖ-Chef Christian Kern via Facebook und Twitter überaus kritisch: „Der niederösterreichische FPÖ-Landesrat Waldhäusl schlägt ernsthaft vor, dass sich Juden und Muslime, die geschächtetes Fleisch kaufen wollen, registrieren müssen. Diese Registrierung erinnert an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte. Hätte Waldhäusl Anstand, müsste er sofort zurücktreten. Viel schwerer wiegt aber das dröhnende Schweigen des Bundeskanzlers zu den permanenten Attacken der FPÖ gegen die Grundsäulen unserer Republik“, so Kern.

ÖVP fordert Entschuldigung von Kern
Prompt folgte danach die Reaktion seitens der ÖVP. Generalsekretär Karl Nehammer forderte Kern dazu auf, Kanzler Sebastian Kurz für die Attacken um Entschuldigung zu bitten und zudem Verantwortung für seine eigene Partei zu übernehmen. „Für die Politik von SPÖ-Landesräten ist immer noch Kern selbst verantwortlich“, so Nehammer. „Der SPÖ-Chef soll sich lieber um seine eigene Partei kümmern, als andere zu kritisieren. Immerhin wissen wir ja jetzt, von wem die Pläne zur Eindämmung von Schächtungen und dem Registrieren von jüdischen Mitbürgern kommen, nämlich von der SPÖ“, meinte der Generalsekretär. „Kern sollte endlich einsehen, dass Methoden wie das Verbreiten von Unwahrheiten zu Recht nach hinten losgehen.“

Karl Nehammer, ÖVP (Bild: APA/Georg Hochmuth)
Karl Nehammer, ÖVP
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