Nach FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat krone.at jetzt SPÖ-Obmann Christian Kern zum großen Sommer-Interview gebeten. Bei brütenden Temperaturen sprach unsere Kolumnistin Katia Wagner mit dem Oppositionschef über die Linie der Regierung, europäische Asylpolitik, das „Hotel Mama“, Fußball und Sangria. Deutlich wurde Kern ein weiteres Mal vor allem beim Thema Migration: Jede Partei sei der Meinung, dass die Zuwanderung begrenzt werden muss. Doch „am Ende wird uns keine Mauer helfen“, ist der Sozialdemokrat überzeugt.
36 Grad an diesem Montag im Wiener Volksgarten. Das krone.tv-Team hat dem ehemaligen Bundeskanzler schwitzend einen Empfang mit Partyzelt und Wasser bereitet. Die Hitze macht uns zu schaffen. Kern eher nicht, es sieht zumindest nicht so aus. Oder der Kärnten-Ibiza-Urlaub wirkt noch nach.
Verständnis für Sangria-Abfuhr
Zur Eröffnung will Moderatorin und krone.at-Kolumnistin Katia Wagner gleich wissen, ob Kern der Sager von Strache (vergangene Woche im Sommer-Talk), keine Sangria mit dem SPÖ-Chef trinken zu wollen, getroffen habe. „Bei allem Respekt“, verneint der 52-Jährige. Es sei nur zu verständlich, dass man den Urlaub lieber in Ruhe mit seiner Familie genießt. Die Retourkutsche lässt Kern aus. Ohnehin seien „persönliche Emotionen in diesem Geschäft unangebracht“.
„FPÖ-Tonfall hat sich nicht geändert“
Nächstes Thema: FPÖ. „Die FPÖ macht weiterhin Oppositionspolitik“, kritisiert der Oppositions-Chef. „Der Tonfall hat sich nicht geändert.“ Und was Österreich einmal groß gemacht habe, das Gemeinsame, das hätten die Freiheitlichen in ihrer Koalition mit der Kurz-ÖVP jetzt quasi auf dem Gewissen. Kern geht vor allem das „Drüberfahren“ über die Sozialpartner (Stichwort Arbeitszeitflexibilisierung) gegen den Strich. Es werde hier einfach der „Konsens der Zweiten Republik aufgekündigt“, sagt er. Diesen Konsens wird es früher oder später brauchen - spätestens, wenn im Herbst Gesetze wie eine Föderalismusreform oder ein neues Energiewirtschaftsgesetz auf den Weg gebracht werden sollen, die eine Zweidrittelmehrheit benötigen.
„Hier noch einigermaßen kostengünstig“
Die Regierung habe auch noch Zeit gewisse Maßnahmen vorzulegen, die die SPÖ mittragen wolle. Die Mieten seien zum Beispiel viel zu hoch. Dass jemand deswegen „mit 35 noch im ,Hotel Mama‘ wohnt, dagegen muss man etwas tun“. Wobei man in Wien im Verhältnis zu anderen Metropolen mit dem Sozialen Wohnen sogar noch gut bedient sei: „Die Wahrheit ist, hier kannst du noch einigermaßen kostengünstig wohnen.“ Dennoch gebe es bei den Gebühren noch viele Möglichkeiten, das Mieter-Börsel zu entlasten. Die Makler- oder Versicherungsgebühren könnte zum Beispiel der Eigentümer übernehmen, so Kern, der auch grundsätzlich für eine Mietpreisgrenze eintritt.
„Zuwanderung begrenzen, aber …“
Dann geht es ans Eingemachte: Die Zuwanderung muss begrenzt werden, keine Frage - das weiß auch Kern. Aber - und dieses Aber betont der SPÖ-Chef: Die Genfer Flüchtlingskonvention (die den rechtlichen Status von Flüchtlingen regelt, Anm.) müsse in jedem Fall eingehalten werden. Das sei „eine Lektion, die wir nach zwei Weltkriegen gelernt haben“. Und das sieht Kern offenbar durch die Politik von Türkis-Blau gefährdet: Menschen, die tatsächlich Schutz brauchen, könnten durch den Rost fallen und schlicht „ersaufen“, wie er es bereits in einem anderen Interview ausdrückte.
Spitze des Eisbergs
Die Bilder - etwa jene, die uns zuletzt ein weiteres Mal aus der spanischen Enklave Ceuta erreichten - dürften dabei sprichwörtlich nur die Spitze des Eisberges sein. Selbst die Flüchtlingsmassen aus dem Jahr 2015 werden in Zukunft in den Schatten gestellt werden. Wovor Experten bereits seit Jahren warnen, greift im krone.at-Talk auch Kern auf. „Der Klimawandel ist eine Realität - und am Ende wird uns keine Mauer helfen“, ist der Politiker sicher.
„Dem Hans ist der Kragen geplatzt“
Bei dem Thema sei ja auch zuletzt „dem Hans (Niessl, Anm.) der Kragen geplatzt“. Man müsse endlich aufhören, „Sozialdumping“ zu betreiben, und sich vor allem um jene Migranten kümmern und integrieren, die bereits hier sind, ihnen Zugang zu Arbeit und Bildung verschaffen. Kern erwähnt hierzu erste Schritte hin zu einer neuen europäischen Agentur für Arbeit, die man zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron im EU-Parlament gesetzt habe. Die Agentur solle kontrollieren und „allen auf die Finger schauen“, um faire Bedingungen zu schaffen und so Sozialmissbrauch zu bekämpfen.
Massive Zweifel an der Fußball-These
Apropos Arbeit: Kern schätzt, dass er selbst um die 70 Stunden pro Woche arbeitet. Allerdings freiwillig, wie er in Richtung Regierung bemerkt. Weiters würde er mit seinem Nachwuchs über den Berufswunsch „Politiker“ dann doch eindringlich diskutieren („vorher was G‘scheites lernen“), will Populismus nicht gänzlich verteufeln („kommt auf den Einzelfall an“) und kauft Sebastian Kurz seine angebliche doppelte Wiener Fußball-Fanschaft (Rapid UND Austria) nicht ab. „Wenn Sie Fußballfan wären, wüssten Sie, wie gelogen das ist …“ Alle Details im Video oben!
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