„Ohne Vorwarnung“

Menschen mit Behinderung: Aus für Familienbeihilfe

Österreich
28.08.2018 21:10

Seit der Reform der Mindestsicherung unter der türkis-blauen Regierung häufen sich bei den Ombudsstellen für Menschen mit Behinderungen Beschwerden über Entscheidungen der Finanzämter. Denn in den letzten Wochen wurde vielen die erhöhte Familienbeihilfe aberkannt. Grund dafür: eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahr 2013, wonach Personen, deren Lebensunterhalt überwiegend durch die öffentliche Hand sichergestellt ist, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe haben sollen. Bislang wurde dies bei Menschen mit Behinderung als nicht gegeben angesehen. Somit wurde ihnen die erhöhte Familienbeihilfe inklusive Absetzbetrag von aktuell insgesamt EUR 379,40 pro Monat weiter ausbezahlt. Dies soll nun nicht mehr so sein. Das Familienministerium kündigte nach Bekanntwerden der Kürzungen umgehend einen Stopp der Exekution der Gerichtserkenntnisse sowie eine gesetzliche Reparatur an. Bereits am Mittwoch werde ein entsprechendes Schreiben an die Finanzämter ergehen.

„Völlig überraschend und ohne jegliche Vorankündigung oder Diskussion darüber hat das zuständige Bundeskanzleramt die bisherige Rechtsauslegung geändert und streicht in Zukunft wohl Tausenden behinderten Personen einen wesentlichen Teil ihres Einkommens“, zeigt sich der Vorsitzende der Länderkonferenz der Ombudsstellen für Menschen mit Behinderungen, Siegfried Suppan, im Online-Magazin „Bizeps“ fassungslos. Denn mit der Entscheidung, die bisher geltende Regelung zu kippen, fällt auch die pauschalierte Abgeltung behinderungsbedingter Mehraufwendungen, wie etwa Selbstbehalte für Therapien oder Behandlungs- und Pflegekosten, weg.

(Bild: Firma V/stock.adobe.com)

Dies treffe besonders jene Menschen, die in Behindertenwerkstätten oder in Einrichtungen und Betrieben der Behindertenhilfe nur geringfügige Taschengeldzahlungen erhalten - und daher auf die öffentliche Unterstützung angewiesen sind. „Ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben wird so kaum noch finanzierbar sein. Damit führt man das Bekenntnis zur gleichberechtigten Teilhabe in der Gesellschaft ad absurdum", kritisiert Suppan. 

Familienministerin Bogner-Strauß: „Wir lassen das so nicht zu“
Eine Reaktion des Familienministeriums ließ nach Bekanntwerden der Kürzungen nicht lange auf sich warten. „Die Konsequenzen der Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisse ist für uns nicht hinnehmbar. Wir lassen das so nicht zu. Eine Schlechterstellung von behinderten Kindern wird es mit uns nicht geben. Wir arbeiten intensiv an einer raschen Reparatur des Gesetzes. Die bereits ausgestellten Bescheide werden weder exekutiert noch eingemahnt werden. In diesem Zusammenhang kommt es zu keiner Ausstellung neuer Bescheide seitens der Finanz“, sagte Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP). 

Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (Bild: Martin A. Jöchl)
Familienministerin Juliane Bogner-Strauß

Warum die Gerichtserkenntnisse erst jetzt und ohne Vorankündigung exekutiert wurden, war vorerst nicht zu eruieren. Aus dem Ministerium habe es jedenfalls keine entsprechende Order gegeben, wurde versichert.

(Bild: Roland Muehlanger)

SPÖ: „Ausländerthematik wird vorgeschoben, um Sozialleistungen zu kürzen“
Dass die umstrittene Reform der Mindestsicherung besonders Österreicher und Österreicherinnen trifft, betont auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher in einer Aussendung. Er widerspricht der Aussage von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) im ORF-„Sommergespräch“, dass die Mindestsicherung nicht gekürzt werde. So wird wegen ÖVP und FPÖ eine österreichische Alleinerzieherin von drei Kindern in der Mindestsicherung bald für ihr jüngstes Kind nur mehr 1,50 Euro pro Tag bekommen, stellt Lercher fest.

(Bild: APA/Helmut Fohringer)

„Was Strache daran als gerecht empfindet, ist mir rätselhaft. Wie soll diese Mutter mit 1,50 Euro am Tag ihr Kind ernähren? Die Regierung betreibt immer wieder dasselbe neoliberale Spiel: Die Ausländerthematik wird vorgeschoben, um Sozialleistungen für alle zu kürzen. Als ob das Bedienen von ausländerfeindlichen Ressentiments nicht schon schlimm genug wäre, verwenden sie diese auch noch, um davon abzulenken, dass die Leistungskürzungen sehr wohl auch ÖsterreicherInnen treffen werden“, kritisiert der SPÖ-Bundesgeschäftsführer.

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