"Mit dem Ende der Semperit verliert die Stadt auch ein großes Stück ihrer stolzen Geschichte aber auch generell ihrer Identität", meinte Bürgermeister Fritz Knotzer (SPÖ) und betonte: "Nahezu jede Traiskirchner Familie war entweder direkt oder indirekt über Verwandte oder über Zulieferbetriebe mit der Semperit verbunden."
Andererseits gebe es aber auch schon Zukunftspläne für das Areal. Es würde sich "ausgezeichnet für einen neuen zentralen Logistikstandort des Bundesheeres eignen" - sozusagen "Semper IT". Die Pläne wurden Anfang Juli 2009 vorgestellt.
"Das Kapital sitzt am längeren Ast"
Knotzer zitierte auch den langjährigen früheren Betriebsratsvorsitzenden Rudolf Neubauer, der anlässlich eines großen früheren Arbeitskampfes einmal gesagt hatte: "Dieser Arbeitskampf hat aber auch gezeigt, dass das Kapital am stärkeren Ast sitzt. Der große Verdienst von uns Semperitlern war, dass es uns gelungen ist, die derzeitig weltweite arbeitnehmerfeindliche Entwicklung zum großen Thema in Österreich zu machen."
Bereits im Jahr 1994 gingen in der Forschung- und Entwicklungsabteilung in Traiskirchen die Lichter aus. Einen ersten Schließungsversuch des kompletten Werks durch den damaligen Vorstandsvorsitzenden von Grünberg 1996 konnte der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky abwenden. Nach Kosteneinsparungen von rund einer halben Milliarde Schilling (36,3 Mio. Euro) konnte das Werk - dank der guten Autokonjunktur - noch einmal Fuß fassen.
Rekordgewinne wurden geschrieben, die Beschäftigtenzahl schnellte noch einmal auf rund 1.800 in die Höhe. Conti begann aber systematisch seine Fertigungskapazitäten an den billigeren Standorten Tschechien, der Slowakei und Rumänien auszubauen.
"Schüssel hat das nicht interessiert"
Fünf Jahre später, 2001, stand erneut ein Schließungsauftrag bevor, obwohl die Semperit damals kein Sanierungsfall war und mit Gewinn bilanzierte. Damals hätte dies "die Regierung mit dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nicht interessiert", so der Arbeiterbetriebsratsvorsitzende der Semperit Reifen GmbH Alfred Artmäuer, der auch betonte, dass es nicht mehr genügen würde Gewinne zu schreiben, sondern vielmehr zähle, "dass die Gewinnzahlen zweistellige Prozentsätze ausweisen".
In der zweiten Jahreshälfte 2002 wurde es ernst und die Reifenproduktion geschlossen, was mehr als 1.000 Mitarbeitern den Job kostete. Die Marke Semperit wurde von Conti behalten. Es verblieben nur Vertrieb und Gummimischung. Die laut Artmäuer "hoch profitabel" gewesen wäre und jährliche Bilanzgewinne ausgewiesen hätte.
Der aus dem Lateinischen stammende Kunstname des Traiskirchner Hauptprodukts, Semperit ("er geht immer"), tauchte im Jahr 1902 zum ersten Mal auf und wurde innerhalb kürzester Zeit zum Synonym für Gummi aus Österreich. Vor hundert Jahren hatte Josef Miskolczy, ein Pionier der österreichischen Kautschukindustrie, das "Schlössel", die ehemalige Grünmühle in Traiskirchen, erworben. Er wollte die Produktion von Gummiwaren, für die seine Meidlinger Fabrik zu klein geworden war, ausweiten.
4.700 Beschäftigte in den "Goldenen Siebzigern"
Zu seinen besten Zeiten, Anfang der 70er Jahre, war Semperit der zweitgrößte private österreichische Industriekonzern mit 4.700 Beschäftigten allein in Traiskirchen. Ursprünglich gehörte auch die Herstellung von Gummihandschuhen und Gummischläuchen zu dem Konzern. Diese Produktion entwickelte sich zur börsenotierten Semperit AG Holding (Wimpassing).Dass die frühere Semperit Reifen AG 1985 von der damals größten heimischen Bank, der Creditanstalt (CA), zum viertgrößten Reifenerzeuger der Welt wanderte, war eine Ironie der Geschichte. Als man damals einen Investor für die mit massiven öffentlichen Geldern am Leben gehaltene Fabrik suchte, fand man in der deutschen Continental AG einen Eigentümer, der am Semperit-Vorläufer schon vor 1912 beteiligt gewesen war.
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