Die bevorstehende Abschaffung der Lehre für Asylwerber hat am Montag die gesammelte Opposition auf den Plan gerufen. Vertreter von SPÖ, NEOS und Liste Pilz riefen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dazu auf, es sich noch einmal anders zu überlegen und von einer „herz- und hirnlosen Politik“ abzusehen. Eine Petition gegen die Abschaffung wurde bisher schon von rund 61.000 Menschen unterschrieben.
Die entsprechenden Pläne der Regierung, den im Jahr 2012 vom damaligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) vollzogenen Erlass, der Asylwerbern eine Lehre in Mangelberufen ermöglicht, aufzuheben, sind schon länger bekannt. Nach Informationen der Opposition soll Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) aber bereits diese Woche ernst machen.
Anschober: „Ausbildung ist eine Chance, um Asylwerber rascher zu integrieren“
Derzeit lernen rund 1000 Flüchtlinge einen Beruf. Egal ob Gastgewerbe, Handel oder Industrie: Bundesweit werden 17.000 offene Lehrstellen angeboten, die schwer zu besetzen sind. „Unerträglich“ fände das der grüne oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober, der sich seit Monaten gegen die Abschiebung von Lehrlingen engagiert und auch eine Petition aufgestellt hat, die mittlerweile von rund 61.000 Menschen unterstützt wird, unter ihnen auch etliche ÖVP-Alt- und Lokalpolitiker. Ginge es nach dem Grün-Politiker, sollte Kurz die Angelegenheit nun zur Chefsache machen. Für Anschober ist eine Ausbildung eine Chance, um geeignete Asylwerber rasch zu integrieren und zu Beitragszahlern zu machen.
Rendi-Wagner: „Abschaffung gesundheitspolitisch verantwortungslos“
So sieht das auch die SPÖ-Abgeordnete Pamela Rendi-Wagner, die dem Regierungschef riet, sich noch einmal die Fakten anzusehen. Denn die Abschaffung der Lehre sei auch gesundheitspolitisch verantwortungslos. Längst sei bekannt, dass bei Flüchtlingen Integration am Arbeitsmarkt mit einem geregelten Tagesablauf besser gegen posttraumatische Belastungsstörungen helfe als psychotherapeutische Maßnahmen.
Schellhorn: „Menschlichkeit bei Regierung verloren gegangen“
Gastronom und NEOS-Mandatar Sepp Schellhorn, der in seinen Betrieben selbst etliche Flüchtlinge ausgebildet hat, beklagte, dass bei dieser Regierung jede Menschlichkeit verloren gegangen sei. Er kenne vier Flüchtlinge, die im Einvernehmen mit dem Lehrherrn ihre Lehre abgebrochen hätten und in den Untergrund gegangen seien, weil ihnen die Abschiebung und damit auch die Abholung vom Arbeitsplatz drohe. Schellhorn forderte vehement eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte ein, die den Zuzug von Nicht-EU-Ausländern regelt.
Liste Pilz schlägt dreijährige Lehre nach deutschem Modell vor
Da ist Liste Pilz-Mandatarin Alma Zadic ganz bei ihm und man ist insgesamt seitens der Opposition auch der Meinung, dass es das deutsche Modell mit einer dreijährigen Lehre, an die sich zwei Jahre am Arbeitsmarkt anschließen, ehe eine Abschiebung infrage kommt, auch in Österreich geben müsste. Dass die Abschaffung der Lehre für Flüchtlinge rechtlich hält, bezweifelt Zadic, denn Österreich sei EU-rechtlich verpflichtet, ab einer gewissen Verfahrensdauer den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Als eine Vertreterin jener Betriebe, die Flüchtlinge ausbilden, war Trachten-Unternehmerin Gexi Tostmann bei der Pressekonferenz zu Gast. In der Sache war sie ganz bei der Opposition, stilistisch hätte sie sich in der Form des Protests auch anderes vorstellen können: „Ich komme aus der 68er-Generation, wir hätten andere Sachen gemacht als hier sitzen und sagen, was besser wäre.“
Martina Münzer, Kronen Zeitung/krone.at
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