Hacker und Krieger

Militärgeheimdienst GRU: Wer sind Putins Piranhas?

Digital
05.10.2018 12:48

Der Überläufer Wladimir Resun verglich ihn einst mit einem Piranhabecken: Russlands Militärgeheimdienst GRU (Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije) kommt nicht aus den Schlagzeilen. Unter anderem Großbritannien, Kanada und Australien warfen der Moskauer Einrichtung am Donnerstag groß angelegte Cyberattacken in aller Welt vor. Großbritannien macht den GRU überdies für den Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal verantwortlich.

Die Liste der Anschuldigungen ist lang - aber über das Innenleben des Militärgeheimdiensts ist kaum etwas bekannt. Wer steckt hinter den mächtigsten Spionen Moskaus?

 Mächtige Institution in Putins Militär 
Der offiziell „Hauptverwaltung der Aufklärung“ genannte Geheimdienst wurde 1918 nach der Revolution von der Sowjetführung ins Leben gerufen. Lange Zeit galt der GRU als Rivale des sowjetischen Geheimdienstes KGB. Doch seit der Auflösung des KGB ist der GRU die Nummer eins unter den Moskauer Geheimdiensten.

An der Spitze steht seit zwei Jahren Igor Korobow, der auf ein breites Netzwerk an Agenten im Ausland sowie auf eine militärische Eliteeinheit namens Speznas zurückgreifen kann. Korobow und dessen Stellvertreter Sergej Gisunow wurden im September von den USA wegen „bösartiger Aktivitäten“ mit Sanktionen belegt.

Die genauen Strukturen, Mitarbeiterzahlen und die finanzielle Ausstattung sind streng geheim. Aussagekräftig ist jedoch das Wappen der Spione: eine schwarze Fledermaus, die über einer Weltkugel kreist.

 Weltweite Cyber-Angriffe 
Westlichen Angaben zufolge steht der GRU hinter einer riesigen Zahl von Hackern, die weltweit Cyber-Angriffe ausgeführt haben sollen. Russland bestreitet die Vorwürfe.

Jüngstes Beispiel sind die Anschuldigungen Großbritanniens, Kanadas und Australiens, wonach der Militärgeheimdienst hinter großflächigen Attacken auf staatliche Behörden und internationale Einrichtungen wie die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag stecken soll. Die niederländische Regierung wies wegen der vereitelten Attacke vier Russen wegen Spionageverdachts aus.

(Bild: stock.adobe.com)

Vom GRU gesteuerte Hacker sollen sich auch in den US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 eingemischt haben. US-Sonderermittler Robert Mueller, der den Vorwürfen nachgeht, erhob deshalb im Juli Anklage gegen zwölf mutmaßliche GRU-Mitarbeiter.

 Giftanschläge und Kriegseinsätze 
Nach westlichen Angaben gehen die Aktivitäten der Moskauer Spione indessen weit über die digitale Welt hinaus. Großbritannien macht den GRU für den Giftanschlag auf Skripal und dessen Tochter Julia in Salisbury verantwortlich. London sucht in dem Fall mittlerweile zwei GRU-Agenten mit Haftbefehl, Moskau dementiert die Vorwürfe.

Nach dem zweiten Vergiftungsfall innerhalb weniger Monate ging in Großbritannien die Nowitschok-Angst um. (Bild: APA/AFP/Chris J Ratcliffe)
Nach dem zweiten Vergiftungsfall innerhalb weniger Monate ging in Großbritannien die Nowitschok-Angst um.

Offiziere der Eliteeinheit Speznas sollen im Syrienkrieg die Truppen von Machthaber Bashar al-Assad trainiert haben - ebenso wie die Rebellen in der Ostukraine.

Überdies bringt der Westen den Militärgeheimdienst mit dem Abschuss von Flug MH17 vor vier Jahren über der Ukraine mit 298 Toten in Verbindung. Im Mai legte das von den Niederlanden geleitete internationale Ermittlerteam einen neuen Bericht vor und ordnete die eingesetzte Rakete erstmals einer russischen Militärbrigade zu. Russland gibt der Ukraine die Schuld an dem Abschuss.

Chefermittler Fred Westerbeke bei der Präsentation des Ermittlungsberichts. Im Vordergrund sind Teile jener Buk-Abwehrrakete zu sehen, die die Malaysia-Airlines-Maschine zum Absturz gebracht hat. (Bild: APA/AFP/ANP/Robin van Lonkhuijsen)
Chefermittler Fred Westerbeke bei der Präsentation des Ermittlungsberichts. Im Vordergrund sind Teile jener Buk-Abwehrrakete zu sehen, die die Malaysia-Airlines-Maschine zum Absturz gebracht hat.

Brutaler Umgang mit Verrätern
 
Der GRU ist berüchtigt für seinen brutalen Umgang mit Überläufern, nicht erst seit dem Fall Skripal. Aber werden Verräter auch getötet?

Russlands Staatschef Wladimir Putin hat dies bereits 2010 zurückgewiesen. Verräter würden „von alleine abkratzen“, sagte Putin. Zwar hätten die Geheimdienste zu Sowjetzeiten Verräter von Sondereinheiten umbringen lassen, doch diese Einheiten seien längst aufgelöst worden.

(Bild: AFP)

Mit Blick auf den Anschlag auf Skripal in Großbritannien betonte Putin unlängst: „Niemand musste dort irgendjemanden vergiften.“

Dennoch bleibt das Innenleben des GRU undurchsichtig. Wladimir Resun, ein in den 70er-Jahren übergelaufener Ex-Agent, stellte in einem halb autobiografischen Roman über das als „Aquarium“ bezeichnete GRU-Hauptquartier die Frage: „Welche Arten von Fischen schwimmen dort?“ Die Antwort: „Es gibt dort nur eine Art - Piranhas.“

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