„Keine echte Drohung“

Freispruch für Kerns Ex-Berater Rudi Fußi

Österreich
09.10.2018 13:44

Mit einem Freispruch hat am Dienstag der Strafprozess gegen den ehemaligen Redenschreiber und Berater von Ex-Kanzler Christian Kern, Rudi Fußi, geeendet. Fußi wurde vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen. Er hatte einer Dolmetscherin aus dem SPÖ-Wahlkampfteam, die er verdächtigte, Interna vor den letztjährigen Nationalratswahlen der ÖVP zugespielt zu haben, binnen siebeneinhalb Stunden 14 WhatsApp-Nachrichten geschickt. Nach Ansicht des Gerichts enthielten diese jedoch „keine konkreten Drohungen“. Fußi habe sich „kantiger Formulierungen“ bedient, es habe sich dabei aber um „situationsbedingte Unmutsäußerungen“ und keine Einschüchterungsversuche gehandelt. Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil berufen, daher ist der Freispruch noch nicht rechtskräftig.

„Egal, was dir die ÖVP dafür gegeben hat. Ich gebe dir das Doppelte und sorge dafür, dass dir rechtlich nichts passieren wird“, hatte Fußi der Übersetzerin Anna J. per WhatsApp nach Auftauchen vertraulicher Unterlagen der SPÖ in den Medien während des Wahlkampfs 2017 geschrieben. Die Frau sollte „auspacken“, dann werde er sie „schützen“, schlug er ihr vor. Als die Frau nicht in seinem Sinne reagierte, wurde Fußi unfreundlicher: „Sie (die SPÖ, Anm.) haben deine Telefonprotokolle. Und klagen dir den Arsch weg (...). Sie werden nie eine Ruhe geben. Morgen Deal oder ich kann dir nicht mehr helfen.“

„Die klagen dich in Grund und Boden“
Zuletzt hieß es dann: „Du kommst da auch nimma raus. Du bist die Einzige, die alle Mails bekommen hat. Glaub mir, so ein Leben willst nicht führen. Oder glaubst du, die Partei lässt dich in Ruhe, wenn du sie versenkst? Die klagen dich in Grund und Boden und zerren dich durch die Arena.“

Der Angeklagte schilderte vor Richter Wolfgang Etl seinen Gemütszustand im Vorjahr nach Auftauchen der vertraulichen E-Mails „aus dem Innersten der Sozialdemokratischen Partei und dem Innersten des Bundeskanzleramts“: „Man fragt sich, woher kommt das? Wurde man Opfer einer Cyberattacke, steckt ein Maulwurf dahinter? Die Stimmung im Team war dementsprechend. Man befürchtete weitere Veröffentlichungen. Man befürchtete extremen Schaden für die Partei.“

„Ich wollte wissen, warum sie das getan hat“
Aus dieser Angst und der Wut heraus bzw. als Versuch, weiteren Schaden abzuwenden, seien die WhatsApp-Nachrichten entstanden. Eine Nötigung, die man „ohne Kontext durchaus sehen könnte“, sei das aber nicht. „Ich habe zu keinem Zeitpunkt so etwas versucht oder gewollt“, versicherte Fußi. Er wollte aber auch wissen, warum die Dolmetscherin das getan habe. Für ihn sei jedenfalls klar gewesen, dass „nur sie“ es gewesen sein konnte. Sie sei schließlich in allen E-Mail-Verteilern gewesen.

(Bild: APA/ROLAND SCHLAGER, "Krone", krone.at-Grafik)

Die Ängste und das Gefühl, bedrängt zu werden, könne er bei J. durchaus nachempfinden, so Fußi vor Gericht. Der Grund ihrer Angst war aber nach Einschätzung des Angeklagten nicht sein Versuch, ihr zu helfen, sondern vielmehr ein Schreiben der juristischen Vertretung der SPÖ, in dem ihr wegen der Weitergabe des vertraulichen Materials strafrechtliche Konsequenzen angedroht worden seien. In dem Brief war auch die Rede von einem finanziellen Schaden „in siebenstelliger Höhe“. „Sie hat mir leidgetan. Das war ja nicht irgendwer für mich“, beteuerte Fußi.

Dolmetscherin unter Tränen: „Ich war das nicht“
Die ehemalige Mitarbeiterin des SPÖ-Wahlkampfmanagers Tal Silberstein stritt vor Gericht ab, die Unterlagen weitergegeben zu haben. Auf die Frage des Richters, warum sie das nicht gleich zurückgeschrieben habe, meinte J., dass der massive und fortgesetzte Druck seitens Fußis einen „Schutzmechanismus“ bei ihr ausgelöst habe, der sie zum Rückzug getrieben habe.

(Bild: Martin A. Jöchl)
(Bild: Martin A. Jöchl)

Unter Tränen erzählte die junge Frau, unter welchem Druck sie als „Hauptfeind der Kanzlerpartei“ gestanden sei. Warum sie nicht ihre Hilfe angeboten hatte, den wahren Schuldigen zu finden, konnte J. nicht wirklich erklären. Sie sagte, sie sei mit der Situation „vollkommen überfordert“ gewesen. Es sei seitens der SPÖ auch niemand an sie herangetreten, um zu fragen, ob sie tatsächlich die Interna weitergeleitet hatte. In diesem Zusammenhang wies der Vorsitzende auf das Schreiben der SPÖ-Rechtsvertretung hin: „Sie hätten doch in der Kanzlei anrufen können.“

„Egal was ich sage, es wird mir ein Strick gedreht“
„Herr Fußi hat mich da schon öffentlich beschuldigt. Vor allem auf Twitter war er sehr aggressiv. Deswegen habe ich keinen Sinn gesehen, mich großartig zu verteidigen.“ Der 27-Jährigen sei klar gewesen: „Egal was ich sage, es wird mir ein Strick gedreht, ich werde mit reingezogen.“ Sie habe deswegen die Nachrichten Fußis als klare Drohung verstanden, die weit über strafrechtliche Konsequenzen der Indiskretion hinausgehen. Auf die immer schärfer werdenden Fragen der Verteidiger reagierte J. ein wenig erzürnt und meinte, langsam das Gefühl zu haben, nicht mehr als Zeugin, sondern als Angeklagte betrachtet zu werden.

(Bild: Martin A. Jöchl)
(Bild: Martin A. Jöchl)

Verteidiger: „Drohung“ der SPÖ und nicht von Fußi
In ihrem Schlussplädoyer betonten die Verteidiger Fußis, dass in den WhatsApp-Nachrichten stets von „sie“ und nicht von „ich“ die Rede gewesen sei. Daher stimme der Anklagepunkt der Nötigung gegen ihren Mandanten nicht, denn es habe sich um eine Warnung des PR-Beraters gehandelt, was der Dolmetscherin seitens der SPÖ drohe.

„Gekonnter Auftritt“ der Zeugin
Fußi und sein Team konnten am Ende feiern. „Ich freue mich, dass dieser Tag mit einem Freispruch zu Ende geht. Auch wenn es nur die erste Instanz ist“, meinte der PR-Berater nach dem Urteilsspruch. Trotz des „gekonnten Auftritts“ der Zeugin, die sich vor Gericht „ganz anders verhielt, als ich sie kennengelernt habe - nämlich als starke Persönlichkeit“, sei ihre Version unglaubwürdig gewesen. Was in der Causa weiterhin ungeklärt bleibt, ist die undichte Stelle im Wahlkampfteam der SPÖ. Der Richter stellte fest, dass die Verdachtsmomente gegen J. nicht ausgeräumt werden konnten. Fußi geht nach wie vor davon aus, dass die Interna von der 27-Jährigen weitergegeben worden sind.

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