Abschied aus Parlament

Kern: „Es ist ein Ende – und das ist gut so“

Österreich
25.10.2018 11:40

Ex-Bundeskanzler Christian Kern hat am Donnerstagvormittag Abschied vom Nationalrat genommen. Der Ex-SPÖ-Chef verließ mit einer emotionalen Rede nach knapp einem Jahr als Abgeordneter das Hohe Haus. „Es ist ein Ende - und das ist gut so. Für die Personen, für die Sache und für alle Beteiligten“, sagte der 52-Jährige. Er warnte weiters die Politik davor, die Gesellschaft zu spalten. „Demokratie braucht Optimismus. Der Grat zwischen einer Gewalt der Worte und der Gewalt der Taten ist ein schmaler“, so Kern in seiner rund 17-minütigen Rede. Während ihn die SPÖ-Abgeordneten mit Standing Ovations verabschiedeten, erhielt er aus den Reihen der FPÖ keinen Applaus.

Die zweieinhalb Jahre als Berufspolitiker seien ihm eine Freude und Ehre gewesen. „Es war mir bewusst, dass die Zukunft eines Kanzlers oder Abgeordneten darin besteht, dass er mal ein Ex-Kanzler oder Ex-Abgeordneter sein wird“, so Kern. Er habe in dieser Zeit festgestellt, dass man zu einer Projektionsfläche werde und das alles „herzlich wenig“ mit einem persönlich zu tun habe. „Es geht in der Politik viel irdischer zu, als manche meinen würden, was möglicherweise auch gut ist.“

(Bild: APA/ROBERT JAEGER)

„Ich habe auch Einsamkeit erlebt“ 
Kern nutzte seine letzte Rede im Hohen Haus auch dazu, um eine persönliche Bilanz seiner zweieinhalbjährigen Tätigkeit in der österreichischen Innenpolitik zu ziehen. „Es war eine spannende Zeit. Ich bin dankbar für die Einblicke und Momente und Begegnungen, die bleiben. Natürlich macht man auch Erfahrungen, die man vermissen möchte. Aber das ist wohl Teil dieses Geschäfts.“ So habe er auch Einsamkeit erlebt. „Aber Politik lehrt einen im guten Sinn, sein Urteil zu mäßigen und sich über Menschliches nicht allzu sehr aufzuregen.“ Außerdem habe Kern einen Sonntagnachmittag zu Hause bei der Familie erst so richtig zu schätzen gelernt.

„Demokratie braucht Geschichtsbewusstsein“
In den zweieinhalb Jahren als Berufspolitiker habe er auch festgestellt, wie der Respekt bei ihm selbst gewachsen sei. „Ich habe Respekt vor allen Personen hier im Parlament, die das hier tagtäglich machen, und vor allem vor allen da draußen, die sich tagtäglich politisch engagieren.“ Kern nahm den bevorstehenden Jahrestag der Novemberpogrome (9. November) zum Anlass, auf die Zerbrechlichkeit der Demokratie hinzuweisen: „Demokratie braucht Rationalität und Geschichtsbewusstsein.“

Christian Kern nach seiner Abschiedsrede (Bild: APA/ROBERT JAEGER)
Christian Kern nach seiner Abschiedsrede

Gleichzeitig warnte er die Politiker davor, die Werte von Menschen aus anderen Kulturkreisen anzuzweifeln und sie dadurch zu Menschen zweiter Klasse zu machen. Hier führte er ausdrücklich die Muslime an. „Demokratie braucht Optimismus sowie Werte, Zusammenhalt und das Engagement von vielen.“

„Seit der Zeit Jörg Haiders hat der Populismus in Österreich Platz bekommen“
Kern blickte in seiner Rede auch kritisch auf seine Zeit in der Berufspolitik zurück. Seit der Zeit Jörg Haiders habe der Populismus in Österreich Platz bekommen. Damit habe sich eine Spirale in Gang gesetzt, die bis heute andauere. Dies sei eine schlechte Entwicklung, weil damit die Werte der Aufklärung in weite Ferne gerieten, so sein Befund.

(Bild: APA/ROBERT JAEGER)

Seitenhieb in Richtung FPÖ
Am Ende seiner Rede sparte Kern auch nicht mit Kritik an den Freiheitlichen: „Bei aller Wertschätzung für die einzelne Person - und die Damen und Herren der FPÖ werden es mir vielleicht nachsehen - habe ich mich dann doch immer wieder gewundert, wie wenig segensreich ihr Wirken in der Gruppe dann am Ende ausgefallen ist.“ Die freiheitlichen Abgeordneten versagten Kern im Anschluss dann auch einen Abschiedsapplaus.

Von seiner eigenen Fraktion bekam der ehemalige SPÖ-Chef hingegen Standing Ovations, auch die übrigen Fraktionen spendeten Beifall, wenngleich innerhalb der ÖVP eher etwas verhalten. Nach kurzen Verabschiedungen durch die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und einer Umarmung durch seine Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner entschwand Kern dann rasch dem Plenum.

Pamela Rendi-Wagner und ihr Vorgänger Christian Kern (Bild: APA/Robert Jäger)
Pamela Rendi-Wagner und ihr Vorgänger Christian Kern

Seine Position als SPÖ-Klubchef hatte er bereits zuvor zurückgelegt, zu seiner Nachfolgerin wurde vor Kurzem die künftige SPÖ-Chefin Rendi-Wagner gewählt.

Bruch mit SPÖ-Basis
Kern hatte am 18. September seinen Rücktritt als SPÖ-Chef angekündigt, nach einer mehrstündigen Schrecksekunde für die Partei aber angefügt, dass er bei der EU-Wahl als Spitzenkandidat für die SPÖ antreten werde und darüber hinaus auch eine europaweite Spitzenkandidatur für die Sozialdemokraten anstrebe. Die SPÖ-Parteigremien hatten den 52-Jährigen daraufhin bereits als Spitzenkandidat abgesegnet. Nach internen Querelen gab der Ex-Bundeskanzler am 6. Oktober wegen „zu vieler Intrigen“ schließlich bekannt, sich vollständig aus der Politik ins Privatleben zurückzuziehen. Seine persönliche Zukunft sehe er im Wirtschafts- und Unternehmertum.

Ex-Kanzler Christian Kern (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Ex-Kanzler Christian Kern

Kürzestdienender Kanzler und SPÖ-Parteichef 
Kern geht nicht nur als am kürzesten amtierender Bundeskanzler, sondern auch als kürzestdienender SPÖ-Parteivorsitzender in die Annalen ein. Als einziger der neun Parteichefs seit 1945 durfte er die SPÖ weniger als 1000 Tage lang führen, bis er seinen Rückzug verkündete. Nur etwas mehr als eineinhalb Jahre (580 Tage) war Kern Regierungschef - bis 18. Dezember 2017.

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