Annlässlich des Republiksjubiläums hat Schriftsteller Peter Turrini die türkis-blaue Bundesregierung heftig kritisiert. „Diese Regierung ist politisch fantasielos und frei von Moral. Diese Regierung nimmt den Schwächeren und gibt den Reicheren“, sagte Turrini am Dienstagabend bei einer Festveranstaltung des SPÖ-Parlamentsklubs im Palais Epstein - und er sprach von einem „Staatsstreich in Zeitlupe gegen die Zivilgesellschaft“. Doch auch die Sozialdemokraten kamen nicht gut weg: Der Literat bezeichnete das Innenleben der Partei als „desaströs“.
Turrini ortete in seiner Rede unter dem Titel „Nachrichten aus Österreich oder Was uns bedroht, sind nicht die Ozonlöcher, sondern die Arschlöcher“ einen „moralischen Umsturz vom Anstand zur Unanständigkeit“. Die ÖVP-FPÖ-Regierung propagiere Fremdenhass, reduziere Arbeiterrechte, betreibe Postenschacher, entziehe Frauenvereinen die Unterstützung und drehe Organisationen ab, die Migranten helfen. Von einem „Staatsstreich in Zeitlupe gegen die Zivilgesellschaft“ sprach der Literat. „Immer ein bisschen weiter nach rechts ins Menschenfeindliche, bis man dort ist, wo Herr Salvini und Herr Orban schon sind“, sagte er in Bezug auf Italiens Vizepremier Matteo Salvini und den ungarischen Regierungschef Viktor Orban.
„Beinahe täglich sind von der Regierung Vorschläge zu hören, was man den Flüchtlingen noch alles wegnehmen und welche Unterstützungen man immer weiter kürzen könnte.“ Die ÖVP, eine bürgerliche Partei mit christlichen Wurzeln, müsste gegen diese „neue Barbarei“ eigentlich auftreten, eine demokratische Regierung dem grassierenden Fremdenhass eigentlich entgegentreten, doch das explizite Gegenteil geschieht laut Turrini. „Sind denn alle verrückt geworden? Hat das Arschlochtum einen Siegeszug durch die österreichischen Lande angetreten?“
Kanzler Kurz „ein verlängerter Brauner“
Die FPÖ sei „radikal rechts“, und Vertreter der Freiheitlichen würden mit „braunen Rülpsern“ Schamgrenzen der Republik überschreiten. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schweige zu alldem, „und das macht ihn zunehmend zum verlängerten Braunen“, polterte Turrini. Der Dramatiker bezeichnete den Kanzler als „Zyniker der Macht“, „Populisten“ und „Wellenreiter des Augenblicks“. Turrini, Sohn italienischer Einwanderer, will sich sein Land aber „von einem adrett zugerichteten jungen Mann in der Bundeskanzlerpose und von einer Horde Burschenschafter in Ministerbüros nicht mehr nehmen lassen“.
Auch die SPÖ, die zur Veranstaltung geladen hatte, wurde vom Schriftsteller nicht verschont. „Warum so viele, vor allem höhere, Repräsentanten der Sozialdemokratie geradezu rudelartig bei Festspielen auftauchen, aber noch kaum bei ausgebeuteten Erntehelfern zu sehen waren, können sie besser beantworten als ich“, warf Turrini in die Runde. An die SPÖ-Funktionäre richtete er zudem die Frage: „Ist das Innenleben Ihrer Partei so desaströs, dass Ihre Vorsitzenden nichts wie weg wollen? Als Autoverkäufer nach Argentinien, als Handlanger zu kasachischen Potentaten oder wohin auch immer. Oder ist das Innenleben der Parteivorsitzenden so desaströs, dass der Wink mit mehr Geld zur Jobhopperei und zum Verlassen aller Prinzipien führt?“
Kritik an „Feiglingen im ORF“
Kritik übte Turrini auch am ORF. Der öffentlich-rechtliche Sender wollte laut dem Schriftsteller vor dem Sommer „mit nachhaltiger Willensbekundung“ die Josefstadt-Stücke „Auf der Flucht“ von Daniel Kehlmann sowie Turrinis „Fremdenzimmer“ aufzeichnen. Beide Stücke handeln von Flüchtlingen. „Am Ende des Sommers wurde mit der Begründung, es gebe für diese Stücke ,keinen Raum im Programm‘ die Aufzeichnung abgesagt. Das kann von eine paar Feiglingen ausgegangen sein, die sich im Geiste der neuen Herren verhielten, oder wir sind einfach nicht gut genug für die qualitativ so besonders hochstehenden Maßstäbe des ORF“, beklagte der Schriftsteller.
Vor Turrini hielt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner eine kurze Ansprache. Sie plädierte angesichts des hundertjährigen Bestehens der Republik für ein demokratisches Miteinander sowie sozialen Zusammenhalt und sprach sich gegen jede Form von Nationalismus aus. Das Zuhören, das Miteinander und das Sich-um-andere-Kümmern sei kein Zeichen von Schwäche, sondern der österreichische Erfolgsweg, so die SPÖ-Vorsitzende.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.