In Wels hat am Samstagvormittag der Bundesparteitag der SPÖ begonnen. Auf diesem wird Pamela Rendi-Wagner zur ersten Chefin in der Geschichte der Partei gekürt. Auch ihre Stellvertreter und der Vorstand werden gewählt. Weiters verabschiedet sich Christian Kern mit einer Rede von der Partei, die er rund zwei Jahre geführt hat. Abgesegnet wird auch das neue Parteiprogramm. Am Sonntag werden dann das überarbeitete Statut beschlossen und die Kandidatenliste für die EU-Wahl festgelegt. Der Parteitag wurde im Vorfeld von gleich zwei Eklats überschattet, Rendi-Wagner zeigte sich davon in ihrer „Vorstellungsrede“ allerdings unbeeindruckt und nahm stattdessen die türkis-blaue Regierung ins Visier.
Nach ihrer von triumphaler Musik und von zahlreichen Umarmungen begleiteten Ankunft auf der Bühne zeigte sich Rendi-Wagner zu Beginn ihrer „Vorstellungsrede“ sichtlich bewegt „bei so viel Gefühl“: „Ich bin völlig fertig.“ Aber: „Es fühlt sich saugut an, von euch umarmt zu werden!“ 650 Delegierte waren im Saal, dazu kamen noch 30 Gast-Delegierte und nicht weniger als 800 Gäste.
Danach forderte sie anhand eines Einzelschicksales einer jungen Mutter, das in einem Video gezeigt wurde, eine neue soziale Politik ein. „Wir müssen mit dem Herzen schauen - nicht nach links, schon gar nicht nach rechts, sondern nach vorne, wo die Zukunft ist.“ Und Rendi-Wagner rief den Delegierten zu: „Es ist unsere Berufung, die Lebensumstände der Menschen in diesem Land zu verbessern. Wir müssen zu den Menschen!“ Denn: „So viele fühlen sich alleingelassen, im Stich gelassen.“
„Dieser Regierung fehlt der Mut für Entscheidungen“
Es sei eine Regierung an der Macht, die sich vor den wahren Problemen verstecke. „Diese Regierung steht auf einer komplett anderen Seite. Es fehlt ihr der Mut für Entscheidungen“, sagte Rendi-Wagner mit Verweis auf jenen Fall in Vorarlberg, wo ein Lehrling abgeschoben wurde und Türkis-Blau die Verantwortung dafür den Vorarlberger Behörden zuschob. „Diese Regierung hat Angst vor dem demokratischen Diskurs im Parlament“, so Rendi-Wagner. „Wir aber denken die Freiheit der anderen Menschen immer mit - und dadurch handeln wir demokratisch.“
An Kanzler Kurz gerichtet: „Du hast nichts gemacht“
Rendi-Wagner wandte sich in diesem Zusammenhang, nämlich in Sachen Integration und Migration, direkt an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der „seit sieben Jahren in der Regierung ist“, zuerst als Staatssekretär, dann als Außenminister und jetzt als Kanzler: „Lieber Sebastian, was genau hast du in all diesen Jahren gemacht, was genau hast du eigentlich unternommen?“ Und sie gab auch gleich die Antwort: „Nichts hast du gemacht.“ Die Regierung greife vielmehr den Sozialstaat an, auch etwa durch ihre oft geäußerte Kritik an der Sozialpartnerschaft. Die SPÖ hingegen setzte auf den Ausgleich. „Wir dürfen nie die Sprache und Ideologie jener übernehmen, die unsere Gesellschaft spalten wollen.“
„Feige“, „selbstverliebt“, „arrogant“ und „armselig“
Wörtlich nannte Rendi-Wagner die Koalition „feige“, „selbstverliebt“, „arrogant“ und „armselig“. Ringe sich Kurz doch einmal zu einer Entscheidung durch, sei diese falsch, wie das Nein zum UNO-Migrationspakt. Auch das „Husch-Pfusch-Gesetz“ zur Arbeitszeitflexibilisierung, das Verhindern einer Volksabstimmung zum Rauchen in der Gastronomie und die Kassenreform prangerte sie an. Zum Abschluss ihrer Rede erntete die 47-Jährige tosenden Applaus der Delegierten.
„Die heiße türkis-blaue Luft verbrennt die Demokratie"
Bereits zuvor hatte die oberösterreichische SPÖ-Chefin Birgit Gerstorfer als Gastgeberin die türkis-blaue Bundesregierung im Visier gehabt. Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) machten vor allem „Laubbläser-Politik“, um von wichtigen Themen abzulenken. Kurz und Strache „blasen mit viel Lärm und Getöse die Probleme von einem Ort zum anderen, ohne irgendetwas zu lösen. Die heiße türkis-blaue Luft verbrennt die Demokratie“, so Gerstorfer.
Hier können Sie das große krone.at-Interview mit Rendi-Wagner nachlesen.
Sexistischer Sager und Dollfuß-Vergleich vor dem Parteitag
Kein Wort fiel am Samstagvormittag über die Aufregung kurz vor dem Parteitag. Da hatte nach dem sexistischen Sager des designierten Tiroler Landesparteichefs Georg Dornauer der nächste SPÖler für Wirbel gesorgt: In einem fragwürdigen, mittlerweile gelöschten Posting auf Facebook verglich am Freitag der ehemalige Oberösterreich-Parteichef Josef Ackerl ÖVP-Klubchef August Wöginger mit Engelbert Dollfuß.
Georg Dornauers sexistischer Sager bei seiner Rede im Tiroler Landtag im Video:
Drozda: „Es geht ab sofort nach vorne“
Dabei sollte es nach der Vorstellung von Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda „ab sofort nur in eine Richtung gehen - nach vorne“, wie er in seiner Rede zu Beginn des Parteitags erklärte. „Unser neues Programm definiert das Verständnis sozialer Demokratie im 21. Jahrhundert.“ Man strebe wieder Platz eins in der Wählergunst an. Und dies soll mit Rendi-Wagner an der Spitze gelingen.
Rund 20 Stellvertreter für Rendi-Wagner
Neben Rendi-Wagner werden auch knapp 20 Stellvertreter gewählt. Alle Bundesländer sind dabei mit ihren Vorsitzenden vertreten - mit Ausnahme Tirols, wo weder die scheidende Chefin Elisabeth Blanik noch ihr designierter Nachfolger Dornauer, sondern die Nationalratsabgeordnete Selma Yildirim als Präsidiumskandidatin nominiert ist. Bei der Wahl gibt es ein Novum: Präsidium und Vorstand werden in einem Wahlgang gewählt, aber auf unterschiedlichen Stimmzetteln. Bisher gab es immer quälend lange Wahlen, zunächst des Vorstands und dann des Präsidiums inklusive Parteivorsitzes.
Kern hält Abschiedsrede
Dass es diesmal schneller gehen muss, hängt auch mit dem dichten Programm zusammen. Immerhin hat die SPÖ schon am Samstag Christian Kern zu verabschieden, der eine Rede halten wird. Damit hat der Alt-Parteichef, der mit seinem merkwürdigen Rückzug und seinen wechselnden Plänen für die EU-Wahl und dann dem endgültigen Handtuch-Werfen für gewaltiges Chaos gesorgt hatte, noch einmal einen großen Auftritt.
Umstrittene Änderung des Statuts
Weiters ist das neue Parteiprogramm abzusegnen. Mehr Brisanz als das Programm hat allerdings die Änderung des Statuts, die ja mehr innerparteiliche Demokratie bringen soll. Die ursprünglichen Pläne sind mittlerweile deutlich abgeschwächt. So kann es zwar eine Basisabstimmung über Koalitionsabkommen geben, aber nur, wenn die Mehrheit im Vorstand dafür ist. Außerdem braucht es eine Mindestbeteiligung von 20 Prozent, um ein verbindliches Ergebnis zu erzielen. Neben dem Statut werden am Sonntag nicht weniger als 123 Anträge abgehandelt.
Kandidaten für EU-Wahl werden festgelegt
Den Sonntagvormittag hat die SPÖ für die Europawahl reserviert. Abgesegnet werden soll dort ein eigener Leitantrag zu diesem Thema, und Rendi-Wagner wird ihre zweite Grundsatzrede in Wels schwingen, diesmal europäisch angehaucht. Ein wenig Spannung verspricht die Wahl der Kandidatenliste, weil Kärnten sauer ist, dass der Spitzenkandidat der Landesorganisation, Landeshauptmann-Sohn Luca Kaiser, nach dem Wirbel um seinen seinen „Nazion“-Tweet an eine unwählbare Stelle gesetzt wurde. Ob dies Auswirkungen auf das Ergebnis für die von Andreas Schieder angeführte Liste haben wird, ist unklar.
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