„Das Wembley der SPÖ“

Kern-Abschied in Wels: „Verlasse den Führerstand“

Österreich
24.11.2018 17:21

Nach den Wochen und Monaten der SPÖ-Selbstbeschädigung rund um den Abgang von Christian Kern an der Parteispitze hat dieser am Samstag am Bundesparteitag in Wels seine mit Spannung erwartete Abschiedsrede gehalten. Er schlug dabei wehmütige Töne an, als er über seine zweieinhalb Jahre in der Spitzenpolitik resümierte, kritisierte erwartungsgemäß die Regierung und dankte ausführlich seinen Mitstreitern. Die „Berg- und Talfahrt“ sei nun vorbei, „ich verlasse den Führerstand, aber nicht unsere Ideale, unsere Werte, unsere Geschichte und unsere gemeinsame Bewegung“, sagte Kern, der mehrfach mit den Tränen zu kämpfen hatte.

Den Ort des Parteitags, die Messehalle in der früheren oberösterreichischen SPÖ-Hochburg, nannte er „das Wembley-Stadion der Sozialdemokratie“. Die langjährige Dominanz der SPÖ in Städten wie Wels sei „keine Selbstverständlichkeit“, es gebe „keine Erbhöfe“, wie das Jahr 2015 gezeigt habe, als der Bürgermeisterposten an die FPÖ ging, appellierte er an die Kampfkraft der Genossen. „Wir haben alle Chancen, aber es ist nicht selbstverständlich, wir müssen darum kämpfen.“

(Bild: APA/BARBARA GINDL)

Hilfsbereitschaft 2015 „einer der besten Momente unseres Landes“
Stichwort 2015: Er sei am Höhepunkt der damaligen Flüchtlingsbewegung „mit vielen von euch auf den Bahnhöfen gestanden und habe mitgeholfen, dass viele ein Dach über dem Kopf bekommen“, erinnerte er sich unter kräftigem Applaus. „Ich bin stolz darauf, dass wir das damals so gemacht haben. Das war einer der besten Momente unseres Landes.“ Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz, damals Außenminister, habe dagegen „nichts anderes im Kopf gehabt als nur Zerstörung“.

(Bild: APA/BARBARA GINDL)

Kern sprach von den „ewigen Werte der Sozialdemokratie, Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität“, dem „Glauben, dass wir gemeinsam die Welt besser machen können“. Sein Amt habe er „mit Freude und Begeisterung gelebt“ und zuletzt festgestellt, dass es „leichter ist, Parteivorsitzender der SPÖ zu werden, als so eine Aufgabe wieder abzugeben“. Er habe aber nicht „warten wollen, bis einer meiner Freunde vor der Tür steht und sagt, ,Christian, es wär jetzt so weit‘“.

Duell Rendi-Wagner gegen Regierung: „Werde Popcorn und Bier einlagern“
Seiner Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner attestierte er nach einer minutenlangen Danksagung an zahlreiche SPÖ-Mitstreiter der vergangenen Jahre, die richtige Person an der Spitze zu sein. „Ich freue mich heute schon darauf, dich in einem Fernsehduell mit (FPÖ-Chef Heinz-Christian) Strache und Kurz zu erleben, und werde jede Menge Popcorn und Bier einlagern“, zeigte sich der abtretende Parteichef optimistisch für die Zukunft seiner Bewegung.

(Bild: APA/BARBARA GINDL)

Kern hatte mit seinem Rückzug als Kanzler, seinen wechselnden Plänen für die EU-Wahl und schließlich dem endgültigen Ausscheiden aus der Politik für gewaltiges Chaos in der SPÖ gesorgt. Trotzdem gab es beachtlichen Applaus, als er am Samstag in Wels die Bühne betrat - wie auch an mehreren Stellen seiner Rede.

Harsche Kritik von Rendi-Wagner an „armseliger“ Regierung
Am Vormittag hatte Rendi-Wagner in ihrer Rede heftige Kritik an der türkis-blauen Regierung geübt und diese „feige“, „selbstverliebt“, „arrogant“ und „armselig“ genannt. In Richtung Bundeskanzler Sebastian Kurz fragte sie: „Lieber Sebastian, was hast du in all diesen Jahren eigentlich gemacht?“ Der ÖVP-Chef sei seit sieben Jahren in der Regierung, aber er beschreibe und kritisiere nur - Politiker sollten jedoch handeln. Der eigenen Partei versprach sie, mit Leidenschaft und Engagement „zu schuften und rackern“, um Österreichs erste Bundeskanzlerin zu werden.

Video: Rendi-Wagner nimmt Kanzler Kurz an die Kandare

Ihrem Vorgänger an der Parteispitze dankte Rendi-Wagner für die Chance, die er ihr als Gesundheitsministerin gegeben habe: „Das werde ich dir nie vergessen.“ Sie sei „überzeugt“, dass Kern „unsere Werte weitertragen“ werde.

97,8 Prozent für Rendi-Wagner
Mit 97,8 Prozent wurde Rendi-Wagner schließlich offiziell zur neuen SPÖ-Chefin und damit ersten Frau an der Spitze der Partei gewählt. Damit fuhr sie ein ähnliches Ergebnis wie Kern zwei Jahre zuvor ein, der 96,8 Prozent verbuchen konnte. Den Rekord bei Erstantritt an der SPÖ-Spitze hält Bruno Pittermann, der 1957 auf 99,6 Prozent kam. Am schlechtesten startete Viktor Klima 1997 mit 90,2 Prozent.

(Bild: APA/BARBARA GINDL)

Weitere interessante Ergebnisse im Präsidium: Ausgerechnet Hans Peter Doskozil, der laut APA/OGM-Vertrauensindex beliebteste SPÖ-Politiker, kam mit 82,3 Prozent auf den schlechtesten Wert. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig erreichte 89,5 Prozent, die frühere Wiener Vizebürgermeisterin Renate Brauner verzeichnete 90,1 Prozent.

Weiters wurde am Samstag das neue Parteiprogramm wie auch der inhaltliche Leitantrag des Parteitages abgesegnet. Am Sonntag werden dann das überarbeitete Statut beschlossen und die Kandidatenliste für die EU-Wahl festgelegt.

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