Mit einem deutlich sichtbaren Manko ist der SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Andreas Schieder, am Sonntag beim Parteitag in Wels vor seine Gesinnungsgenossen getreten. Sein dunkelblau unterlaufenes linkes Auge führte er darauf zurück, dass er „schneller als die Tür“ gewesen sei - ausgerechnet am Tag seines großen Auftritts, nach dem die von ihm angeführte Liste mit 96,1 Prozent Zustimmung der Genossen gebilligt wurde. Schieders Rede geriet trotz des Schönheitsfehlers kämpferisch. Er knöpfte sich insbesondere die europäischen Rechtspopulisten vor.
Die Armen würden ärmer, während sich die Reichen immer reicher machten, kritisierte Schieder. Er wolle Europa wieder gerechter machen und einen: „Wir müssen unseren Traum von Europa verteidigen und vor dem Irrweg des Nationalismus schützen“, sagte der frühere Klubobmann der SPÖ (siehe Video unten). „Der Nationalismus spaltet die Gesellschaft, die Salvinis, Orbans, Le Pens, Straches und Kurz‘ spalten das gemeinsame Europa.“
Helfen statt hetzen, Großkonzerne wie „jeden Würstelstand“ besteuern
Schieder, der mit einem kleinen Überbleibsel des 1989 demontierten Eisernen Vorhangs in der Hand ans Rednerpult trat, sah in seinem Traum vom künftigen Europa, dass die großen Konzerne tatsächlich entsprechende Steuern zahlen, wie das jetzt schon „jeder Würstelstand“ tue, dass Turnschuhe ohne Kinderarbeit oder Ausbeutung produziert würden und dass es ein Europa sei, in dem geholfen statt gehetzt werde.
Auch die Listenzweite der Sozialdemokraten, Evelyn Regner, warb dafür, zu kämpfen, dass die Konzerne ihren fairen Beitrag leisten müssten. Für die SPÖ gelte es immer, lästig zu sein, bis am Ende für die Beschäftigten etwas herausschaut: „Wenn wir dranbleiben, machen wir den Unterschied.“ Europa dürfe nicht den Konzernen und Österreich nicht der „von der Industrie finanzierten Politik von Schwarz-Blau“ überlassen werden.
Die am Vortag zur Parteichefin gewählte Pamela Rendi-Wagner hielt am Sonntag eine europapolitische Grundsatzrede. Die einen zerstörten die EU und die anderen machten ihnen dabei die Mauer, kritisierte sie und appellierte gleichzeitig an die Geschlossenheit der konstruktiven Kräfte: „In dieser Situation muss Europa mehr denn je zusammenhalten.“ Der ÖVP hielt Rendi-Wagner vor, dass man zehn Jahre gemeinsam für die Finanztransaktionssteuer gekämpft habe. Kaum sei die Volkspartei türkis, werde das Projekt zu Grabe getragen. Die ÖVP des Sebastian Kurz stelle sich eben auf die Seite der Großindustrie.
Mit 96,1 Prozent wurde die Kandidatenliste schließlich bestätigt. Hinter Schieder und Regner befinden sich der niederösterreichische Landtagsabgeordnete Günther Sidl, die steirische Landtagspräsidentin Bettina Vollath, der Bad Ischler Bürgermeister Hannes Heide und die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, Julia Herr.
Keine Chance für Luca Kaiser
Auf diesem Platz sechs hätte nach Wunsch der Kärntner Landespartei eigentlich der Sohn von Landeshauptmann Peter Kaiser, Luca Kaiser, kandidieren sollen. Die Bundesgremien der SPÖ hatten dies - nach heftigen Diskussionen um einen wenig diplomatischen Tweet von Kaiser junior - abgelehnt, allerdings auf ein ausgewogenenes Geschlechterverhältnis nach dem Reißverschlusssystem verwiesen. Luca Kaiser hält nun den chancenlosen neunten Listenplatz, in der Kärntner SPÖ sorgte das für Verstimmung. Derzeit ist die SPÖ mit fünf Abgeordneten in Brüssel und Straßburg vertreten, Wahlziel ist der Zugewinn eines sechsten Sitzes.
Ebenfalls beschlossen wurde am Sonntag das neue Parteistatut. Die Zustimmung war mit lediglich 19 Gegenstimmen recht hoch, obwohl offenbar viele Delegierte das ursprünglich weitreichendere Modell bevorzugt hätten, das von den Jugendorganisationen als Alternative eingebracht wurde.
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