Ein Kanzleramtsminister, der Vizebürgermeister werden will: Gernot Blümel hat für Wien türkise Pläne. Der 37-Jährige im „Krone“-Gespräch über Strache als glühenden Europäer, Hackers Drittes-Reich-Sager, Ludwigs Schmäh, Rot-Grün und die Mindestsicherung.
„Krone“: Herr Minister, Sie bekommen von Politik-Experten und selbst von Parteigegnern für Ihre Ministerarbeit fast durchwegs gute Noten, Sie sind einer der wichtigsten Vertrauten des Bundeskanzlers, aber bei dem Index, der das Vertrauen der Österreicher misst, dümpeln Sie bei sechs Prozent herum. Das ist nicht so prickelnd, oder?
Gernot Blümel: Also über das erste Jahr als Minister kann man sicher sagen, dass ein gewisses Haben angehäuft worden ist, dass wir ordentlich reingehackelt haben, und dass das auch die Leute so wahrnehmen. Aber wir arbeiten natürlich ständig daran, besser zu werden.
Älteren Arbeitnehmern wird das Jobprogramm abgedreht, Kinder bekommen weniger Mindestsicherung, Flüchtlinge sollen in Heime gesperrt werden. Ist das die christlich-soziale Politik, die Sie immer machen wollten?
Die Fragen sind ja zum Teil auch unrichtig. Faktum ist, dass pro Arbeitslosem derzeit mehr Geld zur Verfügung steht als unter einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung. Faktum ist, dass wir mit der Mindestsicherung Neu mehr Gerechtigkeit geschaffen haben. Und es ist natürlich klargestellt, dass niemandem die Freiheit geraubt wird. Aber es sollen sich alle an bestimmte Regen halten und das kann man von jedem verlangen, dem man auch Schutz bietet. Ich halte das alles für eine sehr ausgewogene Bilanz.
2014 haben Sie Heinz-Christian Strache noch mit den Worten kritisiert: „Strache beweist einmal mehr, dass Europa für die FPÖ nur ein Schlagwort zur Irreführung der Menschen in unserem Land ist.“ Hat sich das geändert? Ist Strache heute ein glühender Europäer?
Wir haben in den Koalitionsverhandlungen von Beginn an klargemacht, dass diese Regierung eine proeuropäische sein wird, und ich bin froh, dass wir das auch während der Ratspräsidentschaft als gesamte Bundesregierung unter Beweis stellen konnten. Wir haben sehr hohes Ansehen geerntet von vielen politischen Kollegen aus ganz Europa.
Strache tritt angeblich nicht in Wien an, dass Sie bei der nächsten Wahl für die ÖVP ins Rennen gehen, hat viele regelrecht verblüfft. Ist das vielleicht auch ein Beleg dafür, dass Sie in Wien doch nicht so präsent sind, wie es sich für einen Landesparteiobmann gehört?
Ganz im Gegenteil. Ich verbringe einen Gutteil meiner Zeit in Wien, weil sich ja auch viele meiner Verantwortungen auf Bundesebene in Wien abspielen. Gerade wenn man sich die Kunst- und Kulturpolitik ansieht, gibt es auch eine extrem gute inhaltliche Zusammenarbeit mit der Stadtregierung. Die Sichtbarkeit ist definitiv eine höhere als die letzten Jahre. Es ist zum Beispiel schön zu sehen, wie Wien von Themen wie den Deutschklassen profitiert.
Geht sich Blau-Türkis bei der Wahl aus, ist Bürgermeister Michael Ludwig Geschichte, oder?
Zuerst kommt die Wahl. Faktum ist, dass wir von einem Niveau starten, das definitiv verbesserungswürdig ist, und unser Ziel ist es, Sieger bei den Zugewinnern zu sein. Ich will aber auf jeden Fall in Wien Türkis zum Mitregieren bringen.
Welches Ressort würde ein Vizebürgermeister Gernot Blümel denn einfordern?
Darüber zu reden ist eindeutig zu früh. Zuerst wird gewählt, dann wird gezählt, dann wird verhandelt.
Finanzen?
Zuerst wird gewählt, dann wird gezählt, dann wird verhandelt.
Vielleicht auch Soziales? Stadtrat Peter Hacker scheint ja eine Politik zu machen, die Ihnen nicht so zusagt.
Ehrlicherweise ist das die Fortsetzung von dem, was die Vorgängerin gemacht hat, und mit Birgit Hebein als Koalitionspartnerin wird es nicht besser. Das ist Realitätsverweigerung in vielen Bereichen.
Bei der Mindestsicherung kündigt Rot-Grün massiven Widerstand an.
Da sieht man, wie absurd das ist. Als ich in Wien begonnen habe als Landesparteiobmann, haben wir uns die Themen angesehen, bei denen es den größten Handlungsbedarf gab. Und die Mindestsicherung war einer dieser Bereiche. Die Mindestsicherung war immer als Wiedereinstiegshilfe in den Arbeitsmarkt gedacht. Das war es aber in Wien nie, hier ist es zu einem bedingungslosen Grundeinkommen geworden. Warum? Weil die Grünen die SPÖ ständig über den Tisch gezogen haben und aus einer Arbeiterpartei ein Arbeitslosenpartei geworden ist.
Peter Hacker hatte die Erhebung des Migrationshintergrunds von Mindestsicherungsbeziehern mit Nazi-Methoden verglichen. Müsste eine Partei wie die ÖVP, die sich an diesem Sager so empört, nicht auch unentwegt die Serien-Einzelfälle der FPÖ kritisieren?
Was die SPÖ hier liefert, ist wirklich höchst bedenklich. Ich halte das für eine Spaltung der Gesellschaft, die hier vollzogen wird. Da werden ständig Vergleiche mit einem Schreckensregime gezogen bei Maßnahmen einer demokratisch legitimierten Regierung, die Gesetze beschließt, die auf verfassungskonforme Art und Weise zustande kommen. Das ist eine Schande gegenüber jenen, die wirklich Opfer dieses Regimes waren. Vor allem im Gedenk- und Erinnerungsjahr.
Wie beschreiben Sie Bürgermeister Michael Ludwig?
Ich habe ihn als einen Pragmatiker kennengelernt. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass wesentlich mehr weitergeht in der rot-grünen Stadtregierung als unter Michael Häupl. Das ist schade. Dieses ständige Mantra von der guten Lebensqualität ist super, wir alle lieben es, aber um das zu erhalten, braucht es mehr Mut und mehr Entscheidungsfreude.
Hat er Schmäh?
Im Vergleich zum Vorgänger ist Luft nach oben.
Noch ein paar kurze Fragen kreuz und quer. Einbürgerungsstopp für Türken - Ja oder Nein?
Das Innenministerium prüft gerade, wie unkontrollierten Doppelstaatsbürgerschaften ein Riegel vorgeschoben werden kann.
Die FPÖ strebt eine Wiederholung der Bundespräsidentenwahl an, verliert diese und klagt nun die Republik auf Schadensersatz. Richtig so?
Das ist eine Entscheidung der FPÖ.
Schon einmal 863 Euro, also die Wiener Mindestsicherung, an einem einzigen Abend ausgegeben?
Mit Sicherheit noch nie.
Ihr politisches Vorbild? Erlaubt ist jeder außer Sebastian Kurz.
Alois Mock.
Was haben Sie Ihrer Freundin zu Weihnachten geschenkt?
Ganz unromantisch. Ein Handy. Ihres war kaputt.
Ein Kind ohne Eltern. Soll es lieber zu einem homosexuellen Paar oder ins Heim?
Je nachdem, was für das Kind das Beste ist.
Michael Pommer, Kronen Zeitung
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