Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat im Zusammenhang mit der neuen Mindestsicherung seine Kritik an Wien bekräftigt und seine umstrittene Aussage verteidigt, wonach in Wien immer weniger Menschen in der Früh aufstehen, um arbeiten zu gehen. In der ORF-„Pressestunde“ sagte Kurz bei Hans Bürger und Hubert Patterer, dem Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“, am Sonntag, er habe ein Problem mit dem Wiener Modell, in dem immer mehr Menschen „in Abhängigkeit“ gehalten würden.
Gleich zu Beginn der Sendung fragte ORF-Infochef Bürger den Bundeskanzler, ob man denn auf die Details der Steuerreform noch warten müsse. „Im April muss der Budgetplan nach Brüssel eingemeldet werden und im Herbst wird die Budgetrede gehalten und das nächste Doppelbudget beschlossen. Wir werden mehr als rechtzeitig alle Details bekannt geben“, erwiderte dieser.
„Die letzten 60 Jahre gab‘s immer neue Schulden“
Besonders hervorgehoben wurde vom ÖVP-Chef, dass mit dem neuen Budget keine neuen Schulden gemacht werden sollen. Dies sei in den letzten 60-Jahren nicht gelungen. „Heuer das erste Mal keine neuen Schulden, trotzdem schon ein großer Entlastungsschritt mit dem Familienbonus von 1500 Euro pro Kind.“ Den „positiven Trend“, den es derzeit in der Wirtschaft gebe, wolle man „unterstützen und fortsetzen“.
Patterer konfrontierte Kurz mit dem Inhalt einer Wahlkampfbroschüre der ÖVP, in der versprochen wurde, dass die Abschaffung der kalten Progression der erste Schritt nach der Wahl sei. Nun wird es dazu allerdings erst 2022 oder gar noch später kommen. Kurz versicherte, dass dieser Schritt nicht in die nächste Legislaturperiode ausgelagert werde. „Aber wir haben uns entschieden, dass wir jetzt erst einmal eine unmittelbare, direkte Entlastung sicherstellen wollen“, sprach er die Steuerentlastungen für Geringverdiener an.
„Sozialdemokratie versucht, sachliche Debatte auszuklammern“
Einen großen Teil des Interviews nahm die Aussage des Bundeskanzlers ein, wonach in Wien in vielen Familien nur noch die Kinder aufstehen würden, um in die Schule zu gehen, während die mindestsicherungsbeziehenden Eltern liegen blieben. In den letzten Tagen gab es vor allem in sozialen Netzwerken große Aufregung um diese Aussage.
Der Kanzler behauptete deshalb in der „Pressestunde“, dass „die Sozialdemokratie“ mit einer „extremen Welle der Empörung“ versuche, „die sachliche Debatte auszuklammern“, wenn sie sich „ertappt“ fühle. Ertappt fühle sich die SPÖ deshalb, weil Wiens Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky schon im Dezember des Vorjahres von Familien sprach, in denen die Kinder möglicherweise die Einzigen seien, die in der Früh aufstehen.
Im Zusammenhang mit der Diskussion um diese Aussage zog Kurz den Vergleich zwischen zwei fünfköpfigen Familien. Auf der einen Seite eine österreichische, bei der ein Elternteil arbeitet, und auf der anderen Seite eine Flüchtlingsfamilie. Der Kanzler kritisierte, dass die Flüchtlingsfamilie bis zu den jetzt von der Regierung gesetzten Maßnahmen mehr finanzielle Unterstützung vom Staat bekommen habe als die österreichische.
„Ich bin der Meinung, dass jemand der arbeiten geht, besser aussteigen sollte als jemand, der nicht arbeiten geht“, wiederholte er sein viel zitiertes Motto. Anders wäre das „Gift für unsere Gesellschaft“, ist er sich sicher. „Unser Sozialstaat funktioniert deshalb, weil es viele fleißige Menschen in unserem Land gibt.“
„Gibt eine Bilanz, die sich sehen lassen kann“
Im Gegensatz zu manch anderem zeigte sich der Bundeskanzler mit dem österreichischen EU-Ratsvorsitz sehr zufrieden. „Es gibt eine Bilanz, glaub ich, die sich sehen lassen kann“, stellte er fest. „Es gab keinen einzigen Regierungschef, der uns nicht bei der letzten Sitzung des Rates gelobt hätte.“
ÖVP-Team für EU-Wahl „spätestens im Jänner oder Februar“
Patterer und Bürger wollten gegen Ende des Interviews auch noch wissen, mit wem die ÖVP in die anstehende EU-Wahl ziehen werde. Der Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“ vermutet gar, dass „das monatelange Hinhalten des Othmar Karas eine Art Strafe“ dafür sein könnte, dass dieser immer wieder die FPÖ kritisiere und sich gegen die sogenannte Message Control ausspreche.
Kurz wollte davon nichts hören und versicherte, dass man die Kandidaten für die Wahl rechtzeitig vorstellen werde. Zu Karas wollte er sich auch nach Patterers Nachhaken nicht bekennen. „Spätestens im Jänner oder Februar“ werde man die Liste der Kandidaten bekannt geben.
Eine Frage zu der seit Kurzem bekannten ÖVP-Datenbank mit Informationen aus der Wählerevidenzliste wurde weder von Bürger noch von Patterer gestellt.
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