Man sei in den vergangenen Jahren nicht untätig gewesen, betonte die Justizministerin, das Gewaltschutzpaket etwa habe viele Verbesserungen gebracht. In Österreich gebe es beispielsweise längere Verjährungsfristen als in Deutschland, außerdem beginne die Frist hierzulande erst mit dem 28. Lebensjahr des Opfers zu laufen. Schwere Fälle könnten also bis zum 48. Lebensjahr des Opfers belangt werden, erklärte Bandion-Ortner.
Verlängerung würde nicht rückwirkend gelten
Aufgrund der Maßnahmen im Gewaltschutzpaket sehe sie keine Notwendigkeit, der Forderung der SPÖ nach einer Verlängerung der Fristen nachzukommen, wiewohl man "immer diskutieren" könne. Ein völliger Wegfall der Verjährungsfristen kommt für Bandion-Ortner nicht infrage: "Die Fristen haben ihren Sinn", bei jahrzehntealten Fällen könnten sonst beispielsweise Beweisprobleme auftreten.
Bei der Debatte um die Fristen sei im Übrigen zu bedenken, dass eine Änderung für Fälle der Vergangenheit nicht zum Tragen kommen würde, da sie nicht rückwirkend gelten könnte.
Flut an unbegründeten Anzeigen durch Anzeigepflicht?
Probleme hat Bandion-Ortner auch mit der Forderung nach einer Anzeigenpflicht - "wo beginnt es und wo hört es auf?". Es bestehe zum Beispiel die Gefahr, dass es "zuhauf zu unbegründeten Anzeigen" komme. Klar sei aber, dass sie "kein Verständnis" habe, wenn etwa ein Schulleiter (derzeit gilt die Anzeigepflicht nur für Behörden oder öffentliche Dienststellen) eine entsprechende Beobachtung mache und keine Anzeige erstatte, denn bei Kindesmissbrauch handle es sich um "eines der scheußlichsten Delikte überhaupt" und die Bekämpfung sei ihr ein "großes Anliegen".
Prävention durch mehr Kommunikation
Die Justizministerin sieht den Schlüssel in der Kommunikation der Staatsanwaltschaft und der Polizei mit Schulen und kirchlichen Einrichtungen. Eine weitere wichtige Rolle komme den Opferschutzeinrichtungen zu, die für Bandion-Ortner übrigens "derzeit hinreichend finanziert" sind.
Um die Kommunikation zwischen den Institutionen weiter zu verbessern, könne sie sich durchaus einen Runden Tisch vorstellen. Sie werde diesbezüglich mit Familienstaatssekretärin Christine Marek Kontakt aufnehmen, versicherte Bandion-Ortner.
Politische Debatte entbrannt
Angesichts der sich häufenden Missbrauchsvorwürfe gegen kirchliche Institutionen war am Donnerstag eine politische Debatte über Gesetzesverschärfungen entbrannt. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim forderte unter anderem eine Verlängerung der Verjährungsfristen sowie eine Verdoppelung des Strafrahmens. Weiters drohte er der Kirche mit einer "gesetzlichen Anzeigepflicht", falls sie ihre Kenntnisse von sexuellem Missbrauch weiterhin geheim halte. SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek konnte sich sogar einen Wegfall der Verjährungsfristen vorstellen. Bandion-Ortner äußerte sich bereits in einer ersten Reaktion zurückhaltend.
Rückendeckung bekam die Justizministerin dabei von den Grünen: Über Verjährungsfristen könne man zwar grundsätzlich diskutieren, meinte deren Justizsprecher Albert Steinhauser. Wichtig sei hier aber der Expertendiskurs vor allem mit Psychotherapeuten, jedenfalls sei er gegen "Schnellschüsse". Von einer Anzeigenpflicht hätten Ärzte und Psychotherapeuten in den vergangenen Jahren abgeraten, und "so lange aus dieser Ecke keine anderen Signale kommen", bleibe er bei seiner Meinung gegen eine Anzeigenpflicht.
Auch Salzburger Erzbischof für Diskussion über den Zölibat
Indes hat sich nach Kardinal Christoph Schönborn auch der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser für eine Diskussion über den Zölibat ausgesprochen. "Die Zeiten und die Gesellschaft haben sich verändert. Und deswegen wird die Kirche überlegen müssen, wie sie diese Lebensform weiterpflegen kann, oder was sie verändern muss", sagte Kothgasser am Donnerstagabend in "Salzburg heute". Er schäme sich sehr für die katholische Kirche, besonders wegen des vielen Leids, das Priester durch sexuellen Missbrauch jungen Menschen angetan hätten.
Der Erzbischof bedauerte auch, dass die Kirche in der Vergangenheit Fehler bei der Aufklärung von Missbrauchsfällen begangen habe, "das müssen wir leider Gottes sagen. Es wird nur schwer zu überwinden sein. Darum brauchen wir ein ganz neues Bemühen um mehr Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit. Diese stünden uns vom Evangelium her gut an." Nach dem Bekanntwerden des Falles Groer habe man aber schon versucht, Dinge aufzuklären und ihnen auf den Grund zu gehen: "Es ist aber noch nicht die nötige Offenheit da. Es gibt noch immer eine gewisse Scheu, die aber unbedingt überwunden werden muss, wenn wir unsere Glaubwürdigkeit nicht verlieren wollen."
Kothgasser zeigte auch gewisses Verständnis, dass nach den jüngsten Vorfällen Menschen aus der Kirche austreten. "Viele Gläubige sind motiviert, ein wirklich christliches Leben zu führen. Wenn sie dann solche Beispiele sehen, wo gerade das Gegenteil geschieht, da wird es in der Kirche ein starkes Bemühen geben müssen, um mehr Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit zu leben." Am Freitag wird sich auch Papst Benedikt XVI. zu den europaweit in den letzten Wochen bekanntgewordenen Missbrauchsfällen äußern.
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