Übersehen wird man das Werk schwer können: Zwei Silhouetten - aufgedruckt auf ein 70 Meter hohes Baustellennetz - verhüllen ab Ende April den Turm des Wiener Rathauses. Die humorvolle Kunstinstallation, gestaltet vom queeren Künstlerduo Ashley Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl, soll nicht zuletzt das Miteinander betonen und sich somit auch gut in das 100-Jahr-Jubiläum des „Roten Wien“ einfügen.
Möglich wird die mit mehr als 1500 Quadratmetern laut Stadt derzeit größte Kunstinstallation Österreichs durch die Großsanierung der kommunalen Schaltzentrale. Nach fünf schon erledigten Abschnitten ist nun neben dem Arkadenhof auch der rund 100 Meter hohe Turm des Rathauses als sechste von insgesamt elf Etappen dran.
Künstlerische Nutzung statt Werbung
Eingerüstet ist das monolithisch aufragende Gebäudeelement bereits. Doch anstatt die vorgeschriebenen Schutznetze Richtung Rathausplatz hin mit Werbung vollzupflastern, habe man sich für eine künstlerische Nutzung entschieden, die Wien als weltoffene Stadt zeigen soll, sagte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Dienstag bei der Präsentation des Projekts.
Was zeigt dieses - zumindest was die Größe betrifft - monumentale Sujet nun? Auf weißem Grund sind gänzlich in flächigem Rot gehaltene Körper bar jeder Geschlechtlichkeit zu sehen, wobei die eine Figur auf den Schultern der anderen sitzt und mit den Händen über dem Kopf das Turmdach imitiert. Man braucht nicht lange, um herauszufinden, dass sich die Künstlerinnen hier selbst porträtiert haben.
Dass der Humor nicht zu kurz kommen soll, zeigen sowohl der Verzicht auf Modelmaße in der Selbstdarstellung als auch die weißen Badeschlapfen (Bild unten), die die untere Figur - also Knebl - trägt: Das sei gewissermaßen ein „Link auf die Arbeiter“ und stelle auch einen Konnex zu ihrem eigenen „Working Class Background“ dar, erinnerte sich Knebl im Gespräch an ihren Job als Altenbetreuerin vor ihrer Künstlerinnenkarriere. „Wir beziehen uns natürlich auch auf den Rathausmann, der ganz oben steht“, ergänzte Scheirl. Das sei auch eine Art Vereinnahmung der „großen Geste“, die von Männern so gerne eingenommen werde.
Knebl verwies zudem auf den Bezug zur Ringstraßenarchitektur und die Skulptur als Gestaltungselement, das Teile von Gebäuden trage: „Wir haben das in eine zeitgenössische Form gebracht.“ Der Gestus der Darstellung soll auch auf die vielen Befreiungskämpfe des „Roten Wien“ in den vergangenen 100 Jahren hinweisen - sei es etwa bezüglich Frauenwahlrecht, Arbeiterbewegung oder Rechten für Homosexuelle.
Kulturstadträtin: Plakat mit „großer Strahlkraft“
Für Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) hat das riesige Kunstplakat „eine große Strahlkraft“: „Dass der eine den anderen trägt, ist die Vision einer Gemeinschaft.“ Die zahlreichen Wiener und Touristen, die die Stirnseite des Rathauses jeden Tag betrachten, soll dieses „positive Signal“ erreichen.
Hängen wird die Installation bis in den Herbst hinein. Mit der Montage soll bereits Mitte April begonnen werden. Bis das Rathaus dann komplett fertig saniert wird, dauert es noch bis 2024. Insgesamt 36 Millionen Euro kostet die Gesamtrenovierung, man liege im Zeit- und Kostenplan, hieß es.
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