Noch immer sitzt der Schock tief, noch immer wirft man ungläubige Blicke auf die zerstörten Gemäuer der Kathedrale Notre Dame, die am Montagabend im Herzen von Paris in einem wahren Flammeninferno zu versinken drohte. Zahlreiche Menschen - vor Ort und auf der ganzen Welt - hielten den Atem am und wurden Zeugen des unerbittlichen und schweren Kampfes gegen das Feuer - unter ihnen niemand Geringerer als Starautor Peter Handke. Der 76-Jährige schilderte in einem Telefonat mit „Krone“-Kolumnist und „News“-Journalist Heinz Sichrovsky die dramatischen Ereignisse.
Ob es der Zufall so wollte? Der vielfach ausgezeichnete österreichische Schriftsteller war am Montag gerade auf dem Weg, um sich - wie jeden Montag üblich - die spanische Tageszeitung „El Pais“ zu kaufen, als er plötzlich dichte Wolken am Himmel aufsteigen sah, just an dem Ort, an dem die Kathedrale steht. „Riesige, gelbgrau-schwefelige, alle fünf Minuten neu aufquellende Wolken - wenn ich schon dachte, es sei vorbei, ging der Schub wieder los“, berichtet der Starautor.
Reaktionen weiterer Passanten? Fehlanzeige, wie der Schriftsteller weiter berichtet. Keiner habe reagiert, „zehn Minuten lang war keine Sirene zu hören, kein Feuerwehrauto“, so Handke. Dass zu diesem Zeitpunkt Notre Dame in Brand stand, dieser Gedanke kam dem Autor zunächst nicht in den Sinn. Vielmehr ging er von einem bereits unter Kontrolle gebrachten Feuer in einem Hotel in der Nähe aus, genoss deshalb die nächsten Stunden im Kino - um sich beim Verlassen desselbigen im Chaos wiederzufinden.
„Das gibt‘s doch nicht, das nützt doch nichts!“
„Als ich herauskam, war der Place St. Michel abgesperrt, und ich war 150 Meter vom Brand entfernt, unter Tausenden von Leuten“, erzählt Handke. Auch einen Blick auf die im Einsatz stehenden Helfer der Feuerwehr konnte er erhaschen - deren Löschversuche er zunächst als gänzlich zwecklos gegen die immer höher lodernden Flammen empfand. „Die Feuerwehrschläuche haben nicht einmal zur halben Höhe des Kirchenschiffs gereicht, das Wasser kam bis 15 Meter statt bis 50! Es war so absurd hoffnungslos, ich dachte: Das gibt‘s doch nicht, das nützt doch nichts!“ Gedanken an das Schlimmste wurden in dem Autor wach: „Ich dachte, die ganze Kathedrale wird zugrunde gehen.“
Und mit dieser Befürchtung war der erfolgreiche Schriftsteller wohl nicht alleine. Stunde um Stunde kämpften die Pariser Feuerwehrleute einen nahezu aussichtslos scheinenden Kampf gegen das Feuer. Rund 14 Stunden nach Ausbruch des Feuers sollten die Helden von Paris obsiegen.
Kurzschluss als Ursache?
Derzeit sondieren Experten weiterhin die Lage in der Kathedrale, auch die Ermittlungen rund um die tatsächliche Brandursache sind nach wie vor in vollem Gange. Laut Angaben von „Le Parisien“ gibt es Hinweise darauf, dass es ein elektrisches Problem - etwa ein Kurzschluss - gewesen sein könnte, wie eine Quelle in dem Blatt zitiert wird. Doch auch so manch verloren geglaubter Schatz konnte im Inneren der Kathedrale wiedergefunden werden - etwa der Bronze-Hahn, der sich auf der Spitze des zusammengestürzten Turmes befand. Auch die weltbekannten Rosettenfenster hätten das Feuer überstanden, wie groß der Schaden an ihnen ist, wird aber ebenfalls erst untersucht.
Die Spendenflut für den Wiederaufbau der unvergleichlichen Kathedrale reißt unterdessen nicht ab. Mittlerweile wurde beinahe eine Milliarde Euro von französischen und internationalen Großkonzernen in Aussicht gestellt. Geld, das auch dringend benötigt wird, immerhin hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versprochen, die Kathedrale innerhalb von nur fünf Jahren wiederaufzubauen.
„Notre Dame ist für Europa nicht geringer als Jerusalem, eine Spielart wie die Kathedrale von Santiago de Compostela in Galicien. Sogar die Peterskirche in Rom ist weniger Symbol als diese spätromanisch-gotischen Kathedralen“, betont auch Handke den Wert und die Bedeutung des rund 800 Jahre alten Gotteshauses. Gefragt nach dem Warum, reagiert der Starautor eines Genies würdig: „Warum? Immer warum? Schreiben Sie: Handke schreit.“
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