Mehr als 20 Sitzungen, Dutzende Zeugen und stundenlange Befragungen: Zehn Monate nach ihrer Konstituierung geht die Untersuchungskommission zum Wiener Krankenhaus Nord diese Woche zu Ende. Wer aber denkt, die Bilanz der Teilnehmer falle einhellig aus, irrt. Vielmehr ziehen Rot-Grün und die Oppositionsfraktionen ihre jeweils eigenen Schlüsse. Am Dienstag war die Stadtregierung dran. Sie sieht vor allem die Kosten des Mega-Projekts im Rahmen, wirtschaftliche Unregelmäßigkeiten habe es nicht gegeben. Für die Zukunft heiße es jedenfalls: „Lektion gelernt.“ Es sei nicht klug gewesen, die Fixkosten mit 825 Millionen Euro anzugeben.
Grundsätzlich sei zu sagen, dass beim inzwischen fertig gestellten Krankenhaus Nord, das nun „Klinik Floridsdorf“ heißt und ab Juni erste Patienten behandeln will, Fehler passiert seien, hieß es am Dienstagvormittag bei der Präsentation des Endberichts der Untersuchungskommission durch die beiden Fraktionsführer SPÖ-Gemeinderat Peter Florianschütz und Grünen-Klubobmann David Ellensohn. Doch sowohl die massive Steigerung der kommunizierten Kosten als auch die jahrelange Verzögerung der Fertigstellung seien im Rahmen - allerdings sei bei der Kommunikation einiges schiefgegangen.
„Das hätte nur eine Fee über Nacht können“
Die anfangs kolportierten 825 Millionen Euro hätten nie eingehalten werden können. „Es war niemals möglich, das Krankenhaus mit 825 Millionen Euro hinzustellen. Das hätte nur eine Fee über Nacht machen können“, so Ellensohn. Wie Florianschütz ausführte, seien bei der Kommunikation der Kosten weder die 2,1-prozentige Valorisierung noch der übliche, bis zu 30-prozentige Risikozuschlag berücksichtigt worden. So seien die vermuteten tatsächlichen Endkosten von 1,341 Milliarden Euro sogar „innerhalb des Kostenkorridors“, wenn man von der Fertigstellung 2019 ausgehe.
Rechnet man mit dem Jahr 2016 als Eröffnungsjahr - was geplant gewesen wäre -, seien die Kosten um rund 150 Millionen höher als machbar ausgefallen. Die Endabrechnung steht allerdings noch aus - auch mögliche Regresse sind laut der Stadtregierung noch nicht „eingepreist“.
„Man hätte den Fertigstellungstermin nicht so ankündigen sollen“
Ein Fertigstellungstermin 2016 sei übrigens ohnehin utopisch gewesen. Florianschütz: „Viele Zeugen haben uns gesagt, sie haben ihn nie geglaubt. Man hätte es nicht so ankündigen sollen.“ Auch hätten Zeugen gesagt, dass ein Baustopp nicht die richtige Lösung gewesen wäre. „Dann wäre das Krankenhaus zu einer Bauruine verkommen“, seien sich die Aussagenden einig gewesen. Wirtschaftliche Unregelmäßigkeiten seien im Lauf der Untersuchungskommission jedenfalls ausgeschlossen worden: „Dieser Vorwurf konnte sich kein einziges Mal erhärten“ - auch nicht bei den großen Aufregern „Bauzaun um 850.0000 Euro“ und Einsatz eines Energetikers für einen „Schutzring“.
Kommission wegen Energetiker „an Grenze zur Fassungslosigkeit“
Was den Bauzaun angehe, seien diese Kosten der Baufirma „nicht anerkannt“ worden. Florianschütz könne dazu aber nichts weiter sagen, da es sich um ein offenes Verfahren handle. Die Kosten des Energetikers „werden im Regress zurückgefordert. Die Verantwortlichen dafür werden zur Verantwortung gezogen, ich kann sagen, es gibt Verfahren.“ Alle in der Kommission jedenfalls seien ob dieser Beauftragung „an der Grenze zur Fassunglosigkeit“ gewesen.
Was die politische Verantwortung angeht, treffe die in erster Linie diejenigen, die mit dem Aufgabengebiet KH Nord beschäftigt waren - vorrangig die damaligen Gesundheitsstadträtinnen Sonja Wehsely und Sandra Frauenberger sowie Langzeit-Bürgermeister Michael Häupl (alle SPÖ). Wie Florianschütz ausführte, liege diese Veranwortung in vier Bereichen: der grundsätzlichen Entscheidung, ein Spital zu errichten, der Auswahl des Ortes, der Auswahl des Spitzenmanagements sowie der Zurverfügungstellung der Mittel.
Der ehemalige Wiener Bürgermeister Häupl hatte in seinem gewohnt launigen Auftritt vor der Untersuchungskommission gemeint, er trage nicht mehr als die politische Verantwortung, er sei schließlich „weder Bauherr noch Baumeister“ gewesen, Ex-Stadträtin Wehsely hatte für Kopfschütteln gesorgt, als sie meinte, sie würde alles noch einmal genauso machen.
Dass ein Fall wie das Krankenhaus Floridsdorf nicht mehr vorkommt, dafür sei jedenfalls nun Sorge zu tragen, so Ellensohn und Florianschütz. Die Untersuchungskommission schlage vor, für die Dauer solcher Großprojekte künftig Projektgesellschaften zu gründen, um eine Eingrenzung der Verantwortlichen vornehmen zu können. Und es sollte stets eine Kostentransparenz geben.
Opposition mit eigenen Berichten
FPÖ, ÖVP und NEOS haben bereits mehrfach angekündigt, dem Regierungsbericht nicht zustimmen zu wollen. Die Blauen wollen vielmehr einen offiziellen Minderheitenbericht beschließen. Das können sie insofern, als sie das erforderliche Drittel im Gremium stellen. In der blauen, 20- bis 25-seitigen Bilanz, die am Mittwoch präsentiert werden soll, dürften - wohl anders als in der Rot-Grün-Version, wie Mandatar Wolfgang Seidl vermutet - die Verantwortlichen sehr wohl namhaft gemacht werden. Die Türkisen und Pinken können kein offizielles Resümee beschließen, wollen aber trotzdem ihre jeweilige Bilanz in schriftlicher Form festhalten und der Öffentlichkeit präsentieren.
Vollbetrieb in Klinik Floridsdorf im Herbst
In der Klinik Floridsdorf laufen derzeit übrigens die Vorbereitungen für den Patientenbetrieb, ab Juni sollen erste Behandlungen durchgeführt werden. Für Herbst ist der Vollbetrieb avisiert. Dann werden 16 Operationssäle und rund 800 Betten, die sich auf Ein- und Zweibettzimmer verteilen, zur Verfügung stehen. 2500 Mitarbeiter werden sich künftig um 17.000 Operationen, rund 250.000 Ambulanzbesuche und 46.000 stationären Aufenthalten pro Jahr kümmern. Beim Tag der offenen Tür gingen Tausende Wiener „KH Nord schauen“.
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