Nach dem Rücktritt seines Regierungspartners Heinz-Christian Strache (FPÖ) und stundenlangen Beratungen im Bundeskanzleramt, die von Protesten Tausender Regierungsgegner begleitet wurden, hat sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstagabend der Öffentlichkeit gestellt und die Konsequenzen aus dem Ibiza-Skandal gezogen: Die Koalition mit der FPÖ ist zu Ende, es wird Neuwahlen geben!
„Genug ist genug!“, stellte der Kanzler fest. Nicht nur das Reformprojekt der Regierung, die auf „zwei Jahre gute Arbeit“ zurückblicken könne, sondern auch das Ansehen des Landes sei beschädigt worden. Spekulationen, die es zuvor gegeben hatte, wonach es einen fliegenden Wechsel zu einer Koalition mit der SPÖ oder anderen Parteien geben könnte, erteilte Kurz in seinem recht knappen Statement eine deutliche Absage: „Die FPÖ kann es nicht, die SPÖ teilt unseren Zugang nicht - und die anderen Parteien sind zu klein.“ Eine Minderheitsregierung wollte der ÖVP-Chef damit auch nicht riskieren.
„Ich musste viel aushalten“
Zwar bezeichnete der Kanzler die heimliche Aufzeichnung des Ibiza-Videos als „verachtenswert“, geißelte aber zugleich Straches darin geäußerte „Ideen des Machtmissbrauchs“. Er habe, was den Koalitionspartner FPÖ betreffe, „in den letzten beiden Jahren vieles aushalten müssen“. Kurz: „Auch wenn ich mich nicht immer geäußert habe, ist es mir schwergefallen, das runterzuschlucken.“ Die FPÖ schade „dem Ansehen unseren Landes“. Ihr Verhalten entspreche nicht seinem politischen Zugang, vor allem aber habe er nicht den Eindruck gewonnen, dass sich die FPÖ verändern wolle. „Und ich glaube, das wäre mehr als notwendig.“
Dass er überhaupt eine Koalition mit den Freiheitlichen eingegangen ist, verteidigte Kurz allerdings und verwies auf die aus seiner Sicht positive Bilanz der Regierung. „Ich war mir bewusst, dass der Weg mit der FPÖ als Regierungspartner Widerstand auslösen wird“, so der Kanzler. Aber zum damaligen Zeitpunkt sei die FPÖ der einzige Partner gewesen. Gemeinsam habe man die Schuldenpolitik beendet, die Steuerlast gesenkt und die illegale Migration massiv reduziert. Kurz bedankte sich auch bei allen Regierungsmitgliedern für die Zusammenarbeit.
Kurz schon im Wahlkampfmodus
Eine kleine Passage der Stellungnahme war schließlich bereits Wahlkampf: „Ich will mit Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung für Österreich arbeiten, und zwar ganz ohne Einzelfälle, Zwischenfälle und andere Skandale“, so Kurz. Um den begonnenen Reformprozess fortsetzen zu können, warb der Kanzler für einen „klaren Wählerauftrag“.
Kurz zufolge soll es Neuwahlen zum frühestmöglichen Termin geben. Dies wäre vom Fristenlauf her frühestens Mitte August möglich. Ein Urnengang mitten in den Sommerferien ist allerdings höchst unwahrscheinlich, realistisch wäre ein Urnengang im September oder Oktober. Bisher steht nach der EU-Wahl am 26. Mai nur ein Termin am Wahlkalender: die Vorarlberg-Wahl voraussichtlich am 22. September.
Tausende Demonstranten vor Ort
Am Samstag hatten sich Tausende Menschen auf dem Ballhausplatz befunden, um gegen Türkis-Blau zu protestieren. Auf Transparenten forderten die Demonstranten „Rücktritt jetzt“ und „Anklagebank statt Regierungsbank“ - und Neuwahlen. Unterstützt wurden die Demonstranten von allen Oppositionsparteien, so stand etwa SPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder zeitweise hinter der Polizeiabsperrung vor dem Bundeskanzleramt gleich in der ersten Reihe. Am Abend nach dem Statement von Kurz brandete schließlich Jubel auf.
Strache und Gudenus zurückgetreten
Zuvor hatten als Reaktion auf das am Freitag publik gewordene Video Vizekanzler Heinz-Christian Strache und sein Klubobmann Johann Gudenus ihren Rücktritt erklärt. In seiner Rücktrittsrede sah sich Strache als Opfer eines „gezielten politischen Attentates“. Zudem betonte er, in dem Gespräch mit der vermeintlichen lettisch-russischen Milliardärin nichts Ungesetzliches getan oder gesagt zu haben. Immerhin gestand der scheidende FPÖ-Chef aber zu, dass sein Verhalten unverantwortlich gewesen sei. Er entschuldigte sich bei seiner Partei, den Wählern und vor allem bei seiner Frau.
Video: Die Rücktrittserklärung von Vizekanzler Heinz-Christian Strache
Auch rot-blaue Koalition im Burgenland vor dem Aus?
Das politische Beben in Wien könnte übrigens auch zu einem Nachbeben im Burgenland führen. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) sprach am Samstag in Eisenstadt von einer „schwierigen Situation“, welche die dortige Koalition von SPÖ und FPÖ „natürlich mehr als belastet“.
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