Nach dem Auftauchen des unsäglichen Skandalvideos aus Ibiza hat sich die politische Landschaft in Österreich binnen weniger Tage radikal verändert. FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und der freiheitliche Klubobmann Johann Gudenus sind zurückgetreten, die türkis-blaue Koalition auf Bundesebene ist zerbröselt und es gibt im Herbst Neuwahlen. Wie geht es mit dem Land in den nächsten Wochen und Monaten weiter? Droht eine Staatskrise? Darüber hat am Mittwoch eine hochkarätige Runde mit Vertretern aller Parlamentsparteien im „Krone“-Studio diskutiert. Für den FPÖ-Nationalratsabgeordneten Robert Lugar sei klar, wer die Hauptschuld an der Situation trage: „Kanzler Sebastian Kurz hat die FPÖ ohne Not aus der Regierung geworfen, um jetzt seine Allmachtsfantasien umzusetzen. Strache und Gudenus haben sich geopfert, um diese Regierung zu erhalten und um Österreich keinen Schaden zuzufügen.“ Alle Highlights der Sendung sehen Sie oben im Video. Die komplette Sendung finden Sie hier!
Am Freitag die Veröffentlichung des folgenschweren Ibiza-Videos durch deutsche Medien, am Samstag der Rücktritt der beiden Hauptprotagonisten Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus (jeweils FPÖ) sowie die Neuwahlankündigung von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dem nun nach der EU-Wahl sogar ein Misstrauensantrag droht, und am Montag schließlich der Rücktritt aller FPÖ-Minister aus dem Regierungsteam: Österreich sieht sich derzeit mit einer handfesten Polit-Krise konfrontiert, deren Ausgang mehr als ungewiss ist.
Cap: „Kurz hat kein einziges Mal das Gespräch mit der SPÖ gesucht“
Die Studiogäste Karoline Edtstadler (ÖVP), Josef Cap (SPÖ), Robert Lugar (FPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) versuchten bei Moderatorin Katia Wagner der brennenden Frage auf den Grund zu gehen, wie es nun in Österreich weitergehen wird. Es entwickelte sich wenig überraschend eine sehr hitzige und emotionale Debatte, mit Ausnahme von Edtstadler schossen sich alle Diskutanten auf Kanzler Kurz ein. „Ich habe ihn seinerzeit unter Rot-Schwarz eigentlich als kooperativen und gesprächigen Partner kennengelernt. Aber jetzt, unter der ÖVP-FPÖ-Regierung, hat er in 17 Monaten nicht ein einziges Mal das Gespräch mit der SPÖ gesucht“, kritisierte Cap.
Edtstadler: „FPÖ kein verlässlicher Partner“
Edtstadler verteidigte hingegen die Vorgehensweise des Kanzlers: „Er hat besonnen und staatstragend reagiert.“ Nach dem schockierenden Strache-Gudenus-Video habe sich herausgestellt, dass die FPÖ kein verlässlicher Partner mehr sei. „Es war nicht mehr möglich, weiterzuarbeiten. Nun ist der Wähler am Wort.“ Strache und Gudenus seien ihr zufolge wohl nicht die Einzigen gewesen, die Kenntnis von dem Video gehabt hätten. Herbert Kickl hätte schon damals als FPÖ-Generalsektär für Aufklärung sorgen sollen. Die Einzigen, die also Fehler gemacht hätten, wären die Freiheitlichen gewesen.
Dass Kurz nun Experten in die Regierung geholt habe, sei ein entscheidender Schritt für Stabilität bis zu den Neuwahlen. Die ÖVP-EU-Kandidatin lasse es daher nicht zu, dass der Kanzler nun von der Opposition mit Dreck beworfen werde. „Auslöser der Krise ist die FPÖ. Wir müssen den Wählern nun beweisen, dass es die ÖVP mit dem Staat gut meint.“ Ihrer Meinung nach hätte die Mehrheit der Österreicher den Wunsch, dass der eingeschlagene Reformkurs unter Kurz weitergehen soll.
Mein-Reisinger: „Funktionierende Regierung lieber als Chaos“
Wie Cap kritisierte auch Meinl-Reisinger Kurz scharf: „Leadership sieht anders aus. Kurz hat versucht, ohne klaren Plan die Koalition fortzusetzen.“ Dass sie einen Misstrauensantrag gegen den Kanzler dennoch nicht unterstützen werde, begründete sie so: „Ich will aus einer Regierungskrise keine Staatskrise machen. Mir ist eine funktionierende Regierung lieber als Chaos.“ Dennoch wolle sie festhalten, dass Kurz für die gegenwärtige Situation mitverantwortlich sei und dies nun ausbaden müsse.
Lugar: „Kurz hat Chance gesehen, uns aus der Regierung zu werfen“
Für Robert Lugar habe der ÖVP-Chef nach dem Auftauchen des Videos nicht versucht, Stabilität herzustellen. „Die Regierung hat gut gearbeitet und Kurz hätte auch ohne Neuwahlen weiterregieren können. Doch Kurz hat die Situation nach der Ibiza-Affäre genützt, um sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen und die Chance gesehen, uns aus der Regierung zu werfen.“
„Strache hat sein Lebenswerk für Österreich geopfert“
Der FPÖ-Politiker bezeichnete das Ibiza-Video jedoch als eine „unverständliche Verfehlung“, es gäbe dabei nichts zu beschönigen. „Aber Strache hat sofort die Konsequenzen gezogen und sofort alle Ämter zurückgelegt. Er hat sein ganzes Lebenswerk geopfert für Österreich, das muss man ihm zugutehalten.“ Für Lugar hätten sich Strache und Gudenus geopfert, um die türkis-blaue Regierung zu erhalten und um Österreich keinen Schaden zuzufügen. Dem widersprach Edstadler vehement: „Die FPÖ ist uns als Partner weggebrochen, sie hatte keine Einsicht, dass es Veränderungen geben muss.“
Cap und Lugar kritisierten auch, dass sich Kurz nun mithilfe der Expertenregierung zur Neuwahl drüberretten wolle. „Er will als Kanzler in den nächsten vier Monaten Wahlkampf betreiben, das hat aber nichts mit Stabilität zu tun“, so Cap. Und Lugar fügte hinzu: „Kurz hat ein Drittel der Wähler, will aber absolut regieren. Das ist undemokratisch. Kurz ist nicht der Retter der Nation.“
„Video war bewusste Wahlmanipulation“
Lugar sprach in Bezug auf das Ibiza-Video von einer bewussten Wahlmanipulation. „Das Video wurde offensichtlich zwei Jahre lang zurückgehalten und plötzlich kurz vor der EU-Wahl veröffentlicht.“ Dies sei kein Zufall. „Man will verhindern, dass die migrationskritischen Kräfte, die eine Veränderung herbeiführen möchten, erstmals eine Mehrheit bekommen.“
Dieser These konnte Meinl-Reisinger nichts abgewinnen. „Manipulation wäre es dann, wenn einem absichtlich Schaden zugefügt werden würde. Gudenus und Strache waren aber nicht gezwungen, solche Aussagen zu treffen.“ Für Meinl-Reisinger sei durch das Video einmal mehr bewiesen, dass mit Populisten kein Staat zu machen sei. „Die FPÖ hätte Österreich auch an Russland verkauft.“
Sämtliche Ausgaben unseres Talk-Formats - immer mittwochs ab 19 Uhr hier auf krone.at - mit Moderatorin und Kolumnistin Katia Wagner zum Nachsehen sowie Highlight-Videos finden Sie unter krone.at/brennpunkt. Neuerdings ist die Sendung auch jeden Mittwoch ab 22 Uhr auf n-tv Austria zu sehen.
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