Zeichen auf Kurz-Sturz

Misstrauensantrag: Urteil erst in letzter Sekunde

Österreich
26.05.2019 06:00

Geht er oder geht er nicht? Im Finale des EU-Wahlkampfes deutet immer mehr darauf hin, dass SPÖ und FPÖ Sebastian Kurz tatsächlich aus dem Kanzleramt wählen. Von seinen Angeboten hält man jedenfalls weder da noch dort etwas. Den Showdown im Regierungskrisen-Poker wird es allerdings erst Montagvormittag geben - kurz vor der Abstimmung.

Nach Tagen der Unklarheit hat Hans Peter Doskozil stellvertretend für seine Parteichefin Pamela Rendi-Wagner jüngst ein Machtwort gesprochen: Der burgenländische Landeshauptmann erklärte, dass es für die SPÖ im Grunde kein Zurück mehr gebe, man auch im Blick auf die eigenen Funktionäre den Kanzler am Montag in die Wüste schicken müsse.

Hans Peter Doskozil (Bild: APA/ROBERT JAEGER)
Hans Peter Doskozil

„Uns stimmt man nicht mehr um“
In diesem Punkt widersprach ihm Parteimanager Thomas Drozda zwar am Abend öffentlich - eine große Gegenbewegung scheint es aber bei den Roten nicht zu geben, auch das rote Gewerkschaftsschwergewicht Rainer Wimmer sprach sich mittlerweile für eine Abwahl des Bundeskanzlers aus: „Uns stimmt man nicht mehr um, der Kanzler hat unser Vertrauen verspielt“, tönt er.

Pro-Ge-Chef Rainer Wimmer (Bild: APA/Robert Jäger)
Pro-Ge-Chef Rainer Wimmer

Kurz-Angebote stoßen auf wenige Gegenliebe der Opposition
Vom Angebot des Kanzlers, unter anderem die Klubobleute der Oppositionsparteien ohne Stimmrecht in die Ministerratssitzungen mit einzubeziehen, hält er nichts: „Beim Ministerrat, der nichts mehr entscheidet, dürfen also unsere Klubchefs künftig dabei sein? Eine Verarsche zum Quadrat.“

Nicht so deftig, aber von ähnlichem Inhalt scheint auch die Meinung der Blauen zu den Kurz-Angeboten auszufallen. Weder die neuen Minister noch die vorgeschlagene Ministerrats-Teilhabe bringen Kurz-Gegner von ihrem Misstrauen ab, heißt es aus der Partei. Zudem erklärte die FPÖ mittlerweile, selbst keinen Misstrauensantrag gegen Kurz einzubringen.

Über den Verhandlungen des Bundeskanzlers Sebastian Kurz mit den Parlamentsparteien schwebt derzeit stets das Damoklesschwert Misstrauensantrag. (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Über den Verhandlungen des Bundeskanzlers Sebastian Kurz mit den Parlamentsparteien schwebt derzeit stets das Damoklesschwert Misstrauensantrag.

Mehrheit der Bevölkerung für Verbleib des Kanzlers
Allein: So wahrscheinlich die Abwahl des Kanzlers auch scheint, für Rot und Blau ist das ein riskantes Unterfangen: Allen Meinungsumfragen zufolge wünscht sich die Mehrheit der Bevölkerung nämlich einen Verbleib des ÖVP-Chefs im Kanzleramt. Nur rund jeder Dritte ist laut den Studien für eine Abwahl des Kanzlers in der Nationalratssitzung. Die Karten werden erst kurz vor der Abstimmung aufgedeckt: Sowohl bei Rot als auch bei Blau fallen die Entscheidungen erst in den Klubsitzungen gegen 10.30 Uhr.

Bundeskanzler Sebastian Kurz, ÖVP (Bild: APA/Georg Hochmuth)
Bundeskanzler Sebastian Kurz, ÖVP

Kronen Zeitung

AUS DEM HINTERGRUND: Der ÖVP-Plan oder: Wie Türkis Rot spalten will
Wenn der Kanzler und die Seinen eines nie sind, dann ohne Strategie. Das gilt freilich auch für die aktuelle Krise, in der Sebastian Kurz tatsächlich die Abwahl als Regierungschef droht. Ranghöchste Türkise sagen hinter vorgehaltener Hand, dass eine Abwahl durch eine rot-blaue Allianz aus rein wahltaktischer Sicht mitnichten ein Kollateralschaden wäre - im Gegenteil: Abgesehen davon, dass der Kanzler dann bis Herbst als Klubchef völlig freigespielt für den Wahlkampf wäre, haben die türkisen Strategen rund um Kurz-Berater Stefan Steiner dafür auch schon eine Wahlwerbelinie ausgetüftelt.

Kurz-Abwahl könnte für enorme Mobilisierung sorgen
Diese sieht im Kern die Warnung vor einer staatspolitisch verantwortungslosen „Koalition“ aus SPÖ und FPÖ vor. Einen Vorgeschmack darauf gab Kurz am Samstag in unzähligen Interviews, als er in bisher nicht da gewesener Deutlichkeit einen unheilvollen rot-blauen Pakt gegen sich prophezeite. Im Kanzleramt geht man davon aus, dass dieses „Jetzt erst recht“-Mantra für enorme Mobilisierung in den eigenen Reihen sorgen könnte.

Kurz sieht sich als Phalanx zwischen Kickl und Rendi-Wagner
Nicht zuletzt sät man so auch bewusst Zwietracht in der SPÖ: Mit seiner perfiden Betonung einer plötzlichen Phalanx zwischen dem roten Feindbild Herbert Kickl und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner will Kurz die Roten in der für sie heiklen Frage, wie man es denn nun mit der FPÖ hält, unter Druck setzen. Diesen würde Kurz nach einer Abwahl noch erhöhen, indem er den Verbleib „seiner“ Minister forderte - was die SPÖ dann, so sie konsequent für die von ihr geforderte Expertenregierung eintritt, wohl neuerlich mit den Blauen gemeinsam bekämpfen müsste.

Herbert Kickl (FPÖ) (Bild: APA/Roland Schlager)
Herbert Kickl (FPÖ)
SPÖ-Chefin Rendi-Wagner (Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)
SPÖ-Chefin Rendi-Wagner

EU-Detailergebnisse als Zünglein an FPÖ-Waage 
Während die Entscheidung in der SPÖ also längst gefallen zu sein scheint, deutet auch in der FPÖ vieles auf eine Kanzler-Abwahl hin. Fixiert sei das aber auch in der Parteispitze noch nicht, erklären blaue Insider - und maßgeblich wird nicht zuletzt das EU-Wahlergebnis sein. Sprich: Verlieren die Freiheitlichen etwa bei Arbeitern und weniger ÖVP-affinen Blauwählern, ist dies intern ein weiteres starkes Argument für den von vielen Blauen verlangten Kurz-Sturz. Die FPÖ-Spitze ist jedenfalls, das versichern Insider, im Dauerkontakt mit der SPÖ.

Klaus Knittelfelder, Kronen Zeitung

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