Sebastian Kurz (ÖVP) und sein gesamtes Kabinett sind am Montagnachmittag von der Opposition gestürzt worden! Der SPÖ-Misstrauensantrag erhielt mit Unterstützung von FPÖ und JETZT eine Mehrheit (siehe Video oben). Es war das erste erfolgreiche Misstrauensvotum in der österreichischen Geschichte. Gleich nach dem Votum verließ die gesamte Bundesregierung das Hohe Haus.
krone.at hat den dramatischen Nachmittag im Hohen Haus für Sie live begleitet - hier können Sie unseren Ticker nachlesen:
15.38 Uhr: SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek richtet eine klare Botschaft an Kurz und die Bundesregierung: „Wenn man einander nicht mehr vertraut, dann muss man sich trennen.“
Rede von Sebastian Kurz im Video:
Misstrauensvotum macht Kurz zum kürzest dienenden Kanzler
Sollte es wie erwartet von einer Mehrheit der Abgeordneten unterstützt werden, wäre dies das erste Mal in der Geschichte Österreichs, dass ein Kanzler auf diese Art und Weise gestürzt wird. Der Misstrauensantrag gegen die Übergangsregierung macht Kurz auch zum bisher kürzest dienenden Bundeskanzler der Zweiten Republik. Er löst den bisherigen Rekordhalter Christian Kern (SPÖ) ab. Die fünf Übergangsminister werden zu den mit Abstand am kürzesten amtierenden Ministern.
„Kurz hat Zeit nicht genutzt, um wieder Stabilität im Land zu schaffen“
Die SPÖ hatte sich bereits am Sonntagabend festgelegt. „Wir sind zum Schluss gekommen, dass wir hier das Vertrauen gegen die gesamte Regierung, auch gegen die neu ernannten Minister hier nicht aussprechen werden“, sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Kurz habe die letzten zehn Tagen seiner mitverschuldeten Regierungskrise nicht genutzt, um Stabilität im Land wieder zu schaffen, sagte die Chefin der größten Oppositionspartei.
Van der Bellen muss nun neuen Regierungschef ernennen
Nach dem Bruch der türkis-blauen Bundesregierung wollte Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Amtsgeschäfte bis zur Neuwahl von einer Übergangsregierung führen lassen. Nach dem Abgang der FPÖ-Minister ersetzte das Staatsoberhaupt auf Vorschlag von Kurz die freigewordenen Posten mit Experten. Sobald klar ist, dass Kurz nicht mehr das Vertrauen der Abgeordneten genießt, muss das Staatsoberhaut jemanden anderen zum vorübergehenden Regierungschef ernennen.
Ibiza-Video als Auslöser für Regierungskrise
Auslöser für die Regierungskrise war ein veröffentlichtes Skandalvideo über den mittlerweile zurückgetretenen Vizekanzler und bisherigen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Das im Sommer 2017 heimlich in Ibiza aufgenommene Video zeigt, wie Strache und der bisherige FPÖ-Fraktionsvorsitzende Johann Gudenus einer vermeintlichen Verwandten eines russischen Oligarchen offenbar Regierungsaufträge als Gegenleistung für Wahlkampfhilfen in Aussicht stellte. Das Video führte zu einem Bruch der ÖVP-FPÖ-Regierung. Für September wurden vorgezogene Neuwahlen angekündigt.
Experten: „Kurz wird seine Abwahl zu nutzen wissen“
Kurz wird seine Abwahl durch den Nationalrat allerdings politisch zu nutzen wissen. Darin sind sich Politikberater Thomas Hofer und Meinungsforscher Peter Hajek einig. Einen großen Nutzen für die SPÖ sehen sie nicht. Dass die FPÖ dem roten Misstrauensantrag zustimmt, sei für beide nachvollziehbar. Die Situation sei für Kurz nicht einfach und er habe sich diese nicht gewünscht, aber er „wird sie zu nutzen wissen“, so Hofer.
„Drastischer Fehler von der SPÖ“
Der Ibiza-Skandal habe das „Kommunikationsgefälle zwischen Kurz und seinen Widersachern aufgezeigt“. Vor allem die SPÖ habe Wahlkampfhilfe für Kurz betrieben. „Es war ein drastischer Fehler von der SPÖ, das Misstrauensvotum gegen Kurz nur emotional zu erklären und nicht mit Inhalten zu füllen.“ Die Sozialdemokraten hätte Forderungen aufstellen müssen, etwa das Rauchverbot oder die Rücknahme des 12-Stunden-Tags. „Aber die SPÖ ist nicht in der Lage, Druck aufzubauen und hat eine schlechte Kommunikation gehabt“. Mit solchen populären Forderungen hätte sie Kurz unter Zugzwang bringen können. „Das hat gezeigt, wie sehr von Rolle die SPÖ ist“, so Hofer.
„Für SPÖ Wahl zwischen Pest und Cholera“
„Ich sehe von den aktuellen Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl niemanden, der Kurz kommunikativ das Wasser reichen könnte“. Kurz könne dem Wahlkampf gelassen entgegenblicken. „Er braucht sich nicht zu fürchten.“ Hajek sieht für die SPÖ in Sachen Misstrauensantrag eine Wahl zwischen Pest und Cholera. „Wie sie es macht, macht sie es falsch: Wenn sie umgefallen wäre, hätte sie einen Erklärungsbedarf gegenüber ihren Wählern gehabt“. Die Kommunikation der Roten sieht aber auch Hajek kritisch. „Die SPÖ hätte vieles besser machen können, sie hat ein Problem in der Parteizentrale und an der Spitze.“
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