Die Suche nach einem Übergangs-Kanzler ist zu Ende - und hat eine Überraschung gebracht: Brigitte Bierlein, die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, wird die erste Regierungschefin Österreichs. Bundespräsident Alexander Van der Bellen bestätigte dies am Donnerstagnachmittag: „Wir haben jemanden gesucht, der über umfassendes Wissen verfügt und die Geschicke des Landes lenken kann. Wer wäre dafür besser geeignet als die oberste Hüterin der Bundesverfassung.“ Von den Parteichefs vonr ÖVP, SPÖ und FPÖ gab es Lob für die Bestellung Bierleins.
Um 15 Uhr trat Van der Bellen vor die Medien und nahm „zur aktuellen Causa Prima, also der Regierungsbildung“ Stellung: „Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen.“ Die vergangenen Tage seien „sehr herausfordernd“ für die Republik gewesen. Und weiter: „In der Verfassung ist dargelegt, dass der Bundespräsident an diesem Punkt einen Bundeskanzler, eine Bundeskanzlerin auszusuchen hat. Das passiert hiermit.“ Dann verkündete Van der Bellen, dass Brigitte Bierlein das Amt und die Regierungsbildung übernehmen wird.
„Es braucht besondere Entschlossenheit“
„Sie wird die erste Bundeskanzlerin der Republik Österreich und wird in einigen Tagen von mir zur Bundeskanzlerin ernannt werden. Wir haben jemanden gesucht, der über umfassendes Wissen verfügt und die Geschicke des Landes lenken kann. Wer wäre dafür besser geeignet als die oberste Hüterin der Bundesverfassung“, so Van der Bellen. „Es braucht eine besondere Entschlossenheit, sich in dieser Tragweite in den Dienst der Republik zu stellen. Dafür dankt Österreich Ihnen und dafür danke ich Ihnen.“
„Das kommt für Sie sicher überraschend. Für mich auch“
Bierlein selbst sagte, die Bitte Van der Bellens sei für sie „überraschend“ gewesen: „Richter sind ja normalerweise nicht um Worte verlegen. Ich muss gestehen, das war diesmal etwas anders für mich.“ Sie habe sich ein paar Stunden Bedenkzeit erbeten, dann aber beschlossen, „diese Aufgabe zum Wohle Österreichs zu übernehmen“. Ihr Amt als Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes legt Bierlein dafür zurück, ihr bisheriger Stellvertreter Christoph Grabenwarter übernimmt interimistisch die Leitung des Höchstgerichts. Bierleins Amtszeit dort wäre 2020 aufgrund des Alterslimits ohnedies ausgelaufen, Grabenwarter hätte dann ganz regulär ihre Nachfolge angetreten.
Die 69-jährige Top-Juristin ist damit die erste Frau an der Staatsspitze. Sie war bis Februar 2018 Vizepräsidentin des VfGH und folgte dann Gerhart Holzinger an der Spitze des Höchstgerichts nach. Bierlein war 2003 von der damaligen schwarz-blauen Regierung als Vizepräsidentin nominiert worden, ihre Beförderung zur Präsidentin soll auf dringenden Wunsch der FPÖ erfolgt sein. Bierlein steht, wiewohl parteifrei, eher rechts der Mitte und verfügt über gute Kontakte in die bisherigen Regierungskreise.
Bierlein nennt Außen- und Justizminister
Am Donnerstag gab Bierlein weiters bekannt, dass der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, der Jurist Clemens Jabloner, das Amt des Vizekanzlers und Justizministers übernehmen werde. Der frühere EU-Diplomat und jetzige Leiter der Europa-Sektion im Bundeskanzleramt, Alexander Schallenberg, wird Außenminister. Zu weiteren potenziellen Regierungsmitgliedern wollte Bierlein nichts sagen. Gespräche mit erfahrenen Personen aus der Verwaltung würden nun unmittelbar beginnen.
Im Lauf des Tages hatten zuvor SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und FPÖ-Obmann Norbert Hofer sowie Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in der Hofburg Gespräche mit dem Bundespräsidenten geführt. Allerdings hatte keiner der drei einen Namen preisgegeben. Es sei Stillschweigen vereinbart worden, hieß es. Die „Krone“ erfuhr jedoch kurze Zeit später, auf wen die Wahl gefallen war.
Parteien loben Bierlein: „Kompetent, erfahren“
Nach der Verkündung reagierten die Parteien zufrieden auf die Bestellung Bierleins. Altkanzler Sebastian Kurz sieht sie als „außerordentlich kompetente, erfahrene und integre Persönlichkeit“. Die ÖVP werde sie bestmöglich unterstützen. Erfreut, dass eine Frau zum Zug kam, ist SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Auch FPÖ-Chef Norbert Hofer war voll des Lobes.
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