Für ein „Altern in Würde“ hat die ÖVP am Montag ein Sieben-Punkte-Gesamtkonzept präsentiert. Zentraler Teil ist die Pflegeversicherung, für deren Kosten Staat und Unfallversicherung aufkommen sollen. Möglich soll das durch Umschichtungen bei der Unfallversicherung sein, da die Zahl der Arbeitsunfälle stark rückläufig sei, so ÖVP-Chef Sebastian Kurz am Montag. Zudem soll es ein höheres Pflegegeld für die Betreuung daheim geben. Die Kritik vor allem an der vorschlagenen Finanzierung ist groß.
Wie Kurz bei einer Pressekonferenz am Vormittag betonte, sei die Pflege in Österreich ein zusätzliches Lebensrisiko geworden, was sich schon an den Zahlen zeige. 461.000 Personen bezögen Pflegegeld, dazu gebe es eine Million Angehörige, die betreuen würden. Daher müsse die Pflege mit einer eigenen Versicherung genauso anerkannt werden wie die anderen Bereiche Pensionen, Arbeitslosigkeit, Gesundheit und Unfall.
Da nun die Zahl der Arbeitsunfälle zurückgehe und sich dieser Trend angesichts des Rückgangs körperlicher Arbeit fortsetzen werde, blieben hier Mittel übrig, die man für die Pflege einsetzen könne. Wie viel genau von der Unfall- für die Pflegeversicherung abgezogen werden soll, sagte der ÖVP-Obmann nicht. Der größere Teil der anfallenden Kosten wird wohl über das Budget abgedeckt werden. Der Vorschlag einer Pflegeversicherung hatte im Vorfeld für wenig Begeisterung gesorgt.
Pflegeversicherung organisatorisch in Unfallversicherung untergebracht
Klar gestellt wurde von Kurz, dass es angesichts der neuen Aufgaben zu keiner weiteren Beitragssenkung in der nur von den Arbeitgebern dotierten Versicherung kommen könne. Dafür bekäme die AUVA mehr Arbeit bei Umsetzung der Pläne. Denn nach den Vorstellungen der Volkspartei soll die Pflegeversicherung organisatorisch in der Unfallversicherung untergebracht werden - geplanter Name AUPVA.
Die Umsetzung der VP-Reform würde etwa ein Jahr in Anspruch nehmen, erläuterte Seniorenbund-Obfrau Ingrid Korosec. Das Konzept enthielte dabei noch diverse andere Punkte, etwa einen Ausbau von Tageszentren oder flexiblere Modelle bei der 24-Stunden-Betreuung, wo Pflegerinnen auch für zwei oder drei Personen zuständig sein könnten.
Mehr Geld für Pflege daheim
Was das Pflegegeld angeht, soll es gemäß Korosec zu einer Erhöhung, aber auch zu einer Umschichtung kommen. Kurz versteht darunter, dass es für Pflege daheim mehr Geld geben soll. Einerseits werde die Betreuung zu Hause von den meisten Betroffenen gewünscht, andererseits sei diese für den Staat am besten (finanziell und organisatorisch) zu stemmen. Betreuende Angehörige könnten einen Teil der Pflegeleistung künftig auch persönlich beziehen.
Pflege-Hotline sowie Pflege-Kurzzeit-Dienste sollen kommen
Pflegenden Angehörigen soll das Leben auch insofern leichter gemacht werden, als man mittels eines One-Stop-Shops (beispielsweise pro Bezirk) gebündelt Informationen zu allen für Pflege relevanten Dingen erhalten sollen, wie VP-Frauenchefin Juliane Bogner-Strauß betonte. Sie kündigte auch die Etablierung einer Pflege-Hotline an. Ferner plädierte sie für einen Ausbau von Pflege-Kurzzeit-Diensten.
Schließlich will die ÖVP auch bei der Ausbildung nachschärfen. So schwebt Korosec hier die Einführung einer Pflegelehre vor. Um einem Fachkräfte-Mangel entgegenzuwirken, sollen aber auch gezielt Arbeitskräfte für den Pflegebereich in den Nachbarländern angeworben werden.
SPÖ: „Undurchdacht“, gehe sich „finanziell niemals aus“
Kritik am Vorschlag kommt aus unterschiedlichen Richtungen, wobei man sich in der Hinsicht einig ist, dass pflegende Angehörige besser unterstützt werden sowie wirksame Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel gefunden werden müssten. „Undurchdacht“ ist der ÖVP-Vorschlag für SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch. Denn die Finanzierung könne sich „finanziell niemals ausgehen“. Den Betroffenen würden damit Mehrausgaben bleiben. Auch gibt es im ÖVP-Papier nach Meinung von Muchitsch null Verbesserung für Beschäftigte im Pflegesektor: „Da wird nur das Anwerben von Pflegefachkräften im Ausland vorgeschlagen.“
NEOS: „Die denkbar teuerste Variante“
NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker meinte in einer Aussendung, dass eine Pflegeversicherung über die Sozialversicherung die denkbar teuerste Variante sei. Die ÖVP-Pläne würden zum selben „Desaster“ wie bei den Pensionen führen, nämlich, dass die Zuschüsse aus dem Budget jedes Jahr exorbitant steigen. Pflege habe selbstbestimmt und flexibel vor Ort stattzufinden und müsse aus Steuermitteln finanziell abgesichert sein, erklärte JETZT-Gesundheitssprecherin Daniela Holzinger-Vogtenhuber. Eine zusätzliche Sozialversicherung werde für alle zusätzliche finanzielle Belastungen bringen.
AUVA: „Gesetzgeber muss entscheiden“
Die AUVA hält sich zu dem Thema bedeckt. Aus Sicht der Führung müssten zunächst Leistungsspektrum und Finanzierung definiert und mit einem tragfähigen legistischen Konzept versehen werden. Grundsätzlich müsse der Gesetzgeber entscheiden, „welche Leistungen wir als Sozialversicherungsträger erbringen sollen“, heißt es in einer E-Mail von Obmann Anton Ofner.
Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter pocht darauf, dass eine Reform nicht wegen der Neuwahl auf die lange Bank geschoben wird: „Wichtig ist, dass es ein Pflegekonzept gibt, das auch nachhaltig ausfinanziert ist. Auch bei einer Pflegeversicherung stellt sich die Frage, wer das finanziert.“
Pensionistenverband: Kurz-Plan „wundersame Geldvermehrung“
Für den Präsidenten des Pensionistenverbandes Österreichs (PVÖ), Dr. Peter Kostelka, stellen sich nach dieser Präsentation des Plans mehr Fragen, als Lösungen angeboten würden. Nach seiner Einschätzung sehe der Kurz-Plan nach „wundersamer Geldvermehrung“ aus. Kostelka: „Vor einem Jahr erst wurden der AUVA unter Kanzler Kurz 500 Millionen jährlich entzogen. Wie soll dieselbe AUVA jetzt die erforderlichen 4,5 Milliarden für die Pflege stemmen ohne dass Leistungen gekürzt oder Beiträge erhöht werden?“
Der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, meint in einer Aussendung: „Ein schlichter Zugriff auf Dienstgeberbeiträge bzw. Lohnnebenkosten für Erwerbstätige wäre unsachlich und ist daher klar abzulehnen.“ Überhaupt missfällt Kapsch ein Versicherungsmodell an sich, vielmehr brauche es eine Senkung der Lohnnebenkosten.
Eine Finanzierung der Pflege über die AUVA sei ein „Luftschloss“, findet Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl. Den AUVA-Beiträgen von rund 1,4 Milliarden Euro stünden schon derzeit rund fünf Milliarden Euro an öffentlichen Aufwendungen für die Pflege gegenüber. „Ehrlicherweise sollte man dann gleich über eine Steuerfinanzierung reden“, meint Anderl und spricht ihren Wunsch nach einer Erbschaftssteuer an.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.