420 statt 60 Mio. €?

Streit um mögliche Extremkosten bei Pensionsbonus

Österreich
29.06.2019 15:30

ÖVP und FPÖ wollen kommende Woche die Erhöhung der Mindestpensionen beschließen (siehe auch Video oben). Experten des Sozialministeriums weisen, wie berichtet, schon länger darauf hin, dass dieser Pensionsbonus nach EU-Recht auch in andere EU-Länder exportiert werden müsste - was zu exorbitant höheren Kosten führen könnte, als von den ehemaligen Regierungsparteien veranschlagt wird. Während die ÖVP weiterhin auf einer Summe von 50 bis 60 Millionen Euro beharrt, drohen laut den Experten bei einem Abfluss in andere EU-Länder „im Extremfall“ Mehrkosten von 421,4 Millionen Euro - pro Jahr. „Das werden wir verhindern“, ist Klubchef August Wöginger (ÖVP) überzeugt.

Ab 2020 sollen Menschen mit 40 Beitragsjahren eine Mindestpension von 1315 Euro brutto, jene mit 30 Beitragsjahren eine von 1080 Euro brutto erhalten. Möglich machen soll das ein Pensionsbonus, der als eigenständige Leistung zusätzlich zur Mindestpension von 933,06 Euro brutto ausbezahlt wird. Bei 40 Beitragsjahren liegt dieser Bonus bei 381,94 Euro, bei 30 Beitragsjahren bei 146,94 Euro.

(Bild: stock.adobe.com; krone-Grafik)

Vor allem Österreicher, die lange ins System eingezahlt haben, sollen vom Pensionsbonus profitieren, so ist es von der zerbrochenen türkis-blauen Regierung angedacht. Allerdings weisen Experten schon länger darauf hin, dass dieser auch in andere EU-Länder exportiert werden müsste - mit Mehrkosten „im Extremfall“ von 421,4 Millionen Euro jährlich, wie jetzt bekannt wurde.

Die ÖVP beharrt auf ihren veranschlagten 50 Millionen Euro, die auch bereits im Stabilitätsprogramm eingerechnet worden seien, und stellt klar: Der Bonus sei keine Versicherungsleistung, das habe man im Gesetzesentwurf festgehalten.

(Bild: APA/dpa/Stephan Scheuer)

Wer klagt, bekommt Recht, meinen Experten
Das Sozialministerium wiederum sieht in dem Bonus klar eine Versicherungsleistung. Deshalb habe laut EU-Recht jeder EU-Bürger, der zumindest ein Jahr in Österreich gearbeitet hat und mit seinen im Ausland erworbenen Versicherungsmonaten auf 40 oder 30 Jahre kommt, Anspruch auf den Bonus. Da helfe es auch nichts, dass der Bonus im Gesetzesentwurf nicht als Versicherungsleistung deklariert sei: Der Erste, der klagt, werde vor dem Europäischen Gerichtshof Recht bekommen, sind sich die Experten einig.

„Werden verhindern, dass die Pensionen künftig ins Ausland abfließen“
Dem widersprach die ÖVP, die zugleich Sozialministerin Brigitte Zarfl attackierte. „Dass die Pensionen künftig ins Ausland abfließen, ist offenbar eine Wunschvorstellung der SPÖ und des von ihr nominierten Vertreters in der Regierung“, so Klubchef August Wöginger am Samstag. „Das werden wir verhindern.“ Die Kosten bezifferte er abermals mit rund 50 bis 60 Millionen Euro und nicht „wie von der SPÖ genannt 420 Millionen Euro“.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger (Bild: APA/ROBERT JAEGER)
ÖVP-Klubobmann August Wöginger
Die neue Sozialministerin Brigitte Zarfl (Bild: Sozialministerium)
Die neue Sozialministerin Brigitte Zarfl

FPÖ: SPÖ will die Erhöhung „madig“ machen
Auch die FPÖ reagierte erbost. Die „Behauptung“ des Sozialministeriums sei „an Absurdität nicht zu überbieten“, meinte Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch in einer Aussendung. Offenbar versuche die SPÖ mit aller Kraft, die Erhöhung „madig“ zu machen. Zur rechtlichen Absicherung der Erhöhung werde es kommende Woche noch legistische Adaptierungen geben.

FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch (Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER)
FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch

Wie derart unterschiedliche Beträge möglich sind? Die Antwort liegt in der Zahl der künftig potenziellen Bezieher, und da scheint die ÖVP eine einigermaßen optimistische Sichtweise zu haben, während die Experten von 110.000 Betroffenen pro Jahr ausgehen.

Rendi-Wagner verteidigt „untadelige“ Sozialministerin
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stellt sich in der Diskussion jedenfalls hinter Sozialministerin Zarfl. „Es droht tatsächlich die Gefahr, dass die geplante Erhöhung der Mindestpension auch in andere EU-Länder exportiert werden muss“, meinte Rendi-Wagner am Samstagnachmittag zum Papier des Sozialministeriums. Dies sei ÖVP und FPÖ durchaus bewusst gewesen, da es sogar im Gesetzesantrag angesprochen werde. Anstatt aber jetzt die „untadelige Expertenministerin“ anzugreifen, schlägt die SPÖ-Chefin vor, rasch in intensive Gespräche und Verhandlungen zu gehen.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner (Bild: APA/EXPA/JOHANN GRODER)
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner

Grundsätzlich befürwortet Rendi-Wagner Verbesserungen für Mindestpensionisten, aber: „Der gute österreichische Weg ist der des Dialogs und nicht der wechselseitigen Beschuldigungen.“ Um eine Pensionsverbesserung ab Jänner 2020 zu erreichen, könne eine Beschlussfassung im Nationalrat auch erst im Septemberplenum erfolgen.

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