Fatale Kettenreaktion
Notre Dame war dem Einsturz näher als bekannt
Die Pariser Kathedrale Notre Dame ist bei dem Inferno Mitte April einem Einsturz näher gewesen, als bisher bekannt war. Wie unglücklich die Verkettung menschlicher und technischer Unzulänglichkeiten war, zeigt jetzt eine Rekonstruktion des betreffenden Abends. Nur der mutige Einsatz einiger Feuerwehrleute hat wohl Schlimmeres verhindert.
Laut dem Bericht der „New York Times“ habe der für die Überwachung der hochkomplexen Brandmeldeanlage zuständige Mitarbeiter an diesem Tag eine Doppelschicht machen müssen, weil seine geplante Ablösung nicht verfügbar gewesen sei. Seit 7 Uhr früh sei der Mitarbeiter im Dienst gewesen, das Feuer brach kurz nach 18 Uhr aus. Außerdem sei der Mann erst seit drei Tagen in dem Job gewesen, heißt es weiter.
Warnsystem führte Wachleute in die Irre
Nachdem das Warnsystem eine schwer zu interpretierende Meldung, eine längere Kombination aus Zahlen und Buchstaben, produziert habe, sei ein im Kircheninneren stationierter Wachmann zum Nachsehen geschickt worden - allerdings in den falschen Gebäudeteil: in die Sakristei. Der Brand breitete sich unterdessen im Holzgebälk des Dachs im Hauptschiff aus. Sprinkler oder Brandmauern gab es hier aus Denkmalschutzgründen nicht.
Statt die Feuerwehr zu benachrichtigen, habe der für das Warnsystem zuständige Mitarbeiter dann seinen Chef angerufen, diesen aber zunächst nicht erreicht, so die Zeitung. Nach einem Rückruf habe der Vorgesetzte den Brandort dann richtig lokalisieren können. Der Wachmann sei daraufhin wieder losgeschickt worden und habe das Feuer entdeckt.
Zeitverzug war nicht mehr aufzuholen
Rund 30 Minuten sind bis zu diesem Zeitpunkt vergangen, in denen sich die Flammen weiter ausbreiteten. Ein Zeitverzug, der für die Feuerwehr nicht mehr aufzuholen gewesen sei: Die angerückten Brandbekämpfer hätten sich 300 enge Stufen nach oben vorgekämpft, seien aber angesichts des Ausmaßes des Feuers schnell wieder zum Rückzug gezwungen gewesen. Schließlich habe man aber doch eine kleine Gruppe von Feuerwehrleuten direkt in die Flammen geschickt.
Glocken wären wie Abrissbirnen durch Mauer gepflügt
Das Hauptproblem, nachdem sich der Brand ausgebreitet hatte: Der Nordturm der Kirche könnte einstürzen. Er lag wegen der Windrichtung in der Ausbreitungsrichtung der Flammen. Es drohte eine fatale Kettenreaktion: Die acht Mega-Glocken des Turmes sind an einer Holzkonstruktion aufgehängt. Hätten die Flammen diese zum Einsturz gebracht, wären sie auf dem Weg nach unten wie Abrissbirnen durchs Mauerwerk gepflügt.
In einem gewagten Manöver sei es der Feuerwehr jedoch gelungen, auf den Südturm zu kommen. Dabei hätten sie Schläuche nach oben gebracht, durch die dann Löschwasser auf den Nordturm gespritzt worden sei. Eine erste Gruppe von Brandbekämpfern habe den Einsatz wegen fehlender Fluchtmöglichkeiten abgelehnt, ein zweites Team habe den Aufstieg jedoch gewagt. Es habe mit Löschwasser auch dafür sorgen müssen, dass der Boden unter der Mannschaft nicht zusammenbricht.
Von einer Plattform zwischen beiden Türmen aus seien Mitglieder der Gruppe schließlich auch in den bereits brennenden Nordturm vorgedrungen. Nur durch diesen Einsatz sei es gelungen, die Kathedrale zu retten.
Zigarrette oder Kurzsschluss als mögliche Ursache
Bis heute ist nicht abschließend geklärt, was zum Brand am 15. April geführt hat. Anfangs war von einer nicht weggeworfenen Zigarette oder einem Kurzschluss als mögliche Ursache die Rede gewesen. Die „New York Times“ zitiert einen Ermittlungsbeamten mit der Aussage, dass kein Szenario ausgeschlossen werde, man aber wisse, dass es sich nicht um eine kriminelle Tat gehandelt habe.
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