Filzmaier analysiert

Wahlkampf: Von Schlammschlachten und Schmutzkübeln

Österreich
15.08.2019 06:00

Alle Wahljahre wieder: Politiker tanzen einen Eiertanz rund um ein Fairnessabkommen, aus dem nichts wird. Fast jede Partei behauptet, man wäre ja so brav. Nur die bösen anderen würden in den Schmutzkübel greifen. Ja, und wir Wähler sollen an den Osterhasen glauben.

In der Politikwissenschaft versucht man, zwischen „negativ“ und „schmutzig“ zu unterscheiden. Natürlich darf die Opposition sagen, dass sie die Politik der Ex-Regierungsparteien ÖVP und FPÖ für grottenschlecht hält. Diese wiederum werfen umgekehrt SPÖ und Grünen vor, was sie in Wien falsch machen würden. Das alles kann eine inhaltliche Sachkritik sein.

Prof. Peter Filzmaier (Bild: Klemens Groh)
Prof. Peter Filzmaier

Widerliche Gerüchte im Präsidentschaftswahlkampf
Dreckig wird die Sache, wenn man sich etwa gegenseitig und pauschal ohne Beleg Straftaten nachsagt. Oder wenn ein Politiker wegen seines Aussehens, seines Privatlebens und seiner Familie, seiner Herkunft und so weiter und so fort attackiert wird. Im Präsidentschaftswahlkampf haben wir widerliche Dinge erlebt, dass - erstunken und erlogen - über Alexander Van der Bellen Krebsgerüchte verbreitet wurden und man Norbert Hofer seine körperliche Beeinträchtigung vorhielt. So etwas geht gar nicht.

Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer (Bild: APA/Helmut Fohringer)
Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer

Bringen Schmutzkübel mehr Wählerstimmen?
Bringen Schmutzkübel einer Partei mehr Wählerstimmen? Das glauben jene Wahlkämpfer, die gerne mit sprachlichem Dreck um sich werfen und mit miesen Unterstellungen arbeiten. Umfassend bewiesen ist das durch keine Studie der Welt. Finden Sie jemand sympathisch, der andere Leute ordinär beschimpft und ihnen miese Dinge unterstellt?

Fall Silberstein änderte 2017 wenig am Wahlverhalten
2017 hat Tal Silberstein wenig am Wahlverhalten geändert. Wähler von ÖVP und FPÖ fanden seine gefälschten Facebookseiten besonders widerlich. Klar! Nur waren sie ja bereits vorher von ihrer Partei überzeugt. Also konnte das nach Auffliegen der Affäre Sebastian Kurz keine zusätzlichen Stimmen bringen. Umgekehrt lehnten auch Fans der SPÖ die Methoden Silbersteins ab. Doch warum sollten sie deshalb Kurz mögen und ÖVP wählen?

Tal Silberstein (Bild: APA/AFP/Jack Guez)
Tal Silberstein

Unklar ist, wer davon profitiert
Generell ist bei zu viel Negativität unklar, wer von den ausgelösten Emotionen profitiert. Wenn die Partei JETZT in einer Karikatur die Parteichefin der NEOS als nach der Spendenknackwurst hechelnden Hund darstellt, könnten sich gemäßigte Wähler mit der beschimpften Beate Meinl-Reisinger solidarisieren, weil ihnen das viel zu weit geht. Oder es gibt die Grünen als lachenden Dritten, wenn zwei sich streiten.

(Bild: APA/HANS PUNZ, zackzack.at/Othmar Wicke, krone.at-Grafik)

Wechselwähler empfinden in Schlammschlachten der Kleinparteien denjenigen als besten Politiker, der daran am wenigsten beteiligt erscheint. Alle Parteien - ob groß oder klein - vergessen nämlich eine banale Frage: Wenn ich jemand übel beflegle, werde ich selbst dadurch beliebter? Nein. Schließlich haben politische Dreckschleudern vor allem eines: schmutzige Hände!

Anonymes Geschimpfe im Internet
Deshalb passiert das böseste Geschimpfe oft halb anonym im Internet. Dort machen das nicht die sauberen Spitzenkandidaten, sondern Partei-Trolle oder selbst ernannte Parteiaktivisten. Allerdings sind Parteien oft über allzu wilde Ausritte ihrer Parteigänger gar nicht glücklich. Während etwa Norbert Hofer die FPÖ als möglichst staatstragend darstellt, zerstören FPÖ-Politiker mit wüsten Aussagen auf Facebook & Co. ständig seine Strategie.

Die Probleme der FPÖ mit den Identitären
Die FPÖ versucht zwar, sich mühsam von den rechtsextremen Identitären abzugrenzen. Wenn diese wie in der EU-Wahl für den in Ibiza als moralische Null auftretenden Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Vorzugsstimmen sammeln und auf alles schimpfen, was nicht blau ist, verringert das die Regierungschancen der Freiheitlichen stark. Denn mit jemand im Naheverhältnis zu solchen Typen will keiner koalieren.

Martin Sellner, Sprecher der Identitären (Bild: APA, krone.at-Grafik)
Martin Sellner, Sprecher der Identitären

Warum greifen Parteien aber überhaupt in den Schmutzkübel? Was politikwissenschaftliche Studien leider beweisen: Mit Negativität erreicht man leichter die Aufmerksamkeit der Wähler und einen höheren Erinnerungswert. Genau das wollen Politiker mit ihren Botschaften vor einer Wahl erreichen. Also ist es verlockend, einander zu beschimpfen.

Abartige Verleumdungen
Hier haben Politik und Medien eine gemeinsame Verantwortung: Niemand sollte jeden Sprechdurchfall allein wegen der Schlagzeilen weiterverbreiten. Warum als ÖVP Aussagen eines parteilosen Vollidioten bekannt machen, der frühere Bundeskanzler wäre in Kinderpornos zu sehen und die Grünen würden Menschenfleisch essen? Wenn sich derart abartige Verleumdungen nicht von selbst disqualifizieren, na dann gute Nacht, Österreich!

Die Website nahm Kurz und einen Wiener Unternehmer ins Visier. (Bild: stock.adobe.com; krone.at-Grafik)
Die Website nahm Kurz und einen Wiener Unternehmer ins Visier.

Unsere Demokratie als Verlierer
Ein Verlierer der parteipolitischen Schlammschlacht steht fest: unsere Demokratie! Für Wirtschaftsunternehmen gilt als goldene Regel, auf den guten Ruf der gesamten Branche zu achten. Haben Sie je Vorwürfe von Thermenhotels gehört, dass man beim jeweils anderen in der Sch… oder Kloake schwimmen würde? Natürlich nicht. Denn das würde allen Hoteliers schaden.

Kapieren Wahlkampfmanager diesen Vergleich, warum man auf wechselweise Beschimpfungen verzichten sollte? Nicht umsonst ist das Image der Parteipolitik ruiniert und haben Politiker die schlechtesten Vertrauenswerte überhaupt.

Peter Filzmaier

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