Noch 34 Tage bis zur Wahl. Am Montag ist Pamela Rendi-Wagner in den „Sommergesprächen“ des ORF zu Gast. Zu beneiden ist die Chefin der Roten angesichts der Ausgangslage momentan nicht. In der Parteienserie zur Wahl geht es diesmal um die Sozialdemokraten.
Hauptthemen Bildung, Gesundheit und leistbares Wohnen
Bildung, Gesundheit und leistbares Wohnen. Rendi-Wagner sagte einmal, dass diese Themen besonders wichtig sind. Ja, klar, was sonst? Sie hat zudem gemeint, dass ihre Partei die besten Wahlchancen hätte, wenn vor allem darüber diskutiert wird. Das stimmt ebenfalls.
Als studierte Medizinerin hat Rendi-Wagner, die sich am Samstag für einen steuerfreien Mindestlohn von 1700 Euro aussprach, gegenüber Sebastian Kurz einen Wettbewerbsvorteil in der Debatte, wann und wie ein krankes Kind die bestmögliche Versorgung durch Ärzte bekommt. Im Streit mit den Herren Hofer und Kickl, wie man Schüler unterrichtet, dürfte Rendi-Wagner genauso ein Heimspiel haben. FPÖ-Politiker sind nicht gerade als einfühlsame Pädagogen bekannt.
Mehrere Fehler nicht bemerkt oder nicht ausgemerzt
Finde den Fehler! Es gibt gleich mehrere davon, welche die SPÖ entweder nicht bemerkt oder nicht ausmerzen kann. Einerseits ist das Topthema inzwischen Umwelt und Klima. Da erleben wir von den Roten putzige bis peinliche Versuche, so zu tun, als könnte man den Grünen den Rang ablaufen. Zur Erinnerung: 2017 diskutierte weniger als ein Fünftel der Wähler der SPÖ wirklich oft über Umweltpolitik. Damit ist also kein Blumentopf zu gewinnen.
Geht es um Zuwanderung, gerät die SPÖ in ein Auswärtsspiel gegen ÖVP und FPÖ. Diese haben damit vor zwei Jahren die Wahl gewonnen und eine Koalition gebildet. Wieso sollte es ohne Themenwechsel diesmal anders sein? Warum aber bekommen wir kaum nennenswerte Versuche der SPÖ mit, über nicht zu teures Wohnen zu reden? Vielleicht weil Rendi-Wagners Kritik sich da gegen Versäumnisse ihrer Vorgänger wie Werner Faymann und den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig richten müsste?
Alle Umfragen sagen der SPÖ Verluste voraus
Apropos Umwelt. Alle bisherigen Umfragen sagen der SPÖ Verluste voraus. Ein Wählerstrom ist sicher: Die Rückwanderung von der SPÖ zu den Grünen. 2017 hat die Grünpartei für jeden hinzukommenden SPÖ-Wähler 80 Stimmen in die Gegenrichtung verloren. Mit anderen Worten: Das rot-grüne Austauschverhältnis der Wähler lautete 80:1 zugunsten der SPÖ.
Warum das so war? Christian Kern hat die Geschichte erzählt, dass ein möglicher Grünwähler besser das Rennen um den ersten Platz beeinflussen und deshalb ihn und seine Partei statt Kurz oder Strache wählen solle. Die Grünen würden fix im Nationalrat sein. Diese Geschichte funktioniert 2019 für Rendi-Wagner nicht. Weil es kein Rennen um den ersten Platz gibt. Wenn nichts Dramatisches passiert, ist die Kurz-ÖVP uneinholbar. Wer Grün will, wird nach dem Debakel vor zwei Jahren auch Grün wählen.
Mangel an Perspektiven nach der Wahl
Das größte Problem für die SPÖ sind trotzdem nicht die Umfragen. Das ist nicht einmal die Blamage, dass man nach dem blauen Ibizadebakel bisher kaum Stimmen von der FPÖ zurückholen konnte. Nein, das Dilemma der Sozialdemokratie ist ihr Mangel an Perspektiven nach der Wahl. Eine Partei, die im letzten halben Jahrhundert 42 Jahre lang den Bundeskanzler stellte - das waren 85 Prozent der Zeit seit 1970 (!) -, will regieren.
Natürlich darf man diesen Machtanspruch haben. ÖVP und FPÖ wollen das ja genauso. Der Haken ist die Frage, mit wem man sich als SPÖ für eine Koalition paaren will. Als Juniorpartner der ÖVP, was die deutsche Schwesterpartei zum Absturz brachte? Noch dazu mit Sebastian Kurz, den die Roten als Gottseibeiuns sehen und der umgekehrt die SPÖ nur als allerletzte Möglichkeit sieht?
Rote Annäherung an die FPÖ
Oder nähert sich die SPÖ ausgerechnet nach Ibiza der FPÖ an, was auf Bundesebene ausgeschlossen wurde und uns nur die ÖVP als wahltaktisches Schreckgespenst vorgaukeln will? Da kann sich die SPÖ gleich spalten, weil das schneller geht. Schneller als der interne Dauerstreit, ob die FPÖ mit ihren Problemkindern Heinz-Christian Strache und Herbert Kickl überhaupt ein Partner sein darf.
Oder träumt man von einer Koalition mit den Grünen? Im Bund gab es seit 1979 immer Mitte-rechts-Mehrheiten. Rot-Grün geht sich vielleicht nicht einmal für die Kinder der heutigen Rotkandidaten jemals aus. Mit den Grünen und Neos? Das ist die letzte Hoffnung, doch umfragemäßig fast unmöglich. Wie will man sich da außerdem bei irgendeinem Wirtschaftsthema einig sein?
Schwerer Stand bei Unter-30-Jährigen
Demzufolge sind die SPÖ und Pamela Rendi-Wagner ziemlich allein zu Hause. Rendi-Wagner als Halbquereinsteigerin könnte durchaus für frischen Wind stehen, nur sieht ihre Partei ziemlich alt aus. Nicht nur weil altgediente Funktionäre jede größere Parteireform abschmettern.
Auch weil Pensionisten die größte Wählergruppe der SPÖ sind. Bei den unter 30-Jährigen liegt die SPÖ unter „Ferner liefen“. Zugleich will sie als Oppositionspartei die Unzufriedenen vertreten, ohne trotz langer Regierungszeit an deren Dauerenttäuschung schuld zu sein. Das ist wenig glaubwürdig und ergibt keine schönen Aussichten.
Peter Filzmaier, Kronen Zeitung
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